Ulli Mayer

Ulli Mayer ist so eine Person, die den Raum betritt und du spürst, dass sich die Frequenz in der Sekunde erhöht. Es gibt wirklich sehr wenige Leute, die ich bisher in meinem Leben getroffen habe, die so strahlen und solch gute Vibes am Start haben wie diese Frau. Und im Gegensatz zu vielen virtuellen Selbstdarstellern, die einem ihre aufgesetzte gute Laune in Instant-Kaffee-Manier nur so um die Ohren hauen, ist die Ulli einfach in jeder Faser ihres Seins real. Sie ist erfrischend, authentisch und auf eine sehr ehrliche Art und Weise positiv. Und weil das Leben bekannterweise ein Energy Game ist, ist es nur wenig verwunderlich, dass es bei dieser Frau echt gut läuft. Sie hat nicht nur eine liebevolle Familie samt idyllischem Holzhaus, sondern betreibt auch ihre eigene psychologische Praxis und unterhält eine Musikkarriere, die von Erfolg geprägt ist. 2019 wurde sie für ihr musikalisches Projekt “Die Mayerin” mit dem Amadeus Award ausgezeichnet, und heuer ist sie abermals für den heimischen Musikpreis nominiert.

Du bist ja jetzt das zweite Mal für den Amadeus Award nominiert. Das ist der wichtigste Musikpreis des Landes. Man kann also sagen, du spielst in der musikalischen Oberliga. Wie bist du dorthin gekommen? 

Ich glaub’ ich bin dorthin gekommen mit einem großen Traum, mit Glück, Disziplin, viel Biss und mit dem Bewusstsein und dem Rezept, dass ich nur intuitive Entscheidungen treffe und wirklich meinem Herzen folge. Und es gibt so ein Grundprinzip bei meinem musikalischen Projekt und auch in meinem Leben: “Less ego, more soul!” Und wenn du das im Musikbusiness lebst, ist es teilweise schon ein Struggle, jedoch ein guter Struggle. Und ein Struggle, der in meinen Augen nur den richtigen Weg finden kann.

Und wenn du sagst, “Biss”, dann heißt das, du hast wirklich kontinuierlich an dem gearbeitet? 

Genau! Ich bin jemand, der irrsinnig gern arbeitet. Und der Biss ist ein natürlicher Biss. Es ist nicht so, dass ich mich anstrengen müsste und mir denke “Ahhh jetzt muss ich wieder ins Tonstudio….” Nah, ich liebe es einfach, unterwegs zu sein. Da hab’ ich dann einen Akku, der rennt, glaube ich, ewig. Und was auch ist – Menschen sagen immer: “Du brauchst einen Plan. Du brauchst Plan A.” Und ich glaube, mein Geheimrezept ist, dass bei mir Plan A und Plan B (wenn man ihn so nennen will) nebeneinander herlaufen. Also ich bin zum einen Singer-Songwriterin und zum anderen Psychologin mit einer eigenen Praxis. Und die Tatsache, dass die Praxis läuft und dass dieses zweite Standbein mir finanziell einfach eine gewisse Sicherheit gibt, ermöglicht es mir, in der Musik freie Entscheidungen zu treffen und das zu machen, was ich gerne mache und wozu ich wirklich stehe. Ich muss nicht. Und das ist, glaube ich, der Grund für meine Leichtigkeit – weil ich mich nicht verbiegen muss, damit ich Geld verdiene. Ich kann machen, was ich will. 

Weil du es gerade angeschnitten hast – wie setzt sich dein Einkommen zusammen? Wie viel Prozent kommt wirklich aus der Musik und wie viel aus der Psychologie? 

Das atmet. In der Musik sind die Tantiemenabrechnungen einmal im Quartal bzw. einmal im Jahr. Die Urheberrechtstantiemen kommen im Quartal und die Interpretentantiemen kommen einmal im Jahr. Und wenn du Auftritte hast, bekommst du das Geld direkt ausbezahlt. Das heißt, die Musikeinnahmen kommen immer geballt und die Psychologie liefert das tägliche Brot. Ich kann dir jetzt gar nicht sagen, wie viel genau jetzt wovon kommt. Aber vom Gefühl würde ich sagen, es ist 50:50. Die Psychologie zahlt den nächsten Billa-Einkauf. Und das, was über die Musik reinkommt, das reinvestiere ich eigentlich eh wieder in die Musik.

