Elena Wolff

Elena Wolff ist wahrlich eine Erscheinung. Sie ist groß, wunderschön, bubbly und strahlt eine Mischung aus Offenheit, Eleganz und Intensität aus. Ich habe sie vor circa einem Monat auf TikTok “entdeckt”, und war sofort Feuer und Flamme für diese großartige Künstlerin*. Sie macht so derart lustigen Content, allerdings nicht Kategorie “Billiger Oberflächenklamauk”, sondern sie bietet tiefgründige und originelle Unterhaltung. Gesellschaftskritik in humoristische Häppchen aufbereitet und für jeden gut verdaulich. Schon sehr geil! Zumal man ja in Zeiten wie diesen über wirklichen jeden Lacher froh ist. Elena ist aber nicht nur beliebte TikToker*in, sondern sie ist auch ausgebildete Schauspieler*in und aufstrebende Kabarettist*in. Außerdem hat sie gemeinsam mit einer Freundin gerade ihren ersten eigenen Film umgesetzt, wo sie für Skript, eine der Hauptrollen und die Regie verantwortlich zeichnet. Also kurzum kann man sagen: Elena macht Sachen. Sie sitzt nicht auf der Wartebank und wartet auf Godot oder sonst wen. Wenn, dann spielt sie Godot. Einfach, weil man sich seine Rollen am besten selber aussucht und weil das Leben aus gelebter Performanz besteht. Was soll man da blöd in der Gegend herumwarten? Eben! 

Ich habe Elena vor ihrer Premiere von APOKALYPSE Frau* Anfang Oktober auf meiner gemütlichen Couch zu einem kleinen Kaffeeplausch getroffen:  

Du hast ja große Premiere nächste Woche mit APOKALYPSE Frau*. Was erwartet das Publikum in diesem Programm? 

Es ist eine Art Querschnitt durch mein Leben, mein künstlerisches Schaffen, anhand dessen ich aber auch soziokulturelle Dinge benenne. Also ich versuche, anhand meines Lebens ein Exempel zu statuieren, beziehungsweise selbstironisch über eine weiß-privilegierte, mitteleuropäische Existenz zu sprechen, dann aber gleichzeitig auch zu reflektieren, auf welche Art und Weise ich vielleicht Benachteiligung erfahren hab’. Und was mir ganz, ganz wichtig ist, ist, ein Publikum zu bedienen, für das es aktuell glaube ich niemanden gibt in Österreich. Ich möchte vor allem ein junges Publikum, ein queeres Publikum [ansprechen]. Ich will, dass sich diese Menschen gesehen fühlen. Ich möchte auch sehr gerne ein weibliches Publikum. Ich find’s so interessant, dass man sagt “Die macht Comedy für Frauen” oder “Das ist ein Film für Frauen”. 

Hast du das schon gehört?

Nicht so direkt in Bezug auf mich, aber generell. Und das finde ich furchtbar, weil das klingt immer, als wäre das was Schlechtes. Es klingt, als wären Frauen nicht dazu imstande, Geschmack zu haben, als wäre das automatisch banal und oberflächlich. Da denk’ ich mir so: “Hallo, jede Frau ist wahrscheinlich ein tief traumatisierter Mensch, der irgendwie die größten Widerstände erleben musste und trotzdem strived!” Wenn die Menschen gut finden, was ich sage, dann ist das eigentlich das Ziel. 

Du hast ja Schauspiel in Linz studiert und hast einmal in einem Auftritt gesagt, du warst “zu begabt fürs Reinhardt Seminar”. Wie stehst du persönlich zu dieser Ausbildungsstätte? 

(lacht) Ahm. Ich glaube jetzt ganz allgemein, dass es bissl schade ist, dass halt im künstlerischen Bereich, und vor allem im schauspielerischen Bereich, wahnsinnig hierarchisch gedacht wird und dass eine Abstufung getroffen wird im Sinne von: “Diese Menschen sind qualitativ hochwertig” – “diese Menschen können nichts”… Im Endeffekt sitzen wir aber alle im selben Boot. Gerade nach dem Abschluss wird das immer deutlicher. Und da muss man diese Unterscheidungen eigentlich nicht mehr treffen. Ich fand’s einfach schade, das Wissen – obwohl ich in Linz mit sehr qualifizierten Dozierenden zu tun hab’, sind meine Chancen danach einfach anders. Einfach weil du natürlich nicht die gleichen Connections hast, weil du nicht von den gleichen Menschen gesehen wirst. Und ich weiß aber von mir selber, dass ich in meiner Ausbildung sehr gewachsen bin als Künstlerin und meine gesamte Eigenständigkeit auch dem zu verdanken hab. Ich kann mich zum Reinhardt Seminar ergo gar nicht äußern. Ich glaube, es wird überall nur mit Wasser gekocht. […]

Du hast eh gerade schon gesagt, dass das Schauspielstudium wichtig war für dich. Inwiefern hat es dich auch auf den Beruf der Kabarettistin* vorbereitet? 

