Erwin Thoma

Einer der Protagonisten in Erwin Wagenhofers Dokumentation But Beautiful ist Erwin Thoma – ein Österreicher, der nicht nur über erstaunlich viel Weitblick, Tatkraft und Mut verfügt, sondern auch in puncto Nachhaltigkeit und ganzheitlichem Denken ein wahrer Vorreiter ist. Nach seiner forstwirtschaftlichen Ausbildung war er mit 20 Jahren der jüngste Förster Österreichs mit eigenem Revier. Inmitten des Karwendelgebirges lebte er dort sehr abgeschieden und im Winter auch stets über mehrere Wochen eingeschneit gemeinsam mit seiner Frau, mit der er in dieser Zeit auch drei Kinder zeugte. Als sein ältester Sohn schließlich schulpflichtig wurde, zog die junge Familie in ein Haus in St. Johann im Pongau. Das Eintauchen in die moderne Zivilisation ging allerdings einher mit Atemwegsbeschwerden, unter denen Erwin Thomas Söhne nach dem Umzug litten. Als Ursache stellte sich schließlich eine Allergie gegen Spanplatten heraus – genauer gesagt, gegen die chemischen Klebstoffe, die in Spanplatten verarbeitet sind. Statt der Verabreichung eines Cortisonpräparats zur Bekämpfung der Symptome entschied sich Erwin Thoma dafür, die Ursache der Krankheit zu beheben und beschloss, selber gesunde Häuser zu bauen. Gemeinsam mit seinem über 80-jährigen Großvater, einem gelernten Zimmermann mit reichem überlieferten Wissensschatz, machte sich der junge Thoma also selbständig. Die von Thoma gefertigten Holz-100-Häuser bestehen zu einhundert Prozent aus Vollholz und kommen ohne jegliche Chemie und Dämmstoffe, sowie ohne Heizung und Kühlung aus. Außerdem können die einzelnen Komponenten des Hauses im Sinne der Kreislaufwirtschaft wiederverwendet werden. Zu gut um wahr zu sein? Wohl eher zu ungewohnt, um es zu fassen. In unserer schnelllebigen Welt aus Betonwüsten und Wegwerfkultur muss man sowas zuerst einmal selbst erleben, um den Unterschied zu fühlen. Vor zwei Wochen habe ich Erwin Thoma in seinem Firmengebäude in Goldegg besucht, um mit ihm dieses Interview zu führen. Das mehrstöckige Vollholzhaus liegt eingebettet in einen idyllischen Garten, an den ein schöner Mischwald grenzt. Schon beim Betreten des Gebäudes spürt man, wie sehr einen das viele Holz entspannt und beruhigt. Es hat so was Ursprüngliches und Warmes und noch dazu riecht es unglaublich gut. Natur fühlt sich halt einfach echt gut an. Erwin Thoma holte mich gutgelaunt und fröhlich ab und wir spazierten hinauf in den obersten Stock, wo wir uns bei Kaffee und genialem Ausblick in die Natur über Themen unterhielten, die hoffentlich immer mehr Menschen beschäftigen werden. Beim Verabschieden schenkte er mir noch sein Buch “Strategien der Natur – wie die Weisheit der Bäume unser Leben stärkt”, samt persönlicher Widmung und Signatur. Als ich nachher wieder zurück nach Wien fuhr, wusste ich: Sollte ich je ein eigenes Haus haben, dann definitiv nur eines aus 100% Vollholz. 

Sie sind ja gelernter Förster, Holzhausbauer und auch Hobbylandwirt – also alles Berufe, die mit der Natur zu tun haben. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Natur für ein erfülltes Leben? 

Jeder Mensch stellt sich diese großen Fragen: Wer bin ich? Woher komm’ ich? Wo geh’ ich hin? Und das geht ohne Natur nicht. Letztlich sind wir mit allem verbunden und wenn man es im ganz großen philosophischen Kontext sieht, endet eine absolute Trennung mit der Natur im Unglück. Es ist gar nicht möglich, ein glückliches Leben zu führen, wenn du sagst: “Das geht mich nichts an.” Lebensglück ohne Natur – diese biologische, belebte Welt auf dieser Erde – das geht ja gar nicht. Und unabhängig vom Philosophischen: Gesundheit ohne Natur geht nicht. Wir können uns nicht synthetisch ernähren. Wenn wir die ganze Ernährung auf diese Art umgestalten wollen würden, würden wir das als Menschen nicht überleben. Wenn wir uns die großen Herausforderungen anschauen, vor denen wir gerade stehen – unsere Generation und vor allem die jüngeren Generationen – das geht ohne Natur nicht, da werden wir keine Lösungen finden. Also auf vielen Ebenen wird man zu dem Schluss kommen: Ohne einem Miteinander, einem ganz verbundenen Naturverständnis, geht’s eigentlich nicht. 

Unsere Gesellschaft ist ja zunehmend “verkopft” und dadurch gewissermaßen auch entwurzelt. Welche Rolle kann der Wald spielen, damit wir uns wieder mehr “erden” und die Gesellschaft insgesamt gesundet? 

