So. Ich red’ heut einmal ein bissl über Online-Hate. Viele von euch werden sich jetzt denken: „Okay ja, das ist ja völlig uninteressant. Ich mein, es betrifft mich schließlich nicht.“ Jaja, das dachte ich auch immer. Bis es mich selber betroffen hat. Und ich gemerkt hab’, dass das ein grassierendes soziales Phänomen ist, das in Wahrheit die gesamte Gesellschaft betrifft. Es ist nämlich ein Trugschluss, zu glauben, dass etwas nicht da oder relevant ist, nur weil ich’s nicht selber sehen kann oder will. Aber fangen wir mal langsam an.
Ich bin ja wirklich in der überaus privilegierten Lage, dass ich in meinem „realen Leben“ noch nie „gehatet“ wurde. Ich mein, ja, es gab mal in der Hauptschulzeit eine kurze Phase, wo ein paar Mädels meinten, sie müssten darüber lästern, was ich anziehe („zu auffällig“, „zu aufreizend“), und als ich im Gymnasium anfing, die Pille zu nehmen, wuchsen meine Brüste ins schier Unermessliche, worüber sich dann die Typen aus meiner Klasse via „Brieferl“ mockierten, was ich dann eher zufällig herausfand. War beides ziemlich unangenehm, aber hat sich zum Glück relativ schnell auch wieder gelegt. Also ich war nie ein „Mobbing-Opfer“ oder sowas. Und vielleicht hat mich der/die ein oder andere auch insgeheim „gehatet“, aber falls das so war, dann offenbar immer hinterrücks und klammheimlich. So ins Gesicht hat mir das tatsächlich nie wer gesagt. Im Gegenteil. Ich war immer recht beliebt, wurde auf sämtliche Parties eingeladen, hatte viele Freunde, und war der klassische People Pleaser. Also ich wollte es de facto die längste Zeit meines Lebens immer allen Recht machen. Und mit allen mein ich wirklich: Allen. Ziemlich ein anstrengendes Unterfangen. Irgendwann bin ich mir drauf gekommen, dass ich dabei selber auf der Strecke bleibe. Weil du den Blick immer nach außen richtest und nicht bei dir, ergo authentisch, bist. Nicht dein Ding machst. Also hab ich das People-Pleaser-tum an den Nagel gehängt. („People pleasing is nur Gift.“) Ein paar Relikte davon sind aber sicherlich noch in mir vorhanden. Es fühlt sich ganz simpel besser an, von Leuten geliebt, als abgelehnt zu werden. Wir Menschen sind Herdentiere, und das Gefühl des „Dazugehören-Wollens“ ist in uns einfach verankert. In der Gruppe bist du nun mal wesentlich stärker als alleine. Und du bist auch besser gegen „Feinde“ gewappnet. Das erklärt, warum sich Leute Vereinen oder Parteien anschließen, Interessensgruppen bilden, Trends hinterherlaufen, sich in der Regel eher mit Gleichgesinnten als mit Andersdenkenden verbünden und sich, ganz generell, an ein System anpassen. Jede Form des Anders-seins und ehrlichen Zu-sich-und-seinen-Werten-Stehens erfordert Mut. Und der ist in unserer Gesellschaft – da komm’ ich mir leider immer mehr und mehr drauf – absolute Mangelware. Bissl traurig, aber ja. Isso.
Ja nicht aus der Gruppe ausscheren, es könnte ja ein Fehler sein.
Dieser Anpassungsdruck, der zum Teil ja evolutionsbiologisch in uns angelegt ist, aber auch zu einem wirklich großen Teil von der Gesellschaft propagiert und perpetuiert wird (du bleibst einfach kontrollierbarer), fordert mit Sicherheit einen gehörigen Tribut. Wenn dir wer (die Gesellschaft) ständig explizit oder auch implizit sagt oder zu verstehen gibt, wie du zu sein hast und was du zu tun und lassen hast, dann schafft das zwar ein Gefühl von Sicherheit, weil jeder weiß, in welchem abgesteckten Spielfeld er operieren kann, aber es schränkt die Freiheit erheblich ein. Und jede Form der extern auferlegten Freiheitsbeschränkung führt über kurz oder lang zu Aggression. Oder Depression. (Hängt bissl von der Persönlichkeit ab.)
Jetzt wissen wir natürlich alle, wie wir uns im realen Leben zu verhalten haben. Dass du nicht irgendwen deppad angehst auf der Straße, nur weil dir sein Kleidungsstil nicht gefällt, oder dass du wem anderen mit Morddrohungen kommst, weil er eine andere Meinung vertritt als du. Das geht einfach nicht, das weiß irgendwie jeder, der in dieser Gesellschaft halbwegs integriert ist und einen IQ von größer als einem Stein hat. Jetzt hat sich mit dem Internet aber die wunderbare Möglichkeit einer Parallelwelt aufgetan, in der man sich dafür umso mehr austoben kann. Völlig folgenfrei. Das ist genial. Du legst dir einfach ein Profil an – egal wo, auf Instagram, TikTok, YouTube, Facebook oder auf irgendwelchen anderen Portalen, verwendest ein Pseudonym (ganz wichtig!), stellst dein Profil auf privat und verwendest als Profilbild einen Avatar oder sonst irgendein randomes Büdl. Und dann geht’s auch schon los. Alter-Ego, here we go. Dann kann man endlich diesen ganzen Frust, den man auf sich und sein beschissenes Leben hat, wem anderen drüberhauen. Es ist einfach genial. Einfach Scheiße droppen, was das Zeug hält – und das Beste ist ja, dadurch kann man auch noch Verbündete finden. Also früher hat man sich halt in Liebe verbunden, heute verbinden sich die Leute zunehmend in Hass. Oder sie verbinden sich gar nicht mehr, und laufen nur mehr vor sich selber davon – auch das ist eine Möglichkeit.
Kommen wir jetzt mal zu TikTok. TikTok ist die App der Stunde, die gerade einen sensationellen Hype erlebt. Als ich mir das erste Mal TikTok angeschaut hatte, irgendwann Ende 2019, fühlte ich mich ob der Sintflut an Videoeindrücken binnen kürzester Zeit richtiggehend überfordert. Aber dann kam Corona und ich hab’ mir gedacht, ich schau’ mir das jetzt nochmal genauer an. Schließlich konnte ich der App nach näherer Auseinandersetzung doch einen richtig guten Unterhaltungswert abgewinnen. Ich hab’ dann begonnen, wieder zu tanzen, und hab’ so ca. bei jeder Tanz-Challenge, die gerade am Start war, mitgemacht. Es war so ein bissl Suizidprävention im Corona-Lockdown, kannst sagen. Meine Videos hatten im Schnitt immer so 200 – 2000 Views. Das mag zwar für YouTube und Instagram-Verhältnisse ganz passabel klingen, aber bei TikTok entspricht das wirklich der Pipifax-Kategorie. Also das ist gar nix. Ich hab’s aber eben auch nur just for fun gemacht, nicht um irgendwem etwas zu beweisen, oder die Dancing Queen der App zu werden. Hin und wieder hab’ ich auch Lip-Sync-Videos oder Duette mit anderen Tik Tokern gemacht. Soweit so unauffällig.
Meinen ersten Shitstorm bekam ich dann auf ein Video, in dem ich ein Duett mit Custis Blue, einem 22-jährigen TikTok-Star zu 50 Cents „Candy Shop“ machte. Ein kurzes Snippet, ich glaube 6 Sekunden, und ich fand’s eigentlich recht witzig. Hab mir nicht viel dabei gedacht, hab das in 5 Minuten aufgenommen und gepostet. Am nächsten Tag hatte ich schon über 10k Views und einen Haufen negativer Kommentare. Von Busen-Shaming („Da kann ja ein Flugzeug drauf landen!“) über Age-Shaming bis zu generellem Verriss war einfach alles dabei. Da dachte ich mir schon so whoawhoawhoa was ist da los?! Hab auf ein paar Kommentare geantwortet, worauf dann prompt ein noch deppaderer Kommentar folgte, und irgendwann bin ich dazu übergegangen, Kommentare kurzerhand zu löschen und User zu blockieren. Zuerst habe ich mich noch gefragt, ob das jetzt „uncool“ wäre oder ein schlechter Move, aber dann hab’ ich mir überlegt, dass das absolut die falsche Fragestellung ist. Weil wenn dir jemand ins Haus scheißt, dann lässt den Haufen ja auch nicht liegen, bis du am Gestank erstickt bist oder veranstaltest einen Kreistanz drumherum, sondern räumst ihn weg und sperrst in Zukunft die Haustür zu. Also das erschien mir unter genauerer Betrachtung eine sehr logische und gesunde Vorgehensweise. Gleichzeitig aber hab’ ich gespannt (oder besser: gebannt!) beobachtet, wie sich sowas entwickelt und welche (Gruppen-!) Dynamik dem Ganzen zugrunde liegt. Und zwar läuft das so ab, dass irgendjemand einfach mal auf gut Glück einen Hate-Kommentar unter dem Video postet, dann setzt sich der Nächste drauf, indem er diesen Kommentar liked, und der Übernächste weiß dann schon, passt, das ist das Schiff, auf dem jetzt alle fahren, da kann ich auch gleich noch einen leiwanden Kommentar droppen. Willkommen am Hate-Dampfer! Womit wir wieder beim Gruppengefühl angelangt sind. Es haben zwar auch etliche (ca. 750 Leute) mein Video geliked, aber die trauen sich dann auch gar nicht mehr wirklich, positive Kommentare zwischen den ganzen Shit dazwischen zu pflanzen. (Wie gesagt – Mut – absolute Mangelware.) Und einige haben nach dem Lesen der Kommentare auch wieder ihren Like zurückgenommen, also „entliked“. Genau. Das war mal die Geschichte.
Und der zweite Shitstorm ereilte mich jetzt mit meiner neuen Single „Ich mach mein Ding.“ Und zwar habe ich da gleich nach dem Release am Freitag in der Nacht einen kurzen Clip (ca. 8 Sekunden) vom letzten Chorus gepostet. Long story short: Mittlerweile hat der Clip knapp 30k Views – was reichweitentechnisch angesichts meiner mickrigen Reichweite ein Wahnsinn ist – aber eben auch wieder richtig viele Hate-Kommentare, von denen ich sehr viele gelöscht und geblockt habe. (Ain’t noone rain on my parade!) Da kamen dann so Meldungen wie „Bitte mach das zu deinem letzten Song!“ oder „Du kannst gern dein Ding machen, aber nicht in der Öffentlichkeit!“ und halt wirklich viel sau unnediger Scheiß. Also wirklich halt Kommentare, wo du merkst, da geht’s jetzt auch absolut nicht um eine konstruktive Kritik, sondern einfach nur darum, den andern runterzumachen und zu shamen, in der Hoffnung, dass man dann selber ein bissl eine Aufmerksamkeit kriegt und sich dadurch besser fühlt. So nach dem Motto: Ich bring zwar selber keinen Output zustande, der irgendwen interessiert, aber wenn ich in meinem Hate geliked werde, dann bin ich auch irgendwo ein Hero. Das ist glaub’ ich wirklich bei sehr vielen die zugrunde liegende Psychologie. Etliche haben ihren Hate dann auch auf YouTube weitergetragen. Joa. Also man kann ihnen nicht vorwerfen, dass sie nicht wirklich engagen, LMAO.
Ich habe am Wochenende mit ziemlich vielen Leuten darüber geredet – mich mit Künstlerkollegen ausgetauscht, und der Standard-Response war eigentlich: „Das ist normal, damit musst du lernen, umzugehen.“ Duh. Ich mein, mir ist natürlich bewusst, dass wenn man sich exponiert, man sich gleichzeitig auch angreifbar macht. Und mir ist ebenso bewusst, dass Online-Hate etwas ist, was extrem grassiert in unserer Gesellschaft. Aber das macht’s dennoch nicht o-kay. Meiner Meinung nach ist ganz einfach die Denkrichtung falsch. Nicht die Person, die sich exponiert, muss lernen, mit dem Hate umzugehen, sondern der Hater muss lernen, auf sein Leben und seinen Hate klarzukommen. Das ist so, wie wenn du sagst, die Frau, die den Minirock trägt, ist selber schuld, wenn sie vergewaltigt wird. Also da checken wir’s ja zum Glück mittlerweile, wer das Problem ist. Und bei Online-Hate ist das nicht anders. Die Normalisierung von Hate ist meiner Meinung nach der erste große Fehler des Ganzen. Wieso soll das bitte normal sein? Es IST nicht normal. Wenn’s normal wäre, dann würde das auch im realen Leben genau so vorkommen. Und das wissen wir alle, dass das nicht der Fall ist. Haters sind ja nur deswegen so unverfroren und outspoken, weil sie sich in der Anonymität des Internets hinter ihrem Pseudonym samt Avatar verschanzen können. Nimm denen die Anonymität weg, und übrig bleibt ein trauriger Regenwurm.
Es ist tatsächlich ziemlich krass.
Jetzt ist mir natürlich klar, dass der Shitstorm, den ich da abgekriegt hab, ein verhältnismäßig kleiner war im Vergleich zu Promis, die einen Bekanntheitsgrad haben und wirklich im Rampenlicht stehen. Aber das ist wurscht – es macht ganz generell einfach was mit einem, wenn da ein anonymer Mob auf dich eindrischt. Also ich kann euch sagen, was es mit mir macht oder gemacht hat: Es löst ein diffuses Gefühl von Angst aus, was ja eine natürliche Reaktion auf einen Angriff ist. Und bei jedem Angriff hast du zwei Möglichkeiten: Fight or Flight – Kampf oder Flucht. Totenstarre gibt’s auch noch, das ist meistens mein Coping Mechanismus der Wahl. Hab mich tatsächlich sehr totenstarr gefühlt das gesamte letzte Wochenende, weil’s mich schlichtweg überfordert hat. Zudem hatte ich zache Schlafstörungen. Ich hab mir die ganze Zeit überlegt: Woher kommt dieser ganze HATE?! Ich check’s nicht.
Mein Therapeut meinte: „Das Wichtigste ist, dass du diese Kommentare nicht persönlich nimmst. Die Haters schreiben nicht über dich, sondern über sich. Für Leute, die nicht ihr Ding machen, wirkt dein Song wie eine Provokation.“ Das war eine sehr wichtige Botschaft. Mir war rational natürlich klar, dass ich diese Kommentare nicht persönlich nehmen darf – weil mich von denen ja keiner auch nur eine Sekunde kennt, und weil ja auch die allermeisten nicht einmal das ganze Lied kennen. Also was soll’s. Gleichzeitig hat’s mir einfach gezeigt, wie sehr mein Song offenbar tatsächlich einen wunden Punkt in der Gesellschaft trifft. Weil ganz einfach so unfassbar viele Leute ganz offensichtlich nicht glücklich sind mit ihrem Leben. Weil sie nicht ihr Ding machen. Das ist ja auch der Grund, warum mir das Lied so unfassbar am Herzen liegt – weil ich nicht nur mich, sondern eben auch andere, dazu motivieren will, das zu ändern und von der Fremdbestimmung in die Selbstbestimmung zu gehen. Und dafür braucht’s ein gewisses Level an Aggression, mit der man sich selber mobilisiert. Und genau das war der Hintergedanke und die Intention meines Songs: Zu motivieren und zu empowern. Aber ja – change never comes easy. Und je heftiger der Widerstand und der Hate, desto größer wahrscheinlich der Schmerz dahinter. Hurt people hurt people.
Ich habe mir gestern die Podcast-Episode von Pat Flynn angehört, wo er über Online Hate spricht. Darin zeigt er Gründe auf, warum Leute online haten, teilt seine Erkenntnisse und Erfahrungen und liefert wichtige Informationen für alle, die Opfer von Online-Hate geworden sind. Als erste Erklärung, warum man Hate abkriegt, nennt er Folgendes:
We receive hate, because we live in a bucket of crabs. What does that mean? If you have a bucket of live crabs and one crab decides to climb out of the bucket – no matter what you do – one of the crabs is gonna pull that crab back down. […] And thus we never gonna get anywhere because of the crabs over there, who are like, “No! Why you’re leaving that space, this is where we’re supposed to be!“ And so- we live in this world that is a bucket of crabs – that when we try to do big, great, world-changing things, different things, when we try to take a stand, we are -at the same time- going to challenge people. And we receive hate because those people are challenged. And that’s a defense mechanism in a way. Because when their beliefs, when their lives, when their business is challenged, they’re gonna go to defense mode. And for some, defense mode is getting very aggressive and lashing out and saying mean and hateful things. So that that crab – you- is not getting out of the bucket.
BÄM! Das ist so eine verdammt gute Metapher einfach! Ich bin halt die Crab, die „Ich mach mein Ding!“ singt und aus dem Bucket rausklettert. Und viele andere Crabs, denen der scheiß Bucket vermutlich auch schon am Oasch geht, weil sie auch lieber frei wären als eingesperrt in einem Kübel, sehen mich als Bedrohung. Weil wenn’s jedem schlecht geht, ist man zumindest in seinem Elend vereint. Dabei sag ich ja zu meinen Crab-Brothers and Sisters: „Komm, gemma! Der Kübel kann nix.“ Aber klettern muss halt dann schon jeder selber. Das ist halt so der Punkt.
Shallon Lester sagt ja auch: “People don’t hate you for who you are. They don’t hate you for where you are now. They hate you for where you’re going.“
Und um die Crab-Metapher weiterzudenken: Wie geil wäre es in unserem Crab-Universe, wenn einfach jeder, der im Bucket bleiben will, dort bleiben kann und darf, und jeder der raus will, raus kann und darf. Und man sich gegenseitig unterstützt und motiviert, da rauszukommen, oder zumindest nicht behindert. Weil die Krabbe im Kübel, die raus will, kommt ja nicht eher raus, weil sie eine andere wieder zurück in den Kübel runter zieht. Das ist ja eine komplett irrsinnige und pervertierte Logik. Ich bin halt großer Freund davon, dass jede Krabbe selber entscheiden kann, wo sie sich aufhält, und was sie macht. Das wär einfach richtig geil. Also wenn ich’s mal echt aus diesem Kübel rausgeschafft hab (noch bin ich ja am Klettern und versuch die scheiß Krabben abzuschütteln, die da einen auf Attack machen), dann mach’ ich da draußen ein großes Krabbenfest, zu dem ich alle Krabben (auch die Kübelfreunde!) einlade, und alle können frei mit mir tanzen. Boah, das wird schön, ich sag’s euch! Da mach’ ma dann eine kleine TikTok Challenge. Hahahaha.
Ich weiß, der Artikel ist jetzt schon relativ lange, und ich bin auch schon fast durch mit allem, was ich sagen möchte. Aber ein Punkt, der mir hinsichtlich Online-Hate noch wirklich wichtig ist, zu erwähnen, ist, dass Online-Hate sich zu einem Großteil gegen Frauen richtet, und insbesondere gegen junge Frauen. Einem Mann gesteht man es nun mal viel eher zu, sein Ding zu machen, als einer Frau. Das System, in dem wir leben – hallo, du geiles Patriarchat! – sieht einfach vor, Frauen klein zu halten und in ihrer Kraft und Stärke zu unterminieren. Das Perverse ist, dass selbst Frauen andere Frauen klein halten wollen und somit in Wahrheit gegen sich selbst arbeiten. Wenn ich an Shitstorms gegen Frauen in der Öffentlichkeit denke, die aktuell stattfinden oder stattgefunden haben, dann fallen mir prompt Shallon Lester, Lana del Rey, Nessa Barrett und Caroline Flack ein.
Shallon Lester ist eine sehr bekannte YouTuberin und eine extrem starke Persönlichkeit, die mich mit ihren Videobotschaften schon oft inspiriert und empowert hat. Als ein bekannter YouTuber heuer ein “Shallon-Lester-Exposure-Video” postete, sprossen die Hate-Videos gegen sie plötzlich aus dem YouTube-Himmel wie Schwammerl. Wieder dasselbe Phänomen: Einer fängt an, alle setzen sich drauf. Die Ökonomie der kranken Aufmerksamkeit. Es ist tatsächlich ziemlich zum Kotzen. Lana del Rey wurde nach einem Instagram-Post Rassismus unterstellt, was auch einen gewaltigen Shitstorm mit sich zog. Shallon Lester und Lana del Rey haben allerdings schon so eine starke, gewachsene Gefolgschaft, die sie auch durch diese Zeit des Online-Hates tragen bzw. getragen haben. Und damit kommen wir zu einem sehr wichtigen Punkt: Online-Hate packst du nicht alleine. Es ist ganz simpel nicht möglich. Du brauchst Leute, die dich supporten, die zu dir halten, die mit dir und nicht gegen dich sind. Sonst endest du wie Caroline Flack, eine britische Fernsehmoderatorin, die sich heuer im Februar das Leben genommen hat. Der Subtext von Online-Hate ist einfach immer: „Lösch dich!“ und wenn du niemanden hast, der da wirklich mit dir durchgeht – mutige Menschen, die sich nicht schleichen, sobald mal nicht mehr alles Grießschmarren mit Himbeerkompott ist, dann ist es irgendwann ganz einfach zu viel. Nessa Barrett geht’s derzeit auch nicht besonders gut. Sie ist eine 17-jährige TikTokerin mit 9 Millionen Followern, die auch in anhaltendem Online-Hate quasi ertränkt wurde. Warum? Weil sie zum falschen Lied getanzt hat. Mit 17. I can’t… Als ihr Freund, Josh Richards (the guy who’s giving me wet dreams) und sie sich letztens getrennt haben, veröffentlichten sie ein Statement auf YouTube, in dem sie unter anderem das hier sagte:
Obviously I’ve encountered a lot of hate. My mental health was kinda destroyed recently. And it’s just important for me right now to better myself in that aspect, focus on that, and career-wise I’m kinda breaking out of that social-media-type vibe, focusing on my music right now.
“My mental health was kinda destroyed.” Das! Ich hoffe und wünsche dieser jungen, wunderschönen und wahnsinnig talentierten Frau wirklich, dass sie das Ganze gut verarbeiten kann und sie Leute um sich hat, die sie da echt stärken und für sie da sind. Weil sie wirkt wirklich sehr mitgenommen. Und ja – Hass ist eine Krankheit der Gesellschaft, die sich immer mehr ausbreitet, und die meiner Meinung nach nicht normalisiert werden darf. Und da ist jeder für sich auch mit verantwortlich dafür.
Mein Lösungsansatz ist eben der, dass jeder für sich mal schaut, was ihn/sie glücklich macht im Leben, und herausfindet, was sein/ihr Weg ist. Weil glückliche Menschen haben nun mal keine Motivation, andere (glückliche) Menschen zu haten. Weil sie realisiert haben: Je mehr glückliche Menschen diesen Planeten bevölkern, desto schöner ist das Leben hier für alle. Und dass Leute beginnen, sich frei zu machen, von diesen ganzen gesellschaftlichen Normen und Zwängen – wie du zu sein hast, wie du auszuschauen hast, wie viel du verdienen musst, welchen Job du haben musst, wie du dein Leben zu leben hast, was du dir alles kaufen musst, was du tun musst, um „cool“ zu sein, wie du die Erwartungen von anderen am besten erfüllst – all dieser ganze BS. Weg damit! Da predigen wir immer alle Toleranz und Akzeptanz, aber wer lebt denn das wirklich? Kurioserweise haben mich ja auch etliche gehatet, die in ihrem Profil-Icon die BLM – Fist hatten. Wo ich mir dachte – du bist auch leiwand! Bist gegen Rassismus (was ja auch Hate ist), und dann hatest du aktiv andere?!? Wie geht das zusammen? Auch mehr Schein als Sein.
Die Welt braucht mehr Liebe und mehr Mut. Auch Radiosender brauchen viel mehr Mut. Die beschränken sich in ihrer Musikauswahl in aller Regel auf leicht verdauliche Musik. Musik, die nicht aneckt, die locker-flockig nebenbei ein bissl dahintrödeln kann und die oft nicht mal eine Message hat. Musik zu bloßen Unterhaltungszwecken. Der 5 billionste Song über die Liebe, das Verliebtsein oder den alten Liebeskummer. Ist auch gut. Hat auch seinen Platz. Aber ich hab’ eben das Gefühl, dass die öffentlichen Medien ihren Bildungsauftrag dahingehend noch nicht wirklich gecheckt haben. Solange sie immer more of the same spielen, wird auch immer more of the same im Bewusstsein der Leute stattfinden. Da kommen wir nicht weiter.
Ich hoffe, ihr freut euch schon auf mein Krabbenfest.