#freebritney

Was mich gerade beschäftigt: Die Causa Britney Spears. Britney wurde mir in letzter Zeit immer wieder von Instagram vorgeschlagen – ich habe sie nicht abonniert, aber hab’ mir sporadisch ihren Feed angeschaut. Anfangs dachte ich noch ok odd flex, was genau geht da ab?! Also ihre Posts liegen irgendwo an der Kreuzung zwischen Theater of the Absurd, expressionistischem Ausdruckstanz und GZSZ. Sehr schräg und eigentümlich, aber mei – why not? Aber als mir dann gestern wieder ein Post von ihr vorgeschlagen wurde, und ich mir die Caption durchlas, dachte ich mir: Nein. Also irgendwas stimmt da nicht. Diese Captions sind einfach so derart weird – das ist mir tatsächlich nicht mehr koscher. 

Look for yourself:

                

Ist das schräg? Ich finde schon.

Und auch wenn sie total manisch und überdreht wirkt in vielen ihrer Videos – ich finde, man merkt ihren underlying pain. Der Frau geht’s mit Sicherheit nicht gut.

Ich habe mir daraufhin etliche Dokus auf YouTube über sie angesehen, und mir auch auf TikTok Videos mit dem Hashtag #helpbritney angeschaut. Da kommen krasse Hypothesen auf. So sollen Fans unter Videos von ihr geschrieben haben, Britney solle im nächsten Video etwas Gelbes / Grünes anziehen / sich im Kreis drehen / Blumen zeigen, wenn sie „in danger“ wäre oder Hilfe brauchen würde, und sie habe diese Instruktionen immer umgehend befolgt. Ich hab da jetzt nicht nachgeforscht, aber wenn das stimmt, ist das schon ziemlich creepy. 

Das „freebritney“-Movement, das Fans nach der Übernahme der Vormundschaft, zuerst durch ihren Vater, seit 2019 dann durch Jodi Montgomery, ins Leben gerufen haben, ist mittlerweile seit 12 Jahren im Umlauf. Die Vormundschaft, die üblicherweise bei geistigen Einschränkungen, wie beispielsweise Demenz, angeordnet werden kann, sieht vor, dass Britney beispielsweise nicht selbstständig über ihr Vermögen walten kann, nicht selber über ihre Einnahme an Medikamenten entscheiden darf und angeblich sogar ihr Handy kontrolliert wird. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Einschränkungen für eine 38-jährige Frau nicht nur erniedrigend und entwürdigend, sondern auch richtiggehend traumatisierend sind. Zumal Britney Spears eben nicht dement ist. 2012 wurde sie von Simon Cowell als Jurorin bei X-Factor angeworben – das hat man ihr trotz ihrer angeblichen geistigen Umnachtung dann doch zugetraut. Allerhand. 

Vielleicht auch noch ganz spannend: 2018 betrafen Britneys Hauptausgaben die „legal and conservator fees“, die sich mit über $1,1 Mio. zu Buche schlugen. Ihr Vater hat sich davon $128.000 eingestreift. Du eh. Warum ned, goi? Gleichzeitig wurde auch veröffentlicht, dass sie in diesem Jahr sagenumwobene 80 Mal beim Target einkaufen war. Headline! Mega! Hallo wie krank ist das, sowas überhaupt aufzuzeichnen, geschweige denn zu publizieren? Und wenn sie 300 Mal gegangen wäre – kann die guade Frau bitte einkaufen gehen, so oft sie will? Aber ja, man sieht einfach, in welchem Glashaus sie sitzt. Jeder Schritt wird überwacht, dokumentiert und veröffentlicht. Es muss echt ein scheiß Leben sein. 

Britney wird also mittlerweile schon seit 12 Jahren bevormundet. Darf sie eigentlich je wieder selber entscheiden, ob sie Auto fahren, selber Einkaufen gehen oder noch ein Kind bekommen darf? Oder ist der Zug ein für alle Mal abgefahren? Weil ich glaube, wenn dem so ist, dann ist man als nicht-dementer Mensch, der nicht mit Psychopharmaka stillgelegt und willenlos gemacht wird, angesichts dieser angeordneten Hilflosigkeit gleichermaßen resigniert und tobsüchtig. 

Britney Spears ist meiner Meinung nach stärker als die meisten von uns zusammen. Hat sich schon mal jemand überlegt, welchem Druck diese Frau standhalten musste am Zenith ihrer Popkarriere, als man sie als nicht mal 20-Jährige durch den Fleischwolf der Musikindustrie gejagt hat und dann doch als ganzes Steak auf der Bühne sehen wollte? (Liefer’ gefälligst ab, du geiles Objekt!) Als sie von den Paparazzi Tag und Nacht belagert und eingezäunt wurde – bye bye Intimsphäre! Ich muss sagen, ich finde ihre Regenschirmaktion 2007 nicht krank und irre, sondern völlig nachvollziehbar und normal. Wenn du ständig Übergriffen durch Fremde ausgesetzt bist, die deine Intimsphäre missachten und wie die Aasgeier nur darauf warten, dass sie dich wieder fressen können, sobald du auch nur den kleinsten Fehler machst, na irgendwann zuckst du aus, hallo!?! 

Ziemlich geil find’ ich eigentlich auch ihre „Apology“ zu diesem Vorfall, die sie damals auf ihrer Website gepostet hatte: 

I was preparing my character for a roll (sic) in a movie where the husband never plays his part so they switch places accidentally. I take all my rolls (sic) very seriously and got a little carried away. Unfortunately I didn’t get the part.

Genial, oder? Angesichts des damals stattfindenden Sorgerechtsstreits mit Kevin Federline kann man da möglicherweise die ein oder andere Interpretation für sich ableiten. Denn obwohl Britney Spears immer als das blonde, dauergrinsende Püppchen mit dem IQ eines Wasserfalls vermarktet wurde, ist sie mit Sicherheit nicht blöd. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass sie ihre Instagram-Captions – sollte sie diese selber schreiben – absichtlich deppad hält. So als passiv-aggressives Statement: „Ihr wollt mich dumm und hilflos?! OK, you can have it: EAT THIS!“ 

Die Beziehung zwischen Fans und ihrem Star ist überhaupt etwas sehr Merkwürdiges und Entfremdetes. In der großartigen Dokumentation „Britney Spears- An Icon Ruined By Fame“ vergleicht Sammy Lazarus das Schicksal Britney Spears mit dem Princess Dianas. Und er bringt den Fame-Cycle ziemlich akkurat auf den Punkt: 

It’s what we do: We raise a humble human to the status of God, then smash them down again – just to prove that they’re mortal. In our secular society, we fill our godless gap with celebrity and we take pleasure in cheering on the underdog until they’re not the underdog anymore. Then we destroy them. 

Schon spannend, oder? Ich mein’, was da psychologisch alles abgeht… Zuerst einmal muss der Star in seinen Anfängen total relatable sein. Jemand aus bescheidenen Verhältnissen, der sich durch unermüdliches, knochenhartes Schuften, Ausdauer und Fleiß nach oben gearbeitet hat. Weil nur dann hat er’s überhaupt verdient! Man denke an Lana del Rey oder auch Left Boy, denen ihr wohlhabendes Elternhaus immer wieder zum Vorwurf gemacht wurde/wird. Wo ich mir immer die Frage stelle: Was zum Henker hat das mit ihrer Kunst zu tun?!! Kann man die eventuell einfach unabhängig davon betrachten und gelten lassen? Aber so eine echte Heldenstory muss halt ganz unten anfangen. Und ganz unten heißt immer finanziell ganz unten. Wehe, irgendwer hat mehr als ich! Dann kann ich ihn nämlich nicht als Projektionsfläche missbrauchen. Also schon, aber nur für meinen Hate halt. Anders ist’s aber besser, weil dann kann ich mich wirklich identifizieren. Dann wird mir suggeriert, dass ich das ja eigentlich auch schaffen kann, wenn ich will. So. Dann hype ich diese Person so sehr, und kreiere um ihre Kunst herum eine gottesähnliche Aura, bete den neugeborenen Star an und sehe zu ihm/ihr auf. Wow! So möchte ich sein. Genau so! Irgendwann komme ich dann drauf, scheiße, irgendwie wird das mit meinem Stardom halt trotzdem nichts, auch wenn ich versuche, diese gottesgleiche Figur in jeglicher Hinsicht zu emulieren. Und dann kickt der Neid rein. Und die Schadenfreude, wenn der künstlich erschaffene Gott schließlich scheitert, dem Druck nicht mehr standhält, Fehler macht, Scheiße baut, versagt, unter der Illusion der Perfektion zusammenbricht. Geil! Doch nicht besser gewesen als ich. Das passt. 

Wie krank dieser ganze Celebrity – Kult eigentlich ist! Und meiner Beobachtung nach kommt Frauen im Fame-Biz eine besondere Stellung zu. Sie werden weitaus stärker fetischisiert und objektifiziert als ihre männlichen Kollegen. Während bei Männern in der Regel der Erfolg ausreicht, kommt bei Frauen nämlich auch noch die Fixierung auf ihr Äußeres und ihre Jugend hinzu. „Nein, das ist bei Männern genauso!“ höre ich jetzt den ein oder anderen sagen. Kann dich beruhigen: Mit Sicherheit nicht! Ich habe noch keinen Typen getroffen, der mir erklärt hat, er möchte wie Kanye West oder Travis Scott aussehen. Dem gegenüber quillt Instagram förmlich über mit Kylie oder Kendall Wannabe-Lookalikes. Und du musst noch nicht einmal dem Jenner-Kardashian-Clan angehören. Man kann sich beispielsweise auch einfach nur mal Dariadarias Instagram anschauen: Unter jedem einzelnen ihrer Posts tummeln sich eifrige Fäääääns, die sie fragen, wo sie denn „diese schöne Bluse“ her hat, oder „diese tolle Sonnenbrille“, oder wo sie denn die schicke Kommode, den genialen Spiegel und das schneidige Buttermesser gekauft hat, die/der/das letztens in ihrer Story vorkam. Facepalm hoch 249! Leute!!! Habt ihr eine eigene Persönlichkeit? Einen eigenen Stil? Ein eigenes Leben? Mit eigenen Zielen? Eine eigene Meinung? Oder was wird das, wenn’s fertig ist? Ich mein… 