“Die Gesellschaft gesunden” – das sind schon ganz große Fragen. Ich würde es ganz klein ansetzen. Bei sich selber, bei jedem selber. Wir haben [hier in der Nähe] einen Waldkindergarten gestiftet und gegründet. Wenn ich nur das Beispiel Kindergarten nehme und zwei [Szenarien] miteinander vergleiche: Ein Kind geht jeden Tag in eine Betonburg rein mit ein paar bunt bemalten Wänden und einer Kiste voll Spielzeug. Und das andere Kind geht mit der Gruppe in den Wald, wo die Kinder dann am Bach oder in der Wiese sitzen oder auf einen Baum kraxeln. Da muss ich kein Fachmann, Pädagoge oder Wissenschaftler sein, um sofort zu spüren, um wieviel reicher sich das Kind entwickeln kann, das draußen auf den Baum klettert und das kleine Bacherl aufstaut. Weil alle Sinne angesprochen werden. Weil das Kind als Ganzes eintaucht. Weil es mit der Natur verbunden ist. Und um diese Verbundenheit geht’s immer. Und das andere Kind ist umgeben von Beton – und der kann noch so bunt sein – diese Buntheit hat nichts mit der Buntheit zu tun, die unsere Kreativität wirklich beflügelt. Das ist immer was Erschaffenes, nicht-Authentisches – das ist immer etwas Anderes. Es ist zwar eh g’scheiter, wenn’s bunt ist und nicht ganz grau, aber trotzdem nicht vergleichbar mit dem, was ein Kind draußen lernt. […] Ich bin kein Sozialwissenschaftler, aber da gibt’s ganz tolle Beiträge zu diesem Thema. Zum Beispiel [hat man herausgefunden], dass Kinder sozial belastbarer sind, mehr Stress aushalten und untereinander miteinander anders umgehen, wenn sie draußen sind. Auch das Aggressivitätsverhalten sinkt deutlich spürbar, wenn sie im Holz sind. […] Schon der Austausch eines Betonraum durch einen Holzraum bewirkt in einem Menschen unglaublich viel. Und das betrifft nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche. Wir reagieren auf Haptik, wir reagieren auf Sinneseindrücke, wir reagieren auf Gerüche – das kann man nicht wegmachen. Es ist ein Unterschied, ob du zwischen U-Bahn und Wiener Gürtel marschierst, oder ob du da draußen durch den Wald gehst. Es ist was völlig anderes! 

Na sicher! Es entschleunigt einen ja auch sofort. 

Zu diesem Thema gibt es etliche Untersuchungen, die zeigen, dass das Immunsystem gestärkt wird und die Resistenz gegen alle Zivilisationskrankheiten höher ist. Das heißt, ein Leben ohne Natur gelingt nicht. Jetzt heißt das natürlich nicht, dass ich nur dann leben kann, wenn ich nur mehr durch den Wald hirsch’ – das ist überhaupt nicht gesagt! Aber es muss ein Teil sein. Es muss Erholungsräume geben. Der Mensch ist ein Lebewesen, das sehr gut mit Spannung und Entspannung zurechtkommt. Es muss eine bestimmte Rhythmik geben. Es ist überhaupt nichts Negatives, eine Nacht in die Stadt einzutauchen oder einmal drei Nächte durchzumachen, wenn man gesund ist. Das kann man alles tun. Aber ich muss dann wieder den Ausgleich finden. 

Glauben Sie, dass der Mensch überhaupt dafür geschaffen ist, in einer Stadt oder gar Großstadt zu wohnen? Oder sind dieser Platzmangel, die vielen Menschen und die ständigen Lärmeinflüsse nicht eigentlich immer gesundheitsschädigend?

Sie stellen mir Fragen, die eigentlich nicht meinen Arbeits- und Wissenschaftsbereich betreffen, und da muss ich jetzt ganz demütig sagen: Da kann ich jetzt nur als Mensch mit meiner Privatmeinung antworten. Aber eines ist ganz sicher: Wir Menschen passen nicht in diese Zeit, die wir uns geschaffen haben. Wir Menschen sind in unserer Psyche und auch in unserer ganzen Biologie, in unserem ganzen evolutionärem Stand, auf dem wir uns heute befinden, noch in der Steinzeit. Die technische Entwicklung ist ja so schnell gegangen, dass wir biologisch nicht folgen konnten. Unser Körper konnte sich ja nicht anpassen. Das heißt, unsere Emotionen, unsere inneren Programme, entsprechen ja immer noch viel mehr dem Menschen, der als Jäger und Sammler durch die Savanne streift, als einem, der in der Großstadt mit einer [ungeheuren] Informationsflut und [einer Vielzahl an] Technologien zurande kommen soll. Das muss man mal vorausschicken. Das heißt, wir sind ja noch programmiert wie Steinzeitmenschen. […] Was wir sehr gut können, ist, auf ganz schnell auftauchende Gefahren zu reagieren. Wenn wir als Savannen-Steinzeitmenschen, die wir sind, irgendwo durchs Gebüsch streifen und plötzlich ein Säbelzahntiger auftaucht, dann sind wir in der Lage, von 0 auf 100 mit einem wirklichen chemischen Feuerwerk in unserem Körperinneren alle Kräfte zu mobilisieren, loszustarten, uns auf den nächsten Baum zu retten und in Sicherheit zu bringen. Das können wir gut. Das heißt, mit diesem Stress können wir gut umgehen. Aber damit wir mit dem Stress gut umgehen, brauchen wir zwei Voraussetzungen: Erstens, die unmittelbare körperliche Belastung – damit wir die Stresshormone loswerden. Und zweitens, die Entspannung, wenn wir die Situation überlebt haben. Das heißt, wenn ich auf den Baum raufklettere, lege ich mich in die Astgabel und raste mich mal aus und warte, bis der Tiger weit genug weg ist, damit ich wieder runter kann. So funktionieren wir rein körperlich. Und was machen wir heute? Wir gehen heute in der Früh in der Stadt ins Büro, ärgern uns das erste Mal, wenn wir im Stau stehen, haben einen Stress und können aber nicht auf den Baum raufklettern, um diesen Stress abzubauen. Wenn wir dann im Büro den PC oder Laptop einschalten, kommen die nächsten drei Nachrichten über den Bildschirm, die uns aufregen, und wir müssen sitzen bleiben und die Zähne zusammenbeißen. Und so geht’s den ganzen Tag. Das heißt, wir haben nicht die Möglichkeit, dass wir den Stress, mit dem wir an sich gut umgehen könnten, abbauen. Und das ist eigentlich das Problem. Der Mensch kann mit Spannung, Stress und Herausforderung super umgehen. Wir müssen nicht vor allem flüchten. Aber wir brauchen dann die Entspannung, wir brauchen dann die Ruhezone, wir brauchen dann die Oase. […] Und da ist die Natur so wichtig! Die Natur, der Kontakt mit der Natur – und wenn ich nur unter einem Baum sitze, wenn ich in den Park raus gehe, wenn ich grün sehe, wenn ich das Blätterrascheln höre – all diese Dinge haben die Fähigkeit, in unserem Körper ganz wichtige, elementare stressabbauende Prozesse auszulösen. Das heißt, in der Natur kann ich wieder gut schlafen, da werde ich wieder ruhig, da werden mein Immunsystem und das vegetative Nervensystem wieder hergerichtet. Die Natur ist unverzichtbar, um sich wieder regenerieren zu können.

Ein Fitnessstudio ist im Sinne der körperlichen Bewegung und des Stressabbaus auch gut, aber das alleine ist halt eine Krücke. Mit einer Krücke kann ich auch gehen. Aber noch besser ist es, wenn ich das gesamte Eintauchen in die Natur erleben kann. Also wenn ich in der Stadt wäre, möchte ich zumindest im Holz schlafen. Strahlungsfrei. […] Wenn wir heute Abend zwei Zimmer zur Auswahl haben: Ein Raum – konventionell gebaut – Beton oder Gipskarton, mit Laminatboden und Spanplattenmöbel vom großen Möbelhaus. Und der zweite Raum: Reine Natur. Vollholz. Wenn man ein Jahr lang täglich abwechselnd in dem einen und dem anderen Raum schläft, dann muss in jeder Nacht, in der du nicht im Vollholz schläfst, das Herz eine ganze Stunde mehr arbeiten. Es muss 3500 Schläge mehr schlagen. Und da sagen Mediziner: Statistisch gesehen verkürzt das dein Leben. Und das vegetative Nervensystem ist stärker – du bist ruhiger, du bist gelassener. Nach jeder Nacht im Holz, in der Natur, ist nachweisbar, dass dein Immunsystem gestärkt ist. Gerade in diesen Zeiten ist ein starkes Immunsystem ein wichtiges Thema. Und vor allem: Der Schlaf ist besser. Und Schlaf ist alles für die Gesundheit! […] Also die Natur ist unverzichtbar, um gut zu leben. 

Hat der Wald ein Immunsystem? 

Selbstverständlich! Der Wald ist ein Körper – Mikrokosmos, Makrokosmos – da spiegelt sich alles immer wieder. Der Wald funktioniert genau wie unser Körper – ganz genau gleich. Da gibt’s genau so Viren und Bakterien, die angreifen, beispielsweise eine Borkenkäferinvasion – das ist wie wenn unseren Körper eine Bakterieninvasion anfällt. Und der Wald kann damit umgehen. 

Was zeichnet einen gesunden/kranken Wald aus?

Jetzt kommen wir in die Forstwirtschaft, aber ich versuch’s, ganz einfach zu erklären. Der Wald ist umso gesünder, je mehr er dem örtlichen Klima und Boden entspricht. Die Evolution würde auf jedem Standort mit bestimmten Boden- und Klimavoraussetzungen eine bestimmte Waldmischung als die bestmögliche anbieten – die sich so herauskristallisiert hat auf dem langen Weg von Versuch und Irrtum. Je mehr sich ein Wald diesem Ideal annähern kann, desto gesünder ist er – ganz einfach! Das ist die Kernlehre der Forstwirtschaft. Wenn jemand Förster werden will oder Forstwirtschaft studieren will, lernt er, zu erkennen, was er in den unterschiedlichen Gebieten (Gebirge, Auwald, Flachland, Hügelland) pflanzen oder fördern sollte, um sich dem möglichst anzunähern. Wenn der Wald das Risiko möglichst auf viele Mischbaumarten gut verteilt und den Boden nicht nur flach durchwurzelt, sondern tief und flach, also auf viele Horizonte durchwurzelt, dann ist er relativ gesund. 

Sie haben in einem Interview gesagt, dass jeder Baum irgendwas besonders gut kann. Das finde ich sehr faszinierend. […]

Das hängt jetzt mit diesem Immunsystem des Waldes zusammen. Der Wald hat ja unglaubliche Herausforderungen zu bewältigen – der Wald als Ganzes. Wenn der Wald sagt: “Jetzt möchte ich diese Landschaft besiedeln, dieses Land, dieses Tal”, gibt’s ja alle möglichen Aufgaben, die er erfüllen muss. Da gibt’s Sümpfe, wo die Wurzeln abfaulen. Da gibt’s Stürme, die die Stämme brechen. Da gibt’s Lawinen, die alles wegwalzen. Da gibt’s trockene, ganz flache Böden, die südseitig total austrocknen – da sollte der Baum aber auch nicht sterben. Da gibt’s von den pH-Werten saure, basische Böden – ständig ist was anders! Das kann ein einziger Baum allein ja nicht! Das wäre das Gleiche, wie wenn wir Menschen sagen würden: “Ein Mensch muss die Schuhe machen, muss die Kleidung machen, muss die Kinder unterrichten, muss einen Menschen operieren, wenn er krank ist, muss einen Computer reparieren- muss alles können! Das geht ja nicht! Also: Arbeitsteilung. Da macht der Wald das Gleiche. Und jeder Baum ist irgendwie ein Spezialist. Ich nenne nur ein paar Beispiele: In einem Sumpf faulen fast allen die Wurzeln ab, die können dort nicht wachsen. Die Erle kann das. Die hat Knöllchenbakterien und hat einen Weg gefunden, um dort zu überleben. Und nicht nur das! Sie pumpt auch das Wasser weg. Wenn sie lang genug wächst, wird es trocken, und hinter ihr können dann die anderen nachbesiedeln. Das heißt, die ist ein Pionier, die geht voraus, damit die anderen nachsiedeln. Das ist ihre Aufgabe. Zum Beispiel. Oder die berühmten Tiefwurzler, die gegen den Sturm besonders fest sind. Lärchen sind besonders sturmfest. Das heißt, wenn ich einen Fichtenwald habe, der mit Lärchen durchmischt ist, ist der ganze Wald doppelt so stabil, als wenn nur Fichten alleine sind. Da gibt’s hunderte Beispiele. Die teilen sich das alles auf. 

Als Unternehmer beschäftige ich mich ja mit Betriebswirtschaft. Das ist eine ganz konträre Welt. Da geht’s immer um Zahlen. Das ist dieser Versuch, das Geschehen in Zahlen und Statistiken zu befassen und zu begreifen, und “Benchmark”- ganz ein anderer Ansatz. Und da habe ich mir mal den Spaß gemacht und mir überlegt: Eigentlich wäre es spannend und witzig, einen Vergleich anzustellen. Die Bäume sind ja so tolle Figuren! Jeder Baum ist für mich so ein Wesen, eine Figur, ein Lebewesen, das ein eigenes, millionenlanges Konzept probiert hat und das geworden ist, was heute vor mir steht. Und da habe ich gesagt: Mich würde faszinieren und interessieren, welches dieser Rezepte, das sich die entwickelt haben, besonders erfolgreich in unserer menschlichen Wertebetrachtung ist. Ist eh nicht zulässig, aber ich mach’ das per Spaß. Und da habe ich natürlich sofort an die Eiche gedacht. Weil die Eiche – das ist schon so ein Symbol für Macht. 

Die wird sehr alt und sehr dick, gell? 

Wahnsinn! Und die Eiche hat zum Beispiel einen Wurzelraum, da kommt kein anderer rein. Die Eiche ist kein Tief- oder ein Flachwurzler, sondern ein Allesdurchwurzler – tief und flach! Und dieses Wurzelreich, das verteidigt sie! Genauso wie die Krone. Und mit dem Stamm – die gibt nicht nach, wenn der Sturm kommt. Die steht. Die sagt: “Mein Holz ist so hart, ich halte das aus.” Also immer mit Kraft, immer mit Stärke. So ein Stärkesymbol. Ist das eigentlich die Erfolgreichste? Oder wer? Ich habe mich gefragt, welches Konzept zur größten Verbreitung führt, und zwar, wenn es keinen Förster oder Menschen gibt, der Einfluss ausübt. Und dann habe ich mir die Statistik angeschaut. Welche Bäume haben es von sich aus geschafft, die größte Fläche zu besiedeln auf dieser Nordhalbkugel, vom Pazifik an der japanischen Küste bis zum Atlantik? Und das ist spannend! Das sind nicht die Starken. Das sind auch nicht die Hochspezialisierten – weil die Hochspezialisierten sind auch immer in irgendwelchen speziellen Böden oder an bestimmte Bedingungen gebunden und damit an kleinere Räume. Es war für mich auf den ersten Blick verwirrend, ich habe es auf den ersten Blick nicht verstanden. Warum? Das ist ein Baum, der gar nichts Besonderes kann: die Fichte. Da habe ich mir gedacht: “Wie gibt’s das?” Und nicht nur in den Fichten-Monokulturen, die’s ja auch gibt, die Menschen gesetzt haben. Sondern wirklich – die Fichte ist ein unglaublicher Verbreitungskünstler. Wieso die? Die Fichte hat schmale Kronen, die ist im Kampf um den Luftraum, um den Kronenraum, überhaupt nicht erfolgreich. Auch wenn es um das Wachstum in der Jugend geht – da gibt’s ja diese Jugendläufer, diese Superschnellen – da ist sie auch nicht dabei! Sie ist nicht ganz langsam – wie die Tanne oder die Schattenbaumarten oder die Eibe. Sie ist aber auch nicht so schnell wie die Lärche oder die Eiche – die wachsen alle schneller als Junger. Es geht ja um den Wettlauf zum Licht. Aber da ist sie auch nicht dabei. Dann ist sie ein Flachwurzler – also im Wurzelraum sowieso ein Weichei. Da hat sie keine Chance gegen die anderen. Die anderen sind die, die die großen Horizonte erreichen und aufschließen. Also warum die? Und dann bin ich draufgekommen: Weil die Fichte der Baum ist, der als Nachbar für jeden anderen ideal ist, ja wünschenswert. Die Fichte kooperiert mit jedem. Die bekämpft keinen. Durch ihre Zurückhaltung ist sie ein angenehmer Nachbar. Kooperation. Und das ist eine ganz wichtige Metapher – Kooperation und mit ihr die Haltung: “Ich beschließe in meinem Leben, das Leben der anderen zu fördern.” Das ist ein gnadenloses Erfolgsrezept! Und wir Menschen lernen leider etwas ganz anderes. Schon in der Volksschule wird einem beigebracht: Der Franzi ist dann besser, wenn er einen Einser hat, aber die anderen keinen. Wenn alle einen Einser haben, ist der Einser weit nicht so viel wert, als wenn du den einzigen Einser hast. Wie verrückt ist das?! Das lernen wir. Besser, schneller, kämpfen, Wettbewerb! […] Wettbewerb ist nicht schlecht. Aber Wettbewerb braucht immer Grenzen! Genau so wie Bäume nicht in den Himmel wachsen. Und wenn im Wald ein Baum auf die Idee käme – sein Ziel ist es, besser zu sein als die anderen – der würde verschwinden! In diesem evolutionären, wirklich vielschichtigsten Netzwerkgefüge eines Waldes, wo ja Milliarden Teilnehmer sind – von den kleinsten Mikroben und Mikroorganismen bis zum größten Baum – wo alle eine Bedeutung haben – da stellt sich heraus, dass Kooperation viel stärker ist als Wettbewerb. Es ist gigantisch! Und da sehen wir, dass wir eigentlich als Mensch viel demütiger sein müssen und begreifen müssen, dass wir ohne Natur und auch ohne die Weisheit der Natur überhaupt nicht vorwärts kommen. Wenn wir das nicht begreifen, wird die Zerstörung fortschreiten, bis dieser Homo Sapiens verschwunden ist. 

Das ist eh auch eine Frage, die ich Sie fragen wollte. Im Amazonas Regenwald werden ja pro Minute etwa drei Fußballfelder kahlgeschlagen (pro Tag sind’s 4340 Fußballfelder). Wie sehr trifft Sie als jemand, der sich so gut mit dem Wald auskennt, die Tatsache, dass die Zerstörung so voranschreitet? 

Jetzt werde ich Ihnen eine Antwort geben, die Sie vielleicht verwundert. Es trifft mich sehr, aber nicht, weil ich mir um den Wald Sorgen mach’. Ich mache mir um die Menschen Sorgen. Um meine Enkelkinder mache ich mir Sorgen. Weil der Wald – um den brauchst dir keine Sorgen machen! Das haben wir gesehen in Fukushima und in Tschernobyl – der Wald kommt zurück! Den wird der Mensch auf dieser Welt nicht ausrotten. Aber der Mensch – um den musst du dir Sorgen machen! Um uns müssen wir uns Gedanken machen. Weil wenn wir den Wald so weit schädigen – wir verschwinden sicher vorher. Der Wald kommt mit den ganzen Extremen, die auf uns zurollen, sicher besser zurecht. Auch wenn manche Baumarten verschwinden oder ausgetauscht werden. Wir dürfen ja nicht vergessen – der Wald hat den europäischen Kontinent mehrmals schon fast vollständig geräumt in den Eiszeiten und ist dann wieder zurückgekommen. Der Wald ist unglaublich flexibel. Die Regenwaldverwüstung in Südamerika ist in meinen Augen ein Verbrechen! ABER! Aus rein wissenschaftlichem Blick ist es völlig klar, dass es zuerst den Menschen trifft und dann erst den Wald. Das heißt, bevor wir den Wald ausgerottet haben, sind wir selber weg. Wir müssen uns um unsere Enkelkinder, um die Generationen nach uns Sorgen machen und Verantwortungen wahren. Das ist das Ziel. Und das, was dort unten passiert, sind Verbrechen!

Wen würden Sie da zur Verantwortung ziehen? Ich finde, es ist ein bisschen zu simpel gedacht, wenn man sagt: “Das ist der Bolsonaro!” weil da hängen so viele Leute mit drin. 

Na geh, das ist doch der größte Blödsinn! Das ist ja das Billigste: Die Verantwortung möglichst weit wegschieben! Das ist das Bequemste, zu sagen: “Da gibt’s irgendeinen bösen Diktator und der ist schuld!” Und selber verfüttern wir den Schweinen in der Steiermark das Soja aus Brasilien, weil es ein bisschen billiger ist, damit der Konsument im Supermarkt das Schnitzel noch billiger einkaufen kann. Das ist die Kette! 

Was wären konkrete Schritte Ihrer Meinung nach, um diesen Wahnsinn zu stoppen? 

Ich würde diese Debatte um die große Verantwortung überhaupt hinten anstellen. Ich habe in meinem Leben immer gesagt – völlig wurscht, wo mich etwas bedrückt – egal, ob eine schwere Krankheit oder sonst was – die erste Frage, die ich mir stelle ist: “Was kann ich tun?” Weil was hilft es mir, wenn ich sagen kann: Der Bolsonaro, der Putin, der Trump oder sonst wer [ist schuld] – was hilft mir das?! Es hilft mir nichts! Ich habe immer gesagt: Was kann ich tun? Und als ich 27 Jahre alt war, sind meine Kinder an Spanplatten krank geworden und ich habe mich gefragt, was ich tun kann. Damals habe ich gesagt: Dieses Cortisonpräparat wollen wir unseren Kindern nicht geben. Darüber war ich mir mit meiner Frau einig. Und aus dem heraus habe ich gesagt: “Dann baue ich ein gesundes Haus!” Und daraus ist ein Unternehmen entstanden. Ich habe nie vorgehabt, ein Unternehmen zu entwickeln, das weltweit Häuser baut. Das war nie meine Absicht. Aber das ist daraus entstanden, weil ich gesagt habe: “Was kann ich tun?” Und wenn ich heute sage: Der Regenwald stirbt. Dann ist das erste, was ich mich fragen muss – und wenn ich in einer Großstadt bin: “Was kann ich tun?” Beispielsweise kann ich auf Mehrwegprodukte setzen oder darauf achten, nur Lebensmittel zu kaufen, die so nahe wie möglich entstanden sind. Und es kommt mir nicht in Frage, dass ich ein Tier esse, das gequält wurde. Es ist ja inzwischen evident, dass diese Form der industriellen Agrarindustrie, die wir heute betreiben, bei weitem nicht die höchsten Erträge liefert, sondern, dass das eine Wirtschaft ist, die am meisten zerstört. Es ist ja evident, dass der Tiernahrungsmitteltransport quer über die Kontinente Haupttreiber ist für die Regenwaldzerstörung. Ja wer braucht denn das? Niemand!

Und dann schmeißen wir ja noch dazu so viel weg davon!

Und dann hauen wir die Hälfte weg! An Irrsinn nicht zu überbieten! Und da sind wir wieder. Wir müssen ganz einfach schauen: Der Baum im Wald ist ein Lebewesen, das mit dem, was er vor Ort findet, ein Naturwunder vollbringt an erfülltem Leben. Er reinigt die Luft, er baut den Humus auf, er hat das ganze Leben ein klares Ziel, nämlich, seine Kinder wachsen zu sehen und für die alles zu tun, und daraus sein eigenes Glück, seine eigene Erfüllung zu ziehen – rein philosophisch betrachtet. Und das müssen wir halt kapieren! Ich mein’, wir sind ja so eine entgleiste Gesellschaft. Wenn ich mir überlege – in unserer Gesellschaft hat nur Wert, was mit Geld gemessen werden kann. Wie deppad ist denn das? 

Das ist extrem deppad! Wenn du irgendetwas arbeitest und du kriegst dafür wenig oder kein Geld, ist es nichts wert. 

Entschuldigung wenn ich zurückdenke – unsere Mama hat einen riesengroßen Garten gehabt und uns aus dem Garten ernährt – das ist aus heutiger Sicht wertlos. Die Frau hat “Wertloses” getan. Wie krank ist denn das? 

Sehr krank! Die Güteklasse des Jobs bemisst sich darin, wieviel du verdienst. 

Wenn ich in der Stadt bin und auf meinem Balkon mein eigenes Gemüse anbaue – Urban Gardening – dann ist das eine Heldentat! Und auch wenn ich mich nicht zwölf Monate davon ernähren kann – vielleicht sind’s am Anfang nur zwei Wochen, irgendwann sind’s vielleicht 6 Wochen, und irgendwann sind’s 8. Dann habe ich 8 Wochen herrliche Lebensmittel aus meinem Balkongarten. Stell dir vor, was das für eine Leistung ist! Ich habe dadurch Wissen gewonnen. Und irgendwann ergibt es sich, dass ich vielleicht einen Schrebergarten [bewirtschafte]. Das ist eine Frage der Achtsamkeit und eine Frage der Wertschätzung. Wohin lege ich meine Wertschätzung? Dort ist der Wert. Wenn ich sage: “Meine Wertschätzung ist mein Bankkonto” und es dann jemanden gibt, der nach Belieben das Geld abwertet, dann habe ich wieder nix. Wenn du so durch’s Leben gehst, dann ist dir nicht zu helfen. 

[…]

Sie haben vorhin schon erwähnt, dass Ihre Söhne ein Allergie gegen Spanplatten gehabt haben. In unseren großen Möbelhäusern sind ja fast alle Möbel aus Spanplatten – weil’s billig ist. Was ist an Spanplatten so gesundheitsschädigend oder allergieauslösend?

Es gibt in der Holzverarbeitung zwei Möglichkeiten. Ich brauche in der Holzverarbeitung immer Verbindungstechnik, weil ich kann ja die großen Teile nicht aus einem Stamm rausschneiden. Und da ist es egal, ob das die Rückwand von einem Kastl ist oder ein Wandstück oder das Dach von einem Haus. Ich muss immer aus vielen Teilen ein Ganzes machen. Da stellt sich immer die Frage: Wie verbinde ich das? Und da hat’s nach dem 2. Weltkrieg eine Lawine der Chemieindustrie gegeben, die über die Holzwirtschaft drüber gefahren ist. Die haben gesagt: Wir verleimen alles! Und diese Klebstoffe sind alle hochgiftig. Ohne Ausnahme! Alle! Heute gibt’s zwei große “Klebstoff-Familien”. Du hast die formaldehydhaltigen Klebstoffe. Die gehen alle auf die Lunge und die Atemwege. Und die anderen sind die PU, Polyurethane, die aus der krebserregenden Familie der Isocyanate kommen. Und alle Verklebungen haben den großen Nachteil, dass du das Material nie mehr recyceln kannst. Du kannst es nicht wiederverwenden. Du kannst es auch nicht im Ofen verheizen, weil da kommt das Dioxin hochtoxisch beim Kamin raus. Du kriegst es aus dem Kreislauf nicht weg. Das heißt, du müsstest es in Spezialverbrennungsanlagen mit Elektrofilter [entsorgen], und dann hast du einen Filterkuchen, der wieder extremes Gift ist. Also eine Kette – du bringst es nicht mehr raus. Die Alternative dazu ist Mechanik, also Teile mechanisch zu verbinden. Daran haben wir 30 Jahre im Forschungszentrum gearbeitet. Wir haben das entwickelt vom Einfamilienhaus bis zum Hochhausbau bis zum energieautarken Haus. Und das ist die Alternative! Wir müssen mit Holz wieder so bauen, dass es erstens vollkommen chemiefrei ist und damit gesund bleibt und dass es zweitens hundertprozentig wiederverwendbar ist. Aus dem Haus muss ein Haus werden, aus der Stadt wieder eine Stadt werden. Weil wenn ich alles so mache, dass es immer weggeworfen wird, dann wird’s für den Wald gefährlich. Wenn ich ein Haus baue und alle 30 oder 50 Jahre alle Häuser wegschmeiße – wie wir das heute so machen – und immer wieder in den Wald gehe und neues Holz schlage – dann würde ich die Quelle überfordern und dort Raubbau betreiben. Wenn ich aber hergehe und sage: “Ich baue ein Haus so, dass es erstens nicht 50 Jahre hält, sondern 500 Jahre. Und zweitens, dass ich dann, weil es mechanisch verbunden ist, diese Dübel einfach rausbohre und den Balken und die Wand wiederverwenden kann, dann habe ich nie das Problem, dass die Wälder jetzt leergeschlagen werden. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, wenn wir heute von einer Transformation reden hin zu nachwachsenden Rohstoffen. […] Es muss ein nachhaltiger Betrieb sein. Cradle to Cradle. Und das geht sich dann aus, wenn ich die Produkte so designe, dass es nicht eine Wegwerfwirtschaft, sondern eine Kreislaufwirtschaft ist. 

Das fehlt halt einfach in unserer Wirtschaftsführung noch vollkommen. 

Das sind die großen Aufgaben für die nächste Generation. Das sind genau die Aufgaben, vor denen wir stehen: Transformation zur Kreislaufwirtschaft. Transformation zur CO2-emissionsfreien Gesellschaft. Und es hilft aber nicht, zu sagen: Damit das gelingt, tauschen wir Beton gegen Holz aus! Nein! Ich muss meine ganze Haltung, meine gesamte Arbeitsweise austauschen. Ich kann nicht sagen: “Damit ich mehr Geschäft mache, konstruiere ich die Dinge so, dass sie schneller kaputt sind.” Wenn man Betriebswirtschaft studiert, lernt man “geplante Obsoleszenz”. Das heißt, wenn Sie jetzt ein Handy kaufen, wissen Sie, das Handy ist so gemacht, dass Sie es spätestens in 5 Jahren wegschmeißen müssen. Man könnte es aber auch ohne Weiteres so konstruieren, dass es aus Einzelkomponenten besteht, die ich zerlegen und austauschen kann, sodass das Handy 20 Jahre hält. Jetzt stell’ dir einmal vor, ich verlängere die Lebensdauer eines Handys auf das Vierfache. Was das Müllvermeidung wäre! Unvorstellbar! Oder ein Auto. Ein Auto wird so gemacht, dass es nach 10 Jahren, längstens 15 fertig ist! Ich könnte aber ein Auto auch so bauen, dass es 50 Jahre hält. Aber das ist nicht gewollt. Das ist keine Frage der wirtschaftlichen oder technischen Zwänge – das ist eine Frage der Zielsetzung. Und so haben wir gesagt: Wir bauen Häuser, die erstens vollkommen chemiefrei sind und damit dem Menschen höchste Gesundheit schenken. Die eine Naturtankstelle sind. Das ist das Allerwichtigste. Und die zweitens aus nachwachsendem Rohstoff bestehen und zu 100% abfallfrei sind. Weil mein Haus soll ja nicht, wenn ich’s wegräumen muss, eine schwere Hypothek sein für die Sondermüllentsorgung, wo man viel Geld zahlt, sondern mein Haus soll ja ein Sparbuch sein, für dessen Material ich einen Haufen Geld kriege. Witzigerweise haben wir immer wieder Kunden, die in der Abfallwirtschaft arbeiten. Die wissen: Die Entsorgung von 1 Tonne mit Mineralwolle oder Styropor durchsetztem Bauschutt (1 Tonne ist ja gar nicht viel! Wenn du was abbrichst, ist eine Tonne gar nichts!)  kostet über 1000€ – also mehr, als wenn du es neu kaufst. Die wissen das und sagen: “Sowas baue ich mir nicht!” Wenn ich aber ein unverleimtes, wiederverwendbares Vollholzhaus baue, dann weiß ich: Der Kubikmeter kostet ein paar hundert Euro und den kann ich in 50 Jahre wieder verkaufen. Da habe ich ein Sparbuch. Da habe ich eine Hypothek. 

Aber wenn man das schon alles weiß – wieso wird dann immer noch so viel auf diesem “herkömmlichen Weg” gebaut? 

Die größte Dummheit, die verbreitet wird, ist, wenn Menschen sagen: “Wir brauchen neue Technologien, um den Klimawandel zu bekämpfen.” Wir haben technologisch alle Lösungen! Alle! Aber es gibt bestehende Geschäftsmodelle, die Milliarden einspielen – und die sich’s leisten können, dass sie ein paar hundert Millionen in ein Marketingbudget investieren, damit die Medien [zu ihren Gunsten] berichten. Die gekauften Anzeigen sind für diese Zeitungen lebensnotwendig. Und im Gegenzug dazu schreiben sie halt, “dass das alles nicht so schlecht ist.” Und so geht das. Das ist eine Frage von Lobbying. Wir agieren ja nicht nach dem Vernunftstand der Wissenstand oder der Ökologie. Wir agieren nach dem Kräftespiel von Lobbyisten. Das ist jetzt sehr negativ formuliert. Positiv formuliert ist, dass wir ja sehen, dass sich gerade viel ändert. 

Dass immer mehr Leute checken, dass es viel wertiger ist, in so einem Haus zu wohnen. 

Das Wichtigste ist, dass das die junge Generation checkt. Das wäre das Wichtigste. Weil um deren Zukunft geht’s. 

Jetzt muss ich nochmal kurz zurück zu Ihrer Firmengründung. Sie waren ja 27 und haben sich damals mit Ihrem Großvater selbständig gemacht, der bereits über 80 war. Wie war das, mit dem eigenen Opa eine gemeinsame Firma zu gründen? 

Naja völlig verrückt! Wir haben alles gemacht, was man nicht tun darf bei einer Firmengründung. Wir haben keinen Businessplan gehabt. Ich habe keine Ahnung gehabt. Er hat das Fachwissen gebracht und ich habe das Material von der Pieke auf gekannt – das schon. Aber das Detailwissen, wie die Bauwirtschaft dann läuft, das hatten wir nicht. Nur eines hatten wir, und das ist unüberwindbar stark: Wir sind aus ganzer Überzeugung unserem innersten Herzen gefolgt. Uns ist es nicht ums Geldverdienen gegangen. Uns ist’s nicht um Verdrängung oder Wettbewerb gegangen – das war alles egal! Für uns war es wichtig und notwendig, etwas für die Enkelkinder zu tun, die wir beide lieben. Wir haben gesagt: “Wenn’s wir nicht tun, tut’s keiner. Also tun wir’s!” Und das hat uns getragen. Wenngleich ich nicht verschweigen möchte – was ich die ersten zehn Gründungsjahre meiner Familie, und vor allem meiner Frau, zugemutet habe – das ist schon fast unmenschlich. 

Wenig Zeit?

Keine Zeit, kein Geld, kein Urlaub, immer an der Existenzkante – also es war schon ein harter Weg. Und das musst du in einer Beziehung mal [mitmachen]. Stell dir vor, du hast so einen Verrückten geheiratet! Da wünsch’ ich dir alles Gute! Muss man schon sagen. 

Aber glauben Sie, dass das vielleicht auch grundsätzlich eine Art Zukunftsmodell wäre, dass sich für Unternehmensgründungen sehr junge und sehr alte Menschen zusammenschließen? 

Ja sicher! Ich glaube ein Grundübel unserer Zeit ist dieses Teilen und Trennen. Der Mensch wird von der Natur getrennt. Alt wird von Jung getrennt. Die wissenschaftliche Lehre wird vom überlieferten Wissen getrennt. Da heißt’s: “Das ist esoterisch”, wenn ein Alter was erzählt. Also wir trennen ständig. Und wir spielen ständig [das eine gegen das andere] aus. Das hat eine verheerende, zerstörende Wirkung. Das ist für mich so wichtig: Das muss man zusammenbringen. Genauso: Holz wird gegen Beton ausgespielt – das ist alles ein Blödsinn! Wir sind in einer Situation gelandet, die wir sowieso nur mit vereinten Kräften bewältigen können. Es geht nicht mehr, dass ich einen Sektor gegen den anderen ausspiele. Wir müssen alle alles Mögliche tun, damit wir das noch schaffen, dass unsere Kinder noch gut leben können. Die Menschheit steht vor einer Herausforderung, vor der sie noch nie gestanden ist. Das ist kein Spaß! Die Leute kapieren’s nur noch nicht. Und wenn’s halt einmal besonders heiß wird – dann ist’s 14 Tage in den Medien und dann verschwindet’s wieder. Aber wir werden uns wundern. Die Extremmeldungen werden weitergehen. Jetzt kommt dann der extremste Sturm, dann hast plötzlich mitten in Europa einen Orkan – einen Orkan mit 300 km/h -wie gerade im Weinviertel geschehen und im angrenzenden Tschechien- und dann hast die heißeste Hitzewelle in Vancouver – 50 Grad! – was sich kein Mensch vorstellen hätte können, und so weiter und so fort. Das ist erst der Beginn! Das wird weitergehen! Also diese Situation ist kein Spaß! Und deshalb geht’s nicht mehr darum, dass ich sage: Jetzt spiele ich die Betonleute gegen die Holzleute aus, und der dritte Lachende ist die Finanzindustrie. Das ist vorbei! Wir müssen uns dringend so verhalten wie der Wald: Dass jeder in seinem Teil das Bestmögliche beiträgt, damit wir das noch zukunftsfähig rüberbringen. Also ich sehe da schon eine bestimmte Dramatik. Zumindest eine bestimmte Dramatik für den Homo Sapiens, für die Menschheit. Der Globus als Ganzes wird eine Krankheit genau so los, wie wir manche Bakterien und Infektionen los geworden sind. 

Ja eh. Ich glaube, es ist halt immer die Frage: Wie viel sieht man vom Ganzen? 

Ja genau. Wie viel sieht man vom Ganzen…

 

Foto: © Dirk Wächter