Also die Psychologie ist dein Brotjob?

Es ist mein Brotjob und es fühlt sich auch so an. Aber ich finde, “Brotjob” ist immer so negativ behaftet. So als müsstest du das tun. Und das stimmt in meinem Fall nicht. Mir würde was abgehen, wenn ich meine psychologische Praxis nicht hätte. Es macht mich einfach genauso zu 100% aus, und das spürt man wahrscheinlich auch in meinen Songs. Es rennt ja quasi immer die Psychologin mit im Hintergrund. Es ist eine Berufung. Und ich lebe diese Berufung über zwei Wege aus. Es geht bei mir immer um Selbstliebe, Persönlichkeitsentwicklung, Potenzialentfaltung – sowohl in der Musik als auch in der Psychologie. Und ich sage immer: Es ist eigentlich wurscht, ob man sich eine Stunde zu mir in die Praxis setzt, oder ob man sich eine Stunde meine CD anhört, weil es kommt auf dasselbe raus. Ich traue mich wirklich behaupten, dass eine Stunde CD gleichzusetzen ist mit einer Therapiestunde. 

Das befruchtet sich dann auch gegenseitig. 

Enorm! Das ist auch meine Inspiration. Die Texte für die Songs kommen ja alle von dem. Das ist alles sehr drauf angelegt, dass die Menschen sich spüren, dass die Menschen diesen Funken in sich wieder entdecken und sich wirklich wieder trauen, sich selbst zu leben – unabhängig davon, was die Gesellschaft, der Partner oder die Eltern sagen und auch unabhängig von irgendwelchen Normen. 

Hast du da selber eine Reise hinter dir, wie du dorthin gekommen bist? 

Na klar! Ich muss sagen, ich bin wirklich gesegnet mit dieser schönen Kindheit und mit diesem sicheren Elternhaus, wo immer Liebe da war und wo immer noch Liebe da ist – so viel, dass es nicht zu zählen ist. Und das ist so wichtig. Und mir tut’s so leid, wenn Menschen das nicht gehabt haben. Und daher seh’ ich’s auch als meinen Auftrag, das weiterzugeben. Diese Liebe. […] Und weil du meintest, ob ich da auch schon einen Weg hinter mir habe. Natürlich habe ich schon einen Weg hinter mir. Du hast irgendwann deinen Job als Psychologin. Du hast Familie. Du hast Kinder. Ich war irgendwann an einem Punkt in meinem Leben, wo ich alles hatte, was ich je auf meine Traumliste geschrieben hatte. Also das Vision Board war komplett erfüllt. Und dann bin ich gesessen und habe mir gedacht: “Und jetzt…!? Wo ist das Salz?” Und ich bin mir draufgekommen, dass mir die Begeisterung fehlt. Also du hast zwar alles, und du bist dankbar, aber ich habe gespürt: Irgendwas ist da in mir, was raus will und sich vielleicht nicht raus traut. Ich habe also schon diesen Prozess hinter mir, diese Freiheit wieder in mein Leben zu bringen – dass du als Mama von zwei Kindern plus Bonuskind, als Ehefrau, als Psychologin – also richtig gesetteltes Business – sagst: Ich nehm’ mir jetzt die Freiheit, zu schauen, was da in mir steckt. Und das war mein Prozess. Und die Mayerin als Projekt ist der Grund, warum dieser Prozess auch so stetig stattfindet und ich mich da auch so entwickelt habe. […] Und deswegen ist’s mir glaube ich so wichtig, dass ich andere Frauen auch bestärke darin, auch aus ihrer Blase oder ihrem goldenen Käfig rauszukommen. Weil ich glaube, Frauen haben da immer das Gefühl, sie wenden sich gegen die Familie oder gegen die Kinder, wenn sie ihr Eigenes auch mal forcieren oder sich selber mal an die erste Stelle stellen. Aber ist es nicht so – wenn’s uns gut geht, geht’s den anderen auch gut? Ist es nicht so – wenn ich glücklich bin, sind meine Kinder auch viel relaxter? Wenn ich glücklich bin, ist mein Mann viel entspannter. Es ist ja alles ein System, das atmet. Und das vergessen die meisten. Sie glauben, sie müssen sich selber aufopfern. Und aus dieser Opferrolle heraus, kämpfen sie sich dann durchs Leben. 

Da geht’s ja auch drum, eine Balance zu kreieren – Freiheit auf der einen Seite, Stabilität auf der anderen.

Freiheit ist ein wahnsinnig wichtiger Wert von mir! 

Ja komplett wichtig. Damit man auch wieder ein bissl Luft reinkriegt! Eine Frage habe ich noch zum Amadeus. Und zwar bist du ja in der Kategorie “Schlager” nominiert. In welches Genre würdest du deine Musik einordnen?

Also ich ordne meine Musik in das Genre “Dialektpop” ein. Du kannst auch sagen “neuer Austropop”. Mir tut’s dann immer ein bisschen leid, weil “Schlager” doch mit einem Naserümpfen verknüpft ist. Und diese Kategorie heißt deswegen so, weil da die Acts drinnen sind, die einen Regionalbezug haben. Und meine Songs rennen halt im Regionalradio auf und ab. Mir tut’s eben leid, dass diese Kategorie nicht einen passenderen Titel hat, wie z.B. “Dialektpop” oder “Regional”. Ich muss mich da immer ein bisschen rechtfertigen oder erklären. Und was dann ganz blöd ist, ist, wenn Veranstalter, oder Leute, die sich nicht direkt mit meiner Musik befassen, mir einen Stempel geben. Schlager hat eine ganz besondere Stigmatisierung. Und ich denke mir dann immer: “Das bin ich nicht!” Ich schreibe meine Texte. Ich schreibe meine Songs. Ich habe eine Tiefgang. Mir ist die Botschaft wichtig. Und ich verkaufe mich auch als Frau in dieser Musikwelt nicht über meinen Körper. Und das ist halt auch so eine G’schicht’. Schlager hat halt – um’s ganz provokant zu sagen – keinen besonders intelligenten Ruf. Und das ist dann irgendwie ein bissl schade, weil ich dann das Gefühl habe, ich werde aus der Oberfläche heraus nicht so gesehen, wie ich aber bin. Und Männer, die dieselbe Art von Musik wie ich machen, sind aber “Pop”. 

Das ist echt spannend. Aber glaubst du, dass es vielleicht auch am Namen liegt? Dass “die Mayerin” nicht so sehr nach “Pop” klingt, wie wenn du dich Mia Koller genannt hättest? Denkst du, dass das vielleicht ein Punkt ist, der zusätzlich mitspielt? Ich weiß natürlich, das Gender-Argument ist sicher stark, aber kannst du dir das vorstellen? 

Keine Ahnung. Weil “die Mayerin” ist ja auch ein bisschen vintage. Es gibt ja auch “die Schneiderei”, “die Näherei”, “die Stickerei”- und “die Mayerin” reiht sich ja eigentlich ein in das Ursprüngliche, Bodenständige einerseits, aber andererseits hat es auch einen Vintage-Appeal. Es ist ein interessante Überlegung, ob das vielleicht da mitspielt. Ich glaube nicht. Ich glaube, es liegt wirklich daran, dass eben meine Musik im Regionalradio rennt. Und die Kategorien werden von der Jury durchgevotet nach Radios. 

Und stimmt das, wenn du im Regionalradio gespielt wirst, du für Ö3-Airplay nicht mehr berücksichtig wirst?

Also es stimmt nicht 1:1, aber der Stempel ist da. Und es ist umso schwieriger, sich dann auf einem anderen Radiosender Gehör zu verschaffen, das ist schon so. Es kommt dann zurück: “Sie ist ein Regional-Act.” 

Das ist wieder dieses Kastl-Denken. Da kommst dann nicht mehr raus, oder?

Nah. Das passt. Aber ich muss sagen: Ich steh’ ja drauf. Tief in meinem Herzen finde ich es fantastisch, wie es ist. Warum? Von mir rennen 13 verschiedene Singles im Regionalradio, ich muss nicht Scheitlknien. Es besteht zwischen den Regionalradios und mir eine Verbindung, wo man sagt, da ist sehr viel gegenseitige Wertschätzung. Wenn ich angerufen – und gefragt werde: “He kannst du uns ein Interview schicken zum Thema XY”, “Kannst du vorbei kommen?”, dann antworte ich mit: “Ja, voll gern!” Wenn ich ihnen ein neues Lied schicke und sage: “Könnt ihr das bitte spielen?” ist die Antwort: “Ja passt!” Also es ist ein Commitment da. Und dieses Commitment hast du in Österreich auf den Regionalsendern. Aber du hast dieses Commitment nicht – oder ich hätte es nicht – auf Ö3. Weil da geht’s um was Anderes. Und das ist doch extrem cool, wenn du Songs produzierst und weißt: Das findet definitiv Gehör! Und es ist nicht ein “Der Gladiator in der Arena, der den Daumen rauf oder den Daumen runter kriegt”und du hast vielleicht keine Erklärung dafür, warum. 

Würdest du das also so subsumieren, dass bei den Regionalradios die Person an sich mehr im Fokus steht und bei den großen Radiostationen die Verkaufszahlen? 

Ich weiß tatsächlich nicht, was bei Ö3 gilt, weil sich die Airplays der letzten Wochen so gestalten, dass ich mir denke: “Das checke ich jetzt nicht.” Vermeintlich volkstümliche Tracks rennen auf Ö3, die für mich ganz klar Regionalthema wären. Also es verwirrt mich. Und daher weiß ich das Rezept von Ö3 nicht. Und bei den Regionalen ist es so, dass ich das Gefühl habe, dass ich als Gesamtbild wahrgenommen werde: Als Person, als Künstlerin, als Songschreiberin, sogar als Psychologin, die was zu sagen hat. Also sie nehmen mich gänzlich– und was gibt’s Schöneres? Und da fühle ich mich halt total wohl, weil ich mich so akzeptiert fühle und weil ich nicht verkrampft “cool” sein muss, sondern so sein darf, wie ich bin. 

Hast du das Gefühl, dass man sonst in der Musikwelt “cool” sein muss? 

Naja, wenn du dich wirklich in das internationale Pop-Business hineinwagst, dann auf jeden Fall! 

Und was steckt da für dich psychologisch dahinter? 

Ich kann’s dir nicht sagen. Ich glaube, dass es Menschen gibt, die von Haus aus diese edgy, fancy Coolness haben. Aber ich hab’ das halt nicht. Und ich kann nur von mir sprechen – wenn ich cool sein müsste, dann würde das für mich bedeuten, dass ich einen andauernden Kampf mit mir selber kämpfen müsste, weil ich das einfach nicht bin. Meine Videos sind nicht cool, meine Videos sind aus dem Leben. Ich gehe Eisbaden, ich wohne in einem Holzhaus, ich mache Palatschinken zu Mittag. Ich wüsste nicht einmal, was man in Instagram-Videos posten müsste, um “cool” zu sein oder “cool” rüberzukommen. Ich weiß das nicht. Ich habe aber auch vielleicht keine Role Models für Coolness gehabt.(lacht) Ich bin eine Lehrertochter, ich bin ein ehemaliges Streberkind, ich habe fast immer nur lauter Einser gehabt – ich kenne “cool” nicht. 

Aber es herrscht offenbar eine sehr genaue Vorstellung darüber, was “cool” ist. Das ist sehr tight. Da passt du entweder rein, oder nicht. 

Stimmt. Ja, “cool” ist halt mal böser in die Kamera schauen. Oder diese coolen Blicke, die ich sowieso nicht drauf hab’, weil ich mir dann nicht drauf gefalle. Und das kann ich dann nicht posten, wenn ich mir nicht drauf gefalle. Cool ist vielleicht mal mit nicht frisch geföhnten Haaren irgendeine Story machen. Mir fällt grad auf – ich habe echt überhaupt keine Ahnung von “cool”. 

Für mich ist “cool” immer irgendwie gleichbedeutend mit “unnahbar”. Dass du eine gewisse unnahbare Attitüde von dir gibst und eventuell ist es auch eine Art von Selbstschutz. 

Ich bin halt vom Typ Mensch her immer der herzliche. Und ich bin nahbar – auch für meine Klienten. Und ich weiß schon, dass es manchmal wichtig ist, Grenzen zu ziehen und sich abzugrenzen. Aber diese Grenzen sind bei mir, glaube ich, sehr nahe bei mir. Und da ist einfach so viel Herzlichkeit in mir, dass mir das viel wichtiger ist, als dass ich mich auf irgendeine Stufe stelle. Ich glaube es ist das: Ich hätte ein Problem damit, mich auf eine Stufe zu stellen. Und zu vermitteln, dass ich jetzt was Besseres wär als irgendjemand anderer. Ich bin überhaupt nichts Besseres. Jeder Mensch hat seine Geschichte und jeder Mensch hat seine innere Themen. 

Aber vielleicht könnte man dann auch daraus schließen, dass – überhaupt in der Musikwelt- vielleicht ein bisschen die Herzlichkeit fehlt. 

Ja da ist halt das Lustige, dass in dem Genre, wo ich bin oder in den Bereichen, in denen ich mich bewege, ich die Herzlichkeit definitiv auch finde und wahrscheinlich gehe ich da auch nicht raus. Weil es ist natürlich für mich auch eine schöne Geschichte, wenn ich Herzlichkeit aussende und es kommt auch Herzlichkeit zurück und du kannst ganz normal miteinander reden, du musst dich nicht verstellen oder extra wem in den Arsch kriechen. 

[…]

Du schreibst ja aktuell an Songs für dein drittes Album. Kannst du kurz mal skizzieren, wie da bei dir abläuft vom Songwriten bis zum fertigen Album. Also welche Steps sind da notwendig? 

Ich hab’ letztens so lachen müssen, weil ich drauf gekommen bin, was offensichtlich eine Methode von mir ist, wie ich das Ganze angehe. Ich habe erst vor drei Wochen beschlossen, dass ich ein drittes Album machen möchte. Und dann passiert Folgendes: Ich setze mich hin und schreibe eine Liste an Songtiteln, wo ich irgendwie das Gefühl habe: Das taugt mir. Obwohl es noch weder Text noch Melodie gab. Aber einfach, weil ich mir dachte: “Cooles Wort!” Dann ist mir das Wort “Goldfisch” begegnet, weil ich für mich die Metapher gefunden habe, dass ich vielleicht ein bisschen ein Goldfisch im Haifischbecken Musikszene bin. Weil ich halt ein kleiner Fisch bin mit meinem eigenen Label, weil ich nicht die großen Haifische an meiner Seite habe, also die Major Labels, die schon viel Power haben. Und dann kam mir die Textzeile: “Es kommt nicht auf die Größe an, wenn ein Goldfisch was verändern kann.” Und so fühle ich mich gerade. Also “Goldfisch” steht auf meiner Liste. […] Und so schreibe ich nur so Songtiteln auf. Das ist dann immer der erste Step in Richtung ernsthaftes Arbeiten. […] Offensichtlich ist jetzt beim dritten Album der Goldfisch das Leitmotiv. Weil ich auch Eisbaden gehe und das Element Wasser für mich sehr wichtig ist. Und dann hat mir jemand die Eigenschaften des Goldfisches als Krafttier geschickt. Und dann hab’ ich richtig abgeschnallt. […]

Das heißt, du fängst jetzt mal mit den Titeln an. Der nächste Schritt sind dann die Lyrics wahrscheinlich? 

Ich habe so Lyrics-Bücher, wo ich immer so Gedankenfetzen reinschreibe. Oder meine Sprachmemos am Handy. Und ich mache mir dann Songwriting-Sessions aus. Es gibt einen Gitarristen, mit dem ich irrsinnig gerne schreibe, es gibt einen anderen Gitarristen oder auch meinen Produzenten – weil ich spiele selber kein Instrument so gut, dass ich die Akkorde leicht finde. Ich habe meine Melodien im Kopf, aber ich brauche diese Unterstützung von außen, dass die richtigen Akkorde dazukommen. 

Und dann gehst du ins Studio, produzierst… 

Dann macht man mal ein Demo. Dann produziert man’s. Es ist schon viel Arbeit. 

Es ist viel Arbeit, ich weiß. 

Also es gibt Künstler, die nehmen ein Album in zwei Monaten auf, aber das ist schon ein Prozess – vor allem, wenn man die Songs selber schreibt. Ich sitze im Studio ja auch daneben und gebe da meinen Input. 

Und es ist ja auch gut, wenn das Ganze mal atmen kann und man dann vielleicht noch das ein oder andere fine-tunen kann. 

Genau. Und ich habe mein letztes Album ja erst 2020 veröffentlicht. Ich mach’ mir da jetzt keinen Stress. Das ist ja das – wenn du deine eigene Plattenfirma bist, musst nur mit dir selber reden. (lacht) Du musst nur mit dir selber eins sein. Und wenn du keinen finanziellen Druck hast – noch besser! 

Voi guad! Und Promo und Bemusterung machst du dann selber? 

Nein, Promo macht die Dunja Stachl – das ist seit Anbeginn meine PR-Lady. Sie ist glücklicherweise auch meine Schwägerin. Das ist quasi in der Family. 

Du hast es ja vorhin schon erwähnt, dass du täglich Eisbaden gehst. Und das machst du erst seit kurzem, glaube ich? 

Seit Anfang des Jahres. 

Die sogenannte Wim Hof – Methode. Wie bist du dazu gekommen und wie hat sich dein Leben dadurch verändert? 

Ich bin durch meinen Mann auf diese Methode gestoßen. Der hat sich mit dem Wim Hof näher beschäftigt. Wir haben uns dann gemeinsam das Hörbuch angehört, und zwar hat Wim Hof ein Buch geschrieben mit dem Titel “Nie wieder krank”. Mein mann meinte dann: “Probieren wir das!” Ich hab’ wirklich richtig großen Respekt davor gehabt. Ich habe eigentlich wirklich die letzten 36 Jahre geglaubt, dass wenn ich in kaltes Wasser reingehe oder mich eiskalt abdusche, ich einen Herzinfarkt kriege. Also das war ein echtes Angstthema von mir. Anfang des Jahre habe ich dann begonnen, mich da ranzutasten. Und dadurch, dass Wim Hof sagt: “Don’t force it”- also “zwing dich nicht!” – habe ich mich da echt in diesen Prozess total schön hineingelassen. Und wirklich angefangen mit 5 Sekunden kalte Dusche, 10 Sekunden kalte Dusche – also ich habe mir da wirklich alle Zeit genommen, die ich brauche. Und das ist ein Training. Mittlerweile kann ich sogar andere Leute beim Eisbaden begleiten und bin 3 Minuten drin. Ich bin auch drauf gekommen – wenn ich mir Musik aufdrehe, geht’s besser. Ich habe eine Eisbad-Playlist. Da sind voll die krassen Lieder drin. Und das taugt mir. 

Und ist es für dich eine Challenge oder ist es für dich eine Entspannung? 

Es ist jeden Tag eine Challenge! Aber wie geil ist das, wenn du jeden Tag eine Challenge bestehst? Da kannst dir schon mal in der Früh eine Medaille umhängen, weil du’s geschafft hast! 

Aber die Frage, die ich mir stelle ist: Glaubst du, dass es wirklich am kalten Wasser liegt oder hättest du vermutlich denselben Effekt, wenn du beispielsweise jeden Tag laufen gehen würdest?

Ich glaube schon, dass es mit dem kalten Wasser zu tun hat, weil das kalte Wasser auf jeden Fall was körperlich macht mit einem. Man kann es nur erklären, wenn man es selber ausprobiert hat. Aber ich seh’s an meinem Körper. Mein Körper ist einfach durchlässiger, die Lymphen sind weniger verstopft, [diverse körperliche Beschwerden haben sich merklich verbessert]. Der Körper fühlt sich einfach fitter an. Und geistig bewirkt es glaube ich noch einschneidendere Veränderungen. Ich neige nämlich schon zu Ängsten – ich habe eine Riesenangst vorm Sterben und habe da meine Themen. Ich habe mich mit dieser Urangst direkt konfrontiert und intuitiv gelernt, auf meinen Körper zu hören und meine körperlichen Wahrnehmungen zu schärfen. Man spürt zum Beispiel, dass der Rumpf warm bleibt. Du spürst die Energie fließen. Du spürst Lunge, Herz, Bauchraum – das bleibt alles warm. Du bist in Sicherheit. Und du kommst so in dieses Vertrauen und du kommst in diesen Körper. Und als Künstlerin, oder generell als der Mensch, der ich bin, neige ich dazu, leicht einmal die Verbindung zum Boden zu verlieren und in meinen Gedanken “herumzuschwirren”, ohne dabei geerdet zu sein. Und das Eisbaden ist für mich natürlich die beste Möglichkeit, dass meine Seele sich gut mit meinem Körper verbindet. 

Und wie lange dauert so ein Eisbad?

Also bei mir dauert es zwischen 30 Sekunden und 3 Minuten. Also nicht die Welt. Ich sitze da jetzt nicht eine halbe Stunde drinnen – das würde ich auch keinem empfehlen. Also es ist wirklich machbar. Ich höre da einfach stark auf mich. 

Aber es hilft, die mentale Stärke voranzutreiben? 

Voll! Es war auch letztens ein Moment, wo ich mich furchtbar über etwas geärgert habe, und es war sofort der Impuls da: Geh dich kalt abduschen! Und nachher sitzt du da und wärmst dich in deinem Bademantel auf. Ich trinke dann immer ein heißes Getränk und dann ist’s auch wieder gut. Und was auch ist – das muss ich noch dazusagen – beim Eisbaden ist ja die Essenz das Atmen. Das ist so wichtig. Du trainierst deinen Körper darauf, in Stresssituationen ruhig zu bleiben. Weil das Eisbad natürlich eine Stresssituation darstellt, aber indem du ruhig weiter atmest und in diesem Rhythmus bleibst, kommst du in die Entspannung und kannst deinem Körper wirklich sagen: “He, du brauchst jetzt keinen Stress empfinden!” Also du trainierst diese Coping Strategie. Und das ist glaube ich der Grund, warum ich dann im Alltag in anderen Stresssituationen wirklich gut bei mir bleiben kann – weil ich’s ja im Eisbad trainiere. Und es geht immer nur um den Atem. Du kannst zum Beispiel nur eine Panikattacke kriegen, wenn du in diese Schnappatmung kommst. Das Fatale im Eisbad wäre Schnappatmung. Das heißt, du hast genau die Trainingsmethode, die dir dann in anderen Situationen hilft, nicht schnappzuatmen. Es ist spannend, dass du eigentlich über den Atem den Körper kontrollieren kannst, Stress zu empfinden oder eben auch nicht. Und Stress -das wissen wir ja aus der Psychologie und mittlerweile auch Medizin- ist Ursache für jegliche Art von Krankheit. Ich habe mir immer gedacht: Es fängt beim Stress an. Aber in Wahrheit ist meine neue Erkenntnis seit diesem Jahr: Es fängt beim Atem an. Richtig gute Erkenntnis!

Ich kenne ja einige Männer, die Wim Hof – Fans sind. Du bist die erste Frau, die ich kenne,  die diese Methode regelmäßig anwendet. Was glaubst du, warum die Wim Hof-Methode auf Männer offenbar einen größeren Appeal hat als auf Frauen? Muss da erst eine Lanze gebrochen werden für die Frauen? Oder wie erklärst du dir das? 

Ich erkläre mir das so, dass Frauen generell aufwachsen mit Überzeugungen wie “Ich bin eine Dafrorene”… Frauen haben ja dadurch, dass sie einen anderen Körperbau haben, definitiv auch in der Physiologie ein anderes Kälteempfinden. Das können wir ja gar nicht wegschweigen. Und dadurch ist, glaube ich, diese erste Hürde, sich mit Kälte zu konfrontieren, schon mal viel größer. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt. Ich habe jetzt einige Freundinnen, die ich dazu motivieren konnte, mit mir das Eisbaden auszuprobieren, und es haben alle mega gefunden. Es hat sich bei allen ein richtig spannender Prozess dadurch in Gang gesetzt. Schon davor! Weil man sich eben auch davor schon mit dieser Angst und mit dieser Art von Kontrollverlust konfrontiert. Das ist ja ein Riesending. Und ich glaube, das ist der Hauptpunkt. Dass Frauen sich oft nicht über diese Grenze drüber trauen. […]

Ich bin jetzt eh schon bei meiner letzten Frage. Und zwar würde ich gerne wissen: Was sind drei Punkte auf deiner Bucket List, die du noch unbedingt machen möchtest? 

Ich würde unheimlich gern einmal mit einem Streichorchester auf der Bühne stehen. Das ist ein riesengroßer Traum von mir. Ich habe mir das auch schon mal anbieten lassen finanziell – das sprengt aber definitiv jeden Rahmen. Mir ist nämlich das Wichtigste, dass ich faire Musikergagen zahle. Und das ist nicht schaffbar ohne Sponsor oder ohne Rahmen, der das sowieso bietet. Das Zweite ist: Ich täte irrsinnig gerne einmal eine Sendung moderieren. Das wäre ein Riesentraum von mir. Und dann möchte ich mit meiner Familie noch einmal nach Neuseeland. Dort waren wir schon einmal 6 Wochen lang. Wir haben uns intensiv mit der Maori-Kultur auseinandergesetzt, und da würde ich gerne nochmal hin!

 

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Foto: Cate Hoffmann