Ich für meinen Teil würde sowas sofort unterbinden. Du willst ja keine Lemminge um dich herum scharen, sondern Individuen. Aber ja- EGAL! Jedenfalls kommt Frauen eine sehr besondere Rolle in diesem ganzen Promizirkus zu, die sich sehr an der Optik speist. Sammy Lazarus hat das folgendermaßen zusammengefasst: 

Whilst I was researching for this video, I noticed that there is a particular narrative that plays out with women of great celebrity. There are certain roles that we as a society force high-profile females to inhabit. Firstly, we buy into them as this „young maiden“ – you know, the virginal sweetheart that captures the public imagination. And then, when they stray away from that image of innocence, they become the whore. This is when all criticism and mockery becomes fair game. And after that – when the punishment goes too far they reach their final role as the angel. They gain icon-status – often as a symbol of suffering, that lives on glorified in our memories. 

Dann zeigt er Bilder von Lady Di, Amy Winehouse, Whitney Houston. Und deren Tod. (Marilyn Monroe hätte man auch noch in die Riege einreihen können.) „Muss ich denn sterben, um zu leben?“ Das haben sich vermutlich einige „fallen stars“ schon gedacht. Inklusive eben Falco, bei dem das ja auch im Endeffekt genauso war. Nationalheld Österreichs. Wie stolz sind wir auf ihn. Und wie gelyncht ist er aber noch zeit seines Lebens geworden. Egal, über das reden wir jetzt nicht mehr. Schnee von gestern.

Man muss für diesen Gott-Aas-Angel-Trope nicht unbedingt eine Frau sein. Ich glaube, was diese Celebrities (und da würde ich Britney jetzt auch dazuzählen) eint, ist, dass sie erstens sehr speziell, zweitens sehr gebend und drittens Einzelgänger waren. My loneliness is killing me. Ich glaube, das würde jeder der oben genannten Stars unterschreiben. 

2007 zu ihrem Unterschied zwischen ihr und Britney Spears befragt, sagt Beyonce: 

Well, I mean, people handle different things differently. And thank God, I’ve been, you know, surrounded by honesty. And thank God I’ve chosen to be still around people that I trust. And it’s really difficult when you are a celebrity to know the difference. 

Ich glaube, das ist wirklich ein springender Punkt: Die richtigen Leute um sich zu haben. Menschen, die einem Gutes wollen, und nicht in Schadenfreude aufgehen oder sogar noch Profit daraus ziehen, wenn man „versagt“. Finde die mal. (#bucketofcrabs) Integrität, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sind unfassbar rar gesät, während du Neid, Gier und Opportunismus an jeder Straßenecke findest. Wie Oprah Winfrey in einer ihrer legendären Reden einmal sagte: Als das erste Mal ihr Einkommen veröffentlicht wurde, meldeten sich auf einen Schlag eine Myriade an „friends and cousins“, von denen sie gar nicht wusste, dass sie überhaupt existierten. Die Welt ist schon verrückt. Wie alles einfach immer um Geld geht. Und um noch mehr Geld. Und um immer noch mehr Geld. Und nur noch ums Geld. Die Wirtschaft retten, nicht den Planeten retten. Die Arbeitskräfte, und nicht die Menschen. Wie wir uns alle in diesem kapitalistischen System versklaven lassen und degenerieren. Es ist schon richtig abgefuckt. 

In our secular society, we fill our godless gap with celebrity… 

Schon gestört eigentlich, oder? Dieser ganze kranke Fame-Cycle, dieses Vergötzen und anschließende Entwerten und Vernichten. Brauchen wir das wirklich?

Ich für meinen Teil komme einfach immer und immer wieder zum selben Schluss: Man muss einfach unbeirrt seinen Weg gehen. Sein Ding machen. Sich selbst glücklich machen. Ohne sich ständig mit links, rechts, oben, unten, vor mir, hinter mir, vis-a-vis zu vergleichen – auch wenn uns das ständig eingeflößt wird. Dann bedarf es nämlich auch keines externen und künstlich erschaffenen Gottes mehr, zu dem man eine entfremdete Hassliebe entwickelt, sondern dann findet man ihn/sie in sich selber. Dann kann ich Dinge, die wer anderer macht, für gut befinden und sie neidlos anerkennen ohne sie zu fetischisieren. Dann kann ich Menschen (und mich selbst!) als Subjekt(e) begreifen, ohne sie (mich) zu objektifizieren. Dann kann ich in Nuancen denken anstatt in Extremen. Dann kann ein Künstler Kunst schaffen, ohne als Produkt verkauft und ausgeschlachtet werden zu müssen. Dann kann man (anders) sein, und dazu stehen.

#freebritney