Ich war anfangs wahnsinnig gehemmt. Ich glaube, ich hatte früher noch sehr stark in mir Konzepte von Weiblichkeit verankert, die ich einerseits abgelehnt habe, aber denen ich andererseits versucht habe, zu entsprechen, weil ich mir dachte, das wird irgendwie von mir erwartet oder verlangt. Ich hatte sehr lange ein negatives Frauenbild. Ich war mir auch nicht ganz im Klaren über meine eigene Sexualität. Und ich habe früher immer versucht, dem zu entsprechen, was andere mir vorgelebt haben. “Das ist ein gutes Leben”, “das ist gute Kunst” oder “so sollte man sich kleiden, um interessant zu sein”. Und ich kam dann an diese Uni und das wurde alles erst einmal von mir abgeschält und hinterfragt. Ich habe das Gefühl, mich einfach kennengelernt zu haben. Ich habe jetzt ein intaktes Selbstbild. Ich glaube auch ein realistisches. Und das erlaubt mir, in einem Ausmaß glaubhaft zu sein, in dem ich es früher nicht war. Ich habe einfach kapiert, dass meine Identität permanent im Wandel ist. Dass es sowas wie ein “Fixum von Authentizität” für mich nicht gibt. Und das hab ich einfach jetzt anerkannt. Ich betrachte inzwischen alles als Performance. Mein Geschlecht ist Performance. Und das macht mir das viel leichter. Ich glaube, dass Leute inzwischen das empfinden, was ich immer wollte, und das mir lange gefehlt hat – auch bei den Vorsprechen. Die Leute schauen mich an auf der Bühne und verstehen diesen Menschen. Davor war ich sehr schwammig. Ich bin inzwischen viel spezifischer, glaube ich. 

Wie genau sind die im Studium vorgegangen, dass du diese ganzen Fremdbilder und Klischees von dir abschälen konntest? 

Ich habe erwartet, dass das alles im schauspielerischen Unterricht passiert. Tatsächlich ist aber sehr viel im Sprechunterricht passiert und im Bewegungsunterricht. Mir wurde relativ schnell z.B. gesagt, dass ich nicht richtig auftrete, dass ich meine gesamte Ferse nicht benutze, dass ich so ein bissl “tippel”. Und das war, weil mir immer gesagt wurde, dass ich so schwer bin, oder dass ich so stampfe. Und mein Stimmsitz war früher [viel höher] und ich glaube, das war, um diese Weiblichkeit, die ich nie wirklich empfunden habe, zu behaupten – aus Angst, was das heißen würde, wenn die Leute “mir draufkommen”, dass ich keine Frau bin quasi. Das hat sich verändert. Mein ganzer Stimmsitz hat sich vertieft. Und dann wirst du halt einfach mit so viel Unsicherheit, so vielen Ängsten, Gefühlen und Unzulänglichkeiten konfrontiert und du musst das irgendwie durchstehen. Du musst auch durchstehen, dass du permanent Feedback bekommst – zu allem, was du bist. Und du wirst ja nicht nur als Instrument betrachtet, sondern schon auch als Mensch. Du arbeitest sehr intensiv – auf 6 Studierende pro Jahrgang kommen dann 15-20 Dozierende. Also da ist eine sehr enge Zusammenarbeit. Und die kennen dich dann natürlich. […] Es ist auch viel durch Spiel und Freude und Leichtigkeit passiert. Und das ist dann so ein Prozess, der sich irgendwann verselbständigt.

 Glaubst du, dass Schauspieler sich besser kennen als Büroangestellte?

