Katharina Lehner

Wer sich so viel wie ich auf Social Media herumtreibt, weiß, dass die “sozialen Medien” sehr häufig eher “asoziale Medien” sind. Allerdings habe ich insbesondere in den letzten Monaten einige sehr bereichernde Begegnungen mit spannenden Leuten auf Social Media Plattformen gemacht. Unter anderem hat mich das Internet mit Katharina Lehner zusammengeführt. Sie ist Podcasterin, Journalistin, Feministin und eine echte Powerfrau. Unsere gemeinsame Freundin Verena Wagner hat mal eine Story von mir in ihrer Story geteilt, daraufhin hat Katharina meinen Insta-Account abonniert und seitdem hatten wir schon etliche sehr spannende virtuelle Konversationen. Über Journalismus und Feminismus, über Narzissmus und Beziehungen, über Online-Dating und überholte Konventionen, über das Älterwerden und die Selbstverwirklichung, über Bücher und Musik, über Vorurteile und Familiengeschichten. Also man kann festhalten: Mit seichtem Oberflächengeplänkel haben wir ganz offensichtlich beide nichts am Hut. Ich liebe Katharinas Ehrlichkeit und Aufgeschlossenheit, ihre Fähigkeit, andere Meinungen gelten zu lassen, ohne sich davon bedroht zu fühlen (very rare quality!), ihre Tatkraft und die Leidenschaft, mit der sie sich einem Thema widmen kann. 

Wir waren also schon “Instagram-Freundinnen”, ehe ich mich vor knapp drei Wochen mit Katharina persönlich traf. Vom Feeling her kann man sagen, hatte es fast etwas von einem Tinder-Date, als wir uns im Alten AKH zum ausgiebigen Pläuschchen trafen. Also so viel, wie wir geschrieben haben, ohne uns tatsächlich live zu kennen – das kannte ich wirklich nur von Tinder. Angenehmerweise verstanden wir uns live auch genau so gut wie online (das war ein wesentlicher Unterschied zu Tinder kannst sagen). Auf einem sonnigen Bankerl im Hof 7 unterhielten wir uns ganz analog über Themen, die uns und hoffentlich die Welt bewegen. 

Was hat dich dazu bewogen, einen Podcast zu machen? 

Ich war selber eine begeisterte Podcast-Hörerin und dann habe ich mit meinem Freund (mittlerweile Mann) geredet und wir haben gesagt: “Eigentlich müssen wir auch einen Podcast machen, weil es noch kaum welche in Österreich gibt.” Das war vor ca. zwei Jahren. Wir haben begonnen zu überlegen und dann ist uns die Idee zu “1 Thema 3 Texte” gekommen. Wir haben uns am Anfang unserer Beziehung einmal in der Woche immer gegenseitig Texte geschrieben zu zufällig ausgewählten Themen. Und da haben wir uns gedacht: “Eigentlich könnten wir aus dem einen Podcast machen!” Daraufhin haben wir den Podcast gemeinsam konzipiert. 

Ist dein Mann auch Journalist? 

Ja, der ist auch Journalist. Wir haben zusammen studiert. Wir kennen uns jetzt eh schon seit zwölf Jahren, aber zusammen sind wir erst seit fünf. 

Wie schön, dass ihr da so eine gemeinsame Leidenschaft habt!

Das ist wirklich schön! Vor allem – ich bin so ein Mensch, der drei Millionen Ideen hat, aber ich brauche immer wen, mit dem ich mich so ein bissl austauschen kann. Ich brauche jemanden, der ein Katalysator für meine Ideen ist, und das ist er. 

Und wie war das – hast du dir, bevor du mit diesem Podcast begonnen hast, viel durchgelesen über die technische Anforderungen? 

Ein bisschen. Ich habe Journalismus studiert, das heißt Tonbearbeitung und Aufnahme habe ich bereits dort gelernt. Wir haben uns dann noch überlegt, welche Mikros gut sind und nicht so viel kosten. (lacht)

Wie hast du die Verena dann kennen gelernt? 

Bow, die Verena kenn’ ich schon lang. Wir haben uns bei einer Social Media Agentur kennengelernt. Da haben wir beide so Postings und Community Management gemacht und es war natürlich eine arge Hockn. Und durch die gemeinsame “Misere” haben wir zusammen gefunden. Seitdem sind wir in Kontakt. 

Wie bist du auf die Idee gekommen, euren gemeinsamen Podcast “Noch kein Superstar” zu machen? 

Die Verena hat mich eines Tages angerufen und mir gesagt: “Du, du hast doch immer gute Ideen. Ich würde gern irgendwas machen, wo meine Fans mit meiner Musik mitgehen können und wo ich das ein bissl bewerben kann.” Und ich habe mir schon ein paar Wochen davor überlegt, dass ich voll gerne einen Erzählpodcast machen würde. Also hab’ ich zur Verena gesagt: “Verena, ich glaube, da treffen sich jetzt unsere Interessen! Ich würde gerne einen Erzählpodcast machen, während etwas passiert. Und dann erzählen wir alles komplett ehrlich – nicht so ein “Star-Rückblick”, sondern ungeschönt und mit offenem Ausgang.” Verena war gleich hellauf begeistert und wir haben uns an die Konzipierung gemacht. 

Das Genre eures Podcast ist ja “Reportage-Podcast”. 

Ja, davon gibt’s nicht so viele in Österreich. Vielleicht vier oder fünf. Es ist sehr viel Aufwand und ich glaube, deshalb machen es wenige. Ich brauche für so eine Folge Tage. 

Vollzeit-Tage?

Ja, ich mach’s halt immer in der Früh bevor ich zu arbeiten anfange, abends nach der Arbeit oder am Wochenende. Dafür hab’ ich dann die Energie. 

Wow, das ist bewundernswert. Weil ich mein’ du hast ja auch einen ziemlich anspruchsvollen Job – du bist ja stellvertretende Chefredakteurin bei Bergwelten. Wie schaut da dein Arbeitsalltag aus?

Phu, das ist sehr unterschiedlich. Die meiste Zeit bin ich im Büro, aber ich bin auch immer wieder in den Bergen unterwegs und mache daraus Geschichten. Hauptsächlich in Österreich, aber ich war auch in Marokko oder Italien. Also es ist schon ziemlich cool. Und im Büro mache ich Heftplanung, schreibe selber Texte, koordiniere die Texte und schaue, dass die Texte von den externen Autor*innen redigiert werden. 

Wie bist du zu diesem Job gekommen? 

Durch Zufall. Ich habe nach dem Studium noch einen Master drangehängt, habe nebenbei in der Agentur gearbeitet und bin so in die Marketing-Branche gekommen – das hat mir dann auch sehr getaugt. Und im Journalismus ist es ja jetzt nicht so, dass die gut bezahlten Jobs hinter jeder Ecke warten – vor allem nicht, wenn man jung ist. Ich bin weiterhin im Marketing geblieben und an die WU gegangen. Dort habe ich das Projektmanagement für den Website Relaunch gemacht. Mein Potenzial ist dort wohl erkannt worden und ich habe nach dem Abschluss dieses Projekts die Leitung des Kommunikationsteams in der Marketing- und Kommunikationsabteilung übernommen. Ich hatte fünf Leute im Team und habe das eineinhalb Jahre gemacht. Ich hab damals mit der Verena gemeinsam Impro-Theater gemacht in einer privaten Impro-Gruppe. Da hatten wir mal einen Auftritt und die Verena und ich kommen zum Reden. Sie erzählt von der Musik und ich sage ihr so: “Du eigentlich – jetzt bin ich beruflich so erfolgreich, aber in mir brennt eine Künstlerseele und irgendwie möchte ich ganz was Anderes machen, ich weiß auch nicht.” Daraufhin sagt sie zu mir: “Ich hab da ein gutes Buch für dich: Der Weg des Künstlers – lies das!” Ich hab’s dann gelesen und auch die Morgenseiten daraus gemacht. Und ich hab’ jeden Tag aufgeschrieben, dass ich unzufrieden bin im Job und dass ich eigentlich lieber schreiben will. Ich bin eher eine lockere Persönlichkeit und an der Uni ist es eher nicht locker und sehr hierarchisch. Ich hatte irgendwie das Gefühl, ich pass’ da nicht richtig hin. Ich hab’ das Tag für Tag aufgeschrieben, und irgendwann hab’ ich mir gedacht: “Was tust du?! Shit, ich werde jetzt 30 – will ich wirklich dort bleiben, irgendwann ein Kind kriegen und dann dort Teilzeit machen?” Und die Antwort war: Nein, das will ich nicht! Und dann habe ich gekündigt, um mich als Kommunikationsstrategin selbständig zu machen. Ich hatte auch gleich Kunden, es hat auf Anhieb recht gut geklappt. Ich habe für die WU Projekte gemacht, aber auch für andere Kunden. Dann war ich mit meinem Freund in Sardinien auf Urlaub. Ich sitze im Auto und schaue auf LinkedIn und sehe: Bergwelten sucht RedakteurIn. […] Ich hab’ mich dort gleich nach dem Urlaub beworben. Sie haben mich eingeladen und mich genommen. Und ich dachte mir so: “Geil! Bester Job ever!” Ich bin gern draußen und gehe gern in die Berge. Außerdem haben die Texte eine gewisse Qualität, und ich habe eine Liebe für die Sprache. 

Wie beurteilst du als Journalistin die Österreichische Medienlandschaft? Und würdest du sagen, dass es wirklich “unabhängige Medien” gibt?

Zur zweiten Frage: Ja! Es gibt unabhängige Medien. Es ist natürlich die Frage, was “unabhängig” ist, weil alle müssen Geld verdienen. Aber ich glaube, dass es schon einige Medien gibt, wo Anzeigen und Journalismus getrennt sind und die Journalist*innen unabhängig und politisch unbeeinflusst arbeiten können. Also da gibt’s sicherlich genug. Es gibt auch sicher einige, wo das nicht passt, aber ich glaube, das ist dann meistens auch sehr offensichtlich. Und wie ich die österreichische Medienszene beurteile – ich bin da sehr kritisch, was das angeht. Ich finde, es gibt in Österreich ein bissl zu wenig die Kultur, dass man sich gegenseitig kritisiert, und zwar auf einer inhaltlichen Ebene und auf einer Forumsebene. Wenn kritisiert wird, dann auf einer persönlichen Ebene. Und ich finde, es werden oft Dinge beklatscht, die jetzt nicht so herausragend sind. Und ich verstehe schon, für den/die [durchschnittlichen] Medienkonsumenten/in ist das vielleicht jetzt nicht so dramatisch, aber ich denke mir oft: Es gäbe so ein Potenzial, Dinge zu machen- und zwar großartig zu machen, und dann kommt halt irgendwer und macht halt irgendwas, und alle sind so: “Ahhh, wie toll!” Es ist halt vermutlich deswegen, weil das Land sehr klein ist und man sich hierzulande besser Freunde macht, als sich keine Freunde zu machen – immerhin könnte man ja nächstes Jahr eventuell wieder was brauchen… Ich weiß es nicht genau, aber das ist irgendwie so mein Eindruck. Aber es entstehen, finde ich, auch gerade viele spannende Sachen. Die Stadt Wien hat ja einige neue Medienprojekte gefördert. Da entstehen coole Sachen und da bin ich gespannt, was da jetzt alles daherkommt. 

Da bin ich auch gespannt drauf! Du hast mir ja mal verraten, dass du voll gern mal ein Buch schreiben möchtest und das so ein Herzensprojekt von dir ist. Worüber würdest du gern schreiben? 

Ich habe so Themen, die mich sehr beschäftigen. Ich habe so eine Liste, wo ich immer wieder drauf schreibe, worüber ich gerne schreiben würde. Und was mich am meisten beschäftigt sind zwischenmenschliche Konflikte. Wo ich mich oft frage: “Warum kann man das nicht klären?!” Und nicht nur, wenn ich anderen zuschaue, sondern auch, wenn ich mich selber beobachte – in Konfliktsituationen, die ich bisher in meinem Leben hatte. Dass ich mir denke: “Da kommt man nicht zusammen, weil man einfach von ganz unterschiedlichen Welten kommt und von ganz unterschiedlichen Dingen ausgeht.” Und ich find das so faszinierend, warum man da einfach nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommt. Und ich glaub’, wenn ich einmal ein Buch schreibe, dann wird es sicher um sowas gehen. 

Aber wäre es Fiktion oder ein Sachbuch?

Nein Fiktion, auf jeden Fall!

Wir haben damals eh besprochen, dass bei Herzensprojekten die Selbstzweifel und die Versagensängste besonders groß sind, die einen zurückhalten, gell? 

Du ich glaube, ich habe fünf Bücher angefangen. “Bücher angefangen” – das klingt auch immer so großspurig, sagen wir fünf Texte angefangen. Ich schreibe dann drauf los, und manchmal komme ich in einen richtigen Rausch hinein und schreib und schreib. Aber dann bin ich irgendwann fertig, les’ mir das durch und denke mir: “Was für eine banale Scheiße!”

Aber du bist ja eigentlich eh immer am Schreiben und hast ja auch für 1 Thema 3 Texte super Sachen geschrieben. Findest du, dass das Buchschreiben dann doch so was anderes ist? 

Ich weiß nicht, wie ich dort hinkomme irgendwie. Ja, ich kann eine Kurzgeschichte zu einem zufälligen Thema schreiben. Aber ich weiß nicht, wie ich ein Buch schreiben soll. Ich fange an, und dann ist es für mich so überwältigend, dass ich es oft gleich wieder lasse. Und dann komme ich in so eine Spirale rein, wo ich mir denke: “Ja, was hast du eigentlich zu erzählen?” Weißt, weil es gibt Leute, die haben Erfahrungen in ihrem Leben gemacht – Todesfall in der Familie, Fluchterfahrung – keine Ahnung, was auch immer. Dagegen fühlt sich mein Leben banal an – ein Landkind, das in der Stadt gelandet ist – und jetzt soll sie eine Geschichte übers Leben erzählen? 

Aber du hast ja eine gute Fantasie und bist sehr wortgewandt und eloquent – das sind ja die Grundvoraussetzungen. Ich glaube nicht, dass jemand ein Kriegstrauma erlebt haben muss, damit er ein Buch schreiben darf. 

(lacht) Ich weiß es eh! Es ist so ein innerer Kampf in mir. Es gibt einige Dinge, die ich erlebt habe, die andere Leute nicht erlebt haben, die mir sicher auch einen eigenen Blickwinkel auf die Welt ermöglichen. Und das sage ich mir dann immer wieder. Und dann komme ich eh wieder rein. Aber es ist, wie wenn ich rausschwimmen würde, und die Strömung treibt mich immer wieder zurück. Aber ich bin überzeugt davon, dass ich schon einmal wirklich rausschwimmen werde im Meer. 

Auf jeden Fall! Ich denke mir nur gerade: Vielleicht liegt der Hund darin begraben, dass du dir denkst, du schreibst diesen Novel als Katharina Lehner und nicht als die Künstlerin. Du kannst dir ja völlig frei überlegen, wer du sein willst. 

Das ist ein spannender Gedanke, das stimmt. Über das muss ich nachdenken. 

Ich hab mich ja ein bissl mit dem Charles Bukowski beschäftigt. Auf seinem Grabstein steht “Don’t try.” und sein Credo war ja quasi, dass wenn man was nicht macht, sondern immer nur davon träumt, man es einfach (noch) nicht genug will. Würdest du dem zustimmen? Oder würdest du sagen, es ist tatsächlich die Angst, die dich zurückhält? 

Über das habe ich kürzlich nachgedacht, weil ich ein Interview mit einer Kabarettistin gesehen hab’ und die hat auch gesagt: “Wenn’s ums Schauspielen geht, muss das das Einzige sein, was man will und das Einzige, was man kann, weil sonst soll man was anderes machen.” Und ich würde dem wirklich vehement widersprechen, weil ich finde es blöd, zu sagen: “Das ist das Einzige, was ich kann, und daher mache ich das.” Nein! Ich entscheide mich, das zu machen. Und zu Bukowskis “Wenn ich’s nicht mach, will ich’s nicht genug” – ich glaub’ schon, dass ich’s sehr will. Ich weiß noch nicht genau, aus welchem Grund ich’s will. Will ich berühmt sein? Will ich ein Werk schaffen? Die Frage kann ich für mich noch nicht beantworten. Vielleicht muss ich die beantworten, bevor ich anfangen kann. Und ich glaube, dass man nicht alles, was man will, sofort machen muss. Und wenn man’s nicht sofort macht, will man’s nicht genug. Ich finde, das ist ein Gedanke, der einen sehr einschränkt und von dem will ich mich nicht einschränken lassen. Die Erfahrung eines anderen muss nicht meine Erfahrung sein. 

Absolut! Manches Mal braucht’s einfach eine gewisse Reife finde ich. Und es ist eine Journey, bis man irgendwohin kommt oder bis man sich dann drüber traut. 

Zum Beispiel das mit Bergwelten und meiner Erfahrung im Marketing zuvor – ich glaube nicht, dass ich mit Anfang 20 so eine Journalistin gewesen wäre, wie ich’s jetzt bin. Ich habe da meine Zeit gebraucht und ich habe auch diese anderen Erfahrungen gebraucht, damit ich da sein kann, wo ich jetzt bin. 

Und ich glaube auch, alles was man macht, befruchtet alles weitere, was man dann macht. 

Das glaube ich auch!

Man muss womöglich auch zuerst die Angst vor dem Urteil der anderen überwinden. 

Ja, das übe ich in letzter Zeit ein bissl. 

Was machst du da so?

Ich probiere mich auf Instagram seit ein paar Monaten aus. Früher habe ich mir oft gedacht, dass ich zu einem bestimmten Thema nichts zu sagen habe, oder dass andere viel mehr dazu zu sagen haben. Und in letzter Zeit teile ich öfters was – egal, ob das wer scheiße findet oder jemand glaubt, das wäre nicht “Aktivismus genug” oder “nicht die richtige feministische Perspektive”. 

Das finde ich super! Weil du ja immer wieder feministische Themen auf Instagram aufgreifst – gibt’s da aktuell ein Thema, das dir besonders auf der Brust brennt? 

Ich bin jetzt Anfang/Mitte 30 und da denkt man halt schon über das Thema nach: Will ich Kinder? Wie soll sich das gestalten? Und für mich ist das Private politisch und wenn ich mich für eine Familie mit Kindern entscheide, dann will ich, dass das eine gleichberechtigte Sache ist. Und was mich sehr beschäftigt ist, ob diese Vorstellungen an der Realität zerschellen. […] Viele sagen: “Da kommt dieses Baby auf die Welt und dann hat man solche Gefühle und auf einmal ist man Mutter!” Und ich denke mir: “Ja! Aber ich will auch ich sein.” Es ist jetzt nicht so, dass ich nächste Woche geplant habe, ein Kind zu kriegen, aber das ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt auf einer persönlichen Ebene. Und was aktuelle Themen in den feministischen Kreisen anbelangt- da beschäftigt mich, wie man miteinander umgeht und miteinander redet. Die Beatrice Frasl schreibt da sehr viel dazu, und das ist das, was mich auch schon länger ein bissl gejuckt hat. […] In der feministischen Bubble werden Leute teilweise sehr stark kritisiert, und zwar auch Leute, wo man sagt: Ja, die sind vielleicht schon eher auf der richtigen Seite. […] Und dann bin ich immer so ein bissl hin- und hergerissen, weil es gibt feministische Aktivistinnen in Österreich, die wirklich gute Sachen machen. Aber ich frage mich halt, ob man sich an dem Bashing gegen Einzelpersonen beteiligen muss, nur weil sie nicht ganz meiner Meinung sind. Das finde ich ein bissl hart ehrlich gesagt. […]

Insbesondere auf  Twitter geht’s ja ziemlich zu, was ich so mitgekriegt hab’. Das ist echt eine ganz eigene Plattform. 

Ja. Ich mache dort eigentlich nichts. Ich schaue nur manchmal rein und geh’ dann wieder raus, weil ich mir denke: “Wow…! Bei euren Äußerungen geht’s echt selten um die Sache, sondern mehr darum, dass ihr euch selber profiliert und euer Ego herzeigt.” 

Ja, wild! Letztens haben wir uns ja auch unterhalten über den Umgang zwischen Frauen und da hast du gemeint, dass die Feindseligkeit von Frauen gegenüber Frauen abnehmen würde, da immer mehr kapieren, dass alle einen Platz an der Sonne haben und niemand jemand anderen verdrängen muss. Was denkst du ist der Grund für diese Entwicklung?

Alles, was ich so sage, habe ich aus irgendwelchen Büchern – irgendwo gelesen oder gehört. Das habe ich halt gelesen, das ist halt eine Entwicklung. Früher war man halt als Frau eine Ausnahmeerscheinung – die einzige Frau in der Führungsetage, die einzige Frau in einem bestimmten Job, die einzige Frau im Musikbusiness,… Ich glaube, da hat es mehr Ellbogenmentalität gebraucht, weil vielleicht nur eine Frau geduldet war in dieser Umgebung. Und ich glaube, dadurch, dass Frauen immer mehr Zugang zu allen Bereichen der Gesellschaft haben (immer mehr, aber nicht genug!), muss man weniger gegeneinander arbeiten. Oftmals ist es ja auch von Männern belohnt worden, wenn man biestig gegenüber Frauen war, so im Sinne von “Also ich bin viel lieber mit Männern befreundet, Frauen sind mir viel zu zickig!” Ich glaube, das muss man nicht mehr so sagen. Man kann einfach sagen: “Ich bin eine Frau, ich bin mit Frauen genauso befreundet wie mit Männern. Ich bin kein “One-of-the-boys”-Girl.” Also ich glaube dadurch, dass wir als Frauen grundsätzlich mehr Platz haben, können wir mehr miteinander sein. 

Du hast jetzt mehr auf die Leistungskomponente und das Berufliche angespielt. Aber hast du nicht auch das Gefühl, dass trotzdem noch immer sehr viele Vergleiche im privaten Bereich stattfinden? Eben zum Beispiel so im Sinne von “Hey, ich habe eine super Familie!”, “Hey, ich habe den Vorzeigefreund!”, “Look at me! I got it all!”

In meinem Umfeld muss ich sagen nicht. Ich habe Freundinnen, die sehr unterstützend sind und wo man sich wirklich füreinander freut und wirklich zuhört, wenn wer Probleme hat und nicht, um sich besser zu fühlen, sondern wirklich, um zu helfen. Also da spüre ich schon einen starken Zusammenhalt. Ich mein’ ich weiß, dass es in Mamikreisen offenbar sehr hart zugeht – das habe ich auch schon gehört. Aber ich persönlich kann’s im Privaten nicht so beobachten. Und wenn ich mal mitbekomme, wie wer z.B. sagt: “Na die schaut ja aus…!?” sage ich auch immer was, weil ich das nicht mag. Bei Männern wie bei Frauen. Ich finde, wir brauchen nicht die Äußerlichkeiten von anderen kommentieren. Dieses Bewerten von anderen Menschen mag ich einfach nicht. 

Ist aber ein bissl unsere Gesellschaft, oder? Das wird zuweilen ja fast gepusht finde ich. 

War wahrscheinlich eh schon immer so. Wenn ich mir die ganzen Frauenzeitschriften anschaue von früher oder auch von heute. Da ist halt – zumindest in den “Star-Zeitschriften” schon ziemlich viel Urteil dabei. Ich weiß nicht, warum uns das so taugt. 

Aber hast du nicht auch das Gefühl, dass das Vergleichen und dieser Battle unter Frauen sich teilweise von der Optik auf die Meinung verlagert hat? Weil “ich bin die bessere Feministin von uns beiden” ist ja auch ein Vergleich. 

Ich glaube, es gibt halt unterschiedliche Kreise, in denen unterschiedliche Werte zählen. Es gibt halt Kreise, wo die Äußerlichkeiten mehr zählen und dann gibt’s Bubbles, wo die Meinungen mehr zählen. 

Weil du vorhin das Kinderthema angesprochen hast – spürst du diesbezüglich einen Druck von gesellschaftlicher Seite? Also dass du das Gefühl hast, du musst Kinder kriegen? Oder: Du bist nur eine “richtige Frau”, wenn du Kinder kriegst?

Also ich persönlich spüre den Druck nicht, aber ich kann’s schon verstehen, wenn das andere Leute spüren, weil ich glaub’ den Druck gibt’s schon. Gerade von Eltern oder wie mit dir in der Arbeit geredet wird. Ich glaube, den Druck, Kinder zu kriegen, gibt es, weil es halt immer noch als “das Normale” gilt. Und ich kann für mich natürlich auch nicht sagen, was bei mir jetzt gesellschaftliche Prägung ist und was mein persönlicher Wunsch ist. Ich glaube, das kann man einfach schwer auseinander dividieren. Ich habe das zum Beispiel sehr stark “ent-lernen” müssen, wo’s ums Thema Hochzeit ging. Ich habe damals mit meinem Freund geredet, ob wir heiraten oder nicht. Ich hatte sehr genaue Vorstellungen darüber, wie das ablaufen muss – vom Heiratsantrag bis zur Hochzeit – und bin bei ihm sehr an meine Grenzen gestoßen, weil er da eher [unkonventionell eingestellt war]. Wir haben oft darüber diskutiert und irgendwann bin ich zu der Einsicht gekommen: “Irgendwie habe ich das Gefühl, ich dränge da jetzt ein bissl oder ich will das mehr als er.” Und dann habe ich mich gleich selber zensiert und mir gedacht: “Ja, aber du kannst nicht die Frau sein, die den Mann in die Ehe drängt!” Und wenn er dann gesagt hat: “Wir können noch ein bissl warten”, habe ich immer geantwortet mit: “Ja, natürlich!” Weißt eh, da bist dann gern “unkompliziert”. Bis ich irgendwann an den Punkt gekommen bin, wo ich mir dachte: “Hey, ich lüge mich an und ich lüge ihn an. Warum eigentlich? Weil ich als die “coole Frau” dastehen will, die ja nicht den Mann in die Ehe zwingen will?” Und dann habe ich zu ihm gesagt: “Weißt du was, ich bin jetzt ehrlich zu dir. Ich will gern heiraten. Ich will, dass das auf jeden Fall in den nächsten ein, zwei Jahren passiert. Bist dabei, mach ma das?” Und dann haben wir uns nach mehreren Diskussionen und Gesprächen dafür entschieden. Die Leute haben mich oft gefragt: “Und, wie war der Antrag?” Und ich hab’ gesagt: “Du, es hat keinen Antrag gegeben. Wir sind auf der Couch gesessen und haben gesagt, wir machen das!” Und dann siehst du die Enttäuschung im Gesicht der Leute. “Aso, kein Verlobungsring…?” Da wird einem das dann nochmal bewusst, dass irgendwas, was man macht, nicht den Konventionen entspricht. Aber ich hab’ mich damit so gut gefühlt, weil ich mir überlegt hab’: Man trifft die Entscheidung, ob man umzieht, wo man wohnt, was man arbeitet – aber bei der Entscheidung, ob man heiratet, muss man auf den Mann warten, bis er mal draufkommt, dass er einen Antrag machen könnte. Das wollte ich nicht. 

Und aus welchem Grund war dir das Heiraten jetzt wirklich so wichtig? 

Ja diese Frage kann ich abschließend nicht beantworten. Ich glaube Mädchenträume auf der einen Seite – das Fest, das Kleid – es ist schon toll einfach. Und dann einfach, dass man die Liebe zeigen will. Also diese romantischen Aspekte, für die ich eigentlich weniger veranlagt bin. Aber dann auch: Das Commitment zueinander. Viele Leute würden das vielleicht nicht so sehen, aber für mich fühlt es sich schon anders an, verheiratet zu sein. Weil ich weiß, er ist jetzt mein Partner. Und ok, es kann auch auseinandergehen – da braucht man keinen Trauschein dafür – aber einfach das, dass beide sagen: “Wir verbringen jetzt unsere Zukunft gemeinsam.” Und es hat einfach Sachen geändert – wir haben dann einen Kredit aufgenommen, eine Wohnung gekauft. Ich weiß es nicht, aber es ist eine Mischung aus Wollen und Gesellschaft, glaube ich. 

Das ist spannend. Ich habe ja mitbekommen, dass du sehr viel liest – was war so das beste Buch, das du in letzter Zeit gelesen hast? 

Das Buch, das mich am meisten zum Nachdenken gebracht hat, war von Liv Strömquist “Der Ursprung der Liebe”. Da sind Denkansätze drin, über die ich in dieser Weise noch nie nachgedacht habe, und es war für mich teilweise mindblowing. […] Das Buch hat mir eine Freundin geschenkt, weil sie bei der Hochzeit die Karte “Schenk’ dem Hochzeitspaar ein Buch, das wichtig ist für eine gemeinsame Ehe” gezogen hat. Es geht in diesem Buch darum, seit wann es die Liebe gibt, innerhalb eines Beziehungsgefüges. Und wie verklärt das eigentlich ist. Und es ist witzig. Und es ist ein Comic. Es ist wirklich sehr unterhaltsam. […] Im Mittelalter, wo’s den Minnesang gegeben hat, haben Männer oft Frauen ihre Liebe bekundet und sie besungen. Aber nicht nur ihre Angebetete, sondern auch die Frau des Königs, zum Beispiel. Und da war Liebe nicht so wichtig, das war halt wurscht. Und heute ist unser ganzes Beziehungsleben auf Liebe ausgerichtet und auf Treue. Und Liv Strömquist schreibt: “Man kann quasi darüber nachdenken, dass wenn die Genitalien von deinem Partner gegen die Genitalien von jemand anderem stoßen, das the end of the fucking world sein muss.” (lacht) Ich finde das einfach witzig und es stimmt auch. 

Aber empfindest du das echt so, dass alles so um Liebe geht? Ich habe halt schon irgendwie das Gefühl, dass viel mehr Leute beziehungsunwillig oder – unfähig sind als früher.

Das kann ich schwer beantworten, das weiß ich nicht. Ich habe in meiner Dating-Zeit einige “interessante Begegnungen” mit Männern gehabt. (lacht) Aber da war ich vielleicht auch nicht so offen für eine Beziehung. Aber zur Liebe denke ich mir oft: Die Liebe macht uns in vielerlei Hinsicht oft so unglücklich und daher glaube ich, dass sie wirklich so eine große Rolle spielt. Das habe ich erlebt und auch Leute in meinem Bekanntenkreis – dass man mit jemandem zusammenbleibt, wo’s eigentlich nicht mehr passt. Aber man “liebt” die Person halt so. Und da frage ich mich halt “Ist es Liebe? Ist es Abhängigkeit?” Keine Ahnung. Es ist so offensichtlich, dass es nicht mehr passt, aber Achtung! Die Liebe muss bewahrt werden! Da können wir unglücklich sein, aber Hauptsache, es geht um die Liebe. 

Genau. Aber was, wenn das – eh wie du sagst – dann eben keine Liebe mehr ist, sondern eine komische, kranke Abhängigkeit? Und das ist ja auch voll tragisch – wenn Leute aus vermeintlicher Liebe zusammen bleiben und dahinvegetieren, und retrospektiv kommst dir drauf, dass es ein Schas im Wald war. 

Es entwickelt sich halt so-  von der Verliebtheit, dann ist man lange zusammen und irgendwann weiß man auch gar nicht mehr, was empfinde ich jetzt für die Person. Natürlich, da ist eine große Vertrautheit und man hat viel miteinander erlebt, und dann kommt einem halt in den Sinn “Ja, das ist vermutlich Liebe”, aber, wenn die Beziehung nicht gut ist, und ich nicht glücklich bin – was bringt mir dann die Liebe?

Hmm… Ich überlege gerade, ob wir noch einen letzten Satz brauchen? Irgendein tolles Statement? 

Mhm. Sowas wie: Lasst’s euch alle impfen? (lacht)