Nein! Das würde ich so überhaupt nicht pauschalisieren. Ich glaub’, dass sich jeder Mensch mit sich selber auseinandersetzen muss. Wenn du jetzt als Schauspieler z.B. immer denkst: “Was macht mich anstellenswert?” “Was macht mich faszinierend?” “Wie entspreche ich dem, was man sich unter einem Schauspieler vorstellt?” sind das oft Menschen, die sich weniger kennen. Ich glaube, dass die Gefahr bei einem Schauspielstudium ist, dass man sich so extrem viel mit sich selbst auseinandersetzt, dass man so bissl vergisst, dass es da eine ganze Welt außerhalb von einem selbst gibt, und andere Menschen. Und da man als Schauspieler immer suggeriert bekommt, dass es so wenig Möglichkeit gibt, fängt man relativ schnell an, opportunistisch zu werden. Also zu denken: “Welcher Mensch hat einen Nutzen für mich und wer nicht?” Das empfinde ich manchmal als Problem. Da muss man dagegen vorgehen, auch in sich selber. Ich hab’ mir das wirklich abtrainieren müssen. Mittlerweile begegne ich allen mit der gleichen Offenheit und dem gleichen aufrichtigen Interesse, egal, was sie machen. Wahrscheinlich ist die Büroangestellte oft viel reflektierter, weil sie sich mehr mit der Welt auseinandersetzt als ein Schauspieler. Man ist im Theater vor allem in so einem Mikrokosmos, wo es ein gemeinsames Einverständnis gibt, dass innerhalb dieser sieben Wochen Probenzeit dieses Theaterstück das Zentrum des Universums ist. Und das ist ja auch die Voraussetzung, weil im Endeffekt sind wir erwachsene Menschen, die auf der Bühne herumturnen und so tun, als wären wir was anderes. Das muss man in dem Ausmaß auch ernst nehmen. Aber darüberhinaus verliert man oft bissl den Blick fürs Wesentlichere. 

Wie bist du vom Schauspiel zum Kabarett gekommen? Hast du das schon in der Schauspielausbildung gemerkt, dass das was ist, was dir liegt, wo du ein Talent hast und was dir Spaß macht?

Erstaunlicherweise habe ich am Theater hauptsächlich schwere Rollen gespielt – tendenziell immer sehr tragische oder melancholische Figuren und hatte dann irgendwie so dieses Parallelleben als Poetry Slammerin, wo ich vor allem Spaß an satirischen Texten hatte. Das war dann so meine Nische, die ich am liebsten bedient habe, womit ich dann auch die meisten Erfolge hatte. Und ich glaube, durch dieses Schreiben wurde mir dann bewusst, dass es funktioniert, satirisch zu schreiben. Dieses Lustigsein generell. Ich hab’ halt Steffi Sargnagel wahnsinnig bewundert, die war auch so meine Motivation. […] Dass ich wirklich Kabarett mach’, war ganz lang für mich nicht vorstellbar. Mir wurde das öfter nahegelegt, aber ich konnte mir das nicht vorstellen. Ich wusste auch nicht, ob ich lustig sein kann, wenn ich mich nicht dieser Stabreimform bediene. Und dann hat sich aber für mich im Laufe der Studienzeit so eine Frustration entwickelt, wo ich das Gefühl hatte, meine Gedanken, meine Werte, meine Fantasie, das, was mir inhaltlich wichtig ist, kommt im Theater wenig bis kaum zur Geltung, weil du im Endeffekt jemand bist, der sich zur Verfügung stellt für die kreative Vision eines anderen Menschen. Ich habe auch gemerkt, es füllt mich nicht in dem Ausmaß aus, wie ich das erhofft hatte. Und dann hab’ ich mir einen Ausgleich gesucht. Ich wollt’ einfach die hundertprozentige kreative Verantwortung haben. Ich wollte, dass mir niemand dreinredet. Ich wollte, dass mir niemand sagt, wie ich was zu sagen habe. Und ich wollte vor allem die Dinge ansprechen, die mir politisch wichtig sind. So ist das irgendwie entstanden. Und inzwischen ist es mir teilweise schon wieder zu viel Verantwortung und dann sehne ich mich wieder nach dem Theater. 

Zu viel Verantwortung mit der Entwicklung des Ganzen? 

Ja Kabarett ist halt einfach auch das Gefühl: Ich stell’ mich jetzt auf eine Bühne und zwinge Menschen, die Geld dafür bezahlt haben, mir zuzuhören. Das erfordert schon ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung, das ich halt versuche, zu kultivieren. Ich denk’ mir immer so, ich kenn’ so viele mittelmäßige bis unfähige weiße Männer, die sich diesen Raum einnehmen, und die wie Luke Mockridge damit Hallen füllen. Wo ich mir denke: “Du kannst nichts, Mann!” Und das ist so das, was ich versuche, für mich zu kultivieren. Ich find’ mich nicht besonders gut, aber ich find einfach genug Leute schlechter als mich. 

Ich find’ dich extrem gut!

Thank you. Das freut mich sehr.

Es ist ja nicht so, dass die Leute gezwungen werden, sondern die wollen ja freiwillig zu dir. 

Ja das stimmt. Aber ich weiß halt nicht, ob ich die Erwartungen erfüllen kann. Das ist immer bissl so das Ding. 

Aber was wäre die Erwartung? Was ist für dich ein gelungener Kabarettabend? 

Dass ich wahnsinnig lustig bin, wahnsinnig klug und ganz eigene Gedanken hab’, ganz tolle Denkanstöße liefere und dass es total weltbewegend ist und die Menschen komplett grundverändert den Raum verlassen. Und das wird halt nicht passieren. 

Naja das würd’ ich nicht sagen…Es ist ja unter einem YouTube-Video von dir gestanden: “Elena Wolff ist eine tolle Frau. Sie ist schräg, kreativ und originell.” Hab’ ich mir gedacht, das ist eine coole Beschreibung. 

Das war sehr lieb. Es gibt aber auch einen anderen Auftritt, wo ich komplett zerrissen werd’. Im deutschen Fernsehen. “Wegen der Österreicherin habe ich abgedreht. Sie ist weder provokant noch irgendwas anderes.” Wo ich mir denk’: “Oke, aber wenn ich nicht provokant bin, warum glaubst du dann, dass ich’s sein will?” 

Ja. Offenbar hast ihn so getriggert, dass er sich zu einem Kommentar hat hinreißen lassen… 

Geht mir immer ein bissl nah. Aber dann denk’ ich mir auch wieder so: “Stell du dich halt auf die Bühne, Manfred! Bin mir ziemlich sicher, dass ich wirklich kein einziges Mal lachen werd…”

Ja eben. Ich denk’ mir das auch immer bei der Kritik: Kritik ist ja gut und schön, aber dann mach’s bitte besser! Weil ich kann schnell mal sagen: “Scheiße, bäh!”

Ja vor allem “Scheiße!” Ich bin dann oft versucht, drunterzuschreiben: “Okay, Manfred, danke, dass du mir die Wahrheit gesagt hast. Ich ignorier’ jetzt alle positiven Stimmen, die ich je gehört hab’ und beende jetzt hiermit meine Karriere. Ist das das, was du hören willst? Sorry, ich verdien’ leider mein Geld so. Ist ja schade, dass du das nicht magst.” Aber ich frag mich, was man damit erreichen will. Will er, dass ich mich schlecht fühl’ oder will er, dass mich der Sender nicht mehr anstellt? Oder denkt er gar nicht soweit? Denkt er gar nicht, dass ich das zu Gesicht bekomm’?

Ich hab’ mir das schon so oft überlegt: Was motiviert einen dazu, unter künstlerische Darbietungen jedweder Art Negatives drunterzukommentieren? Das wär’ mir noch nie eingefallen. 

Ganz eigenartig! Ich find’ auch sehr viel schlecht, aber bevor ich wirklich Zeit meines Tages darin investier’, das jemand anderem mitzuteilen und dieser Person Schmerzen zuzufügen… 

Dann schreib ich halt nichts so. 

Ja, aber nichtsdestotrotz spiele ich trotzdem sehr gerne jetzt Theater und drehe gerne, weil ich merke: Die richtigen Leute kommen auf mich zu. Dadurch, dass sie durch mein Kabarett wissen, wofür ich steh’, komm’ ich gar nicht jetzt in die Bredouille, mit Leuten zu arbeiten, die Dinge erzählen, hinter denen ich nicht stehen würde.

Also das funktioniert gut und greift gut ineinander? 

Es greift extrem gut ineinander. Das hätt’ ich gar nicht so gedacht. Ich glaub’, ich hätt’ das gar nicht so strategisch planen können, wie das jetzt letztendlich funktioniert. Also ich krieg’ Rollen dadurch. Weil mich Leute dadurch kennen. Und tatsächlich Rollen, die jetzt nichts mit Comedy zu tun haben. 

Also was sind jetzt so Theaterprojekte oder Schauspielprojekte, die grad aktuell bei dir am Laufen sind? 

Also ab Jänner probe ich eben wieder im Kosmos-Theater “Mit freundlichen Grüßen eure Pandora”, was ich liebe. Das ist ein ganz, ganz, ganz tolles Stück und tolle Arbeit. Superfeministisch. Nur Frauen und non-binary people. […] Und ich hab’ grad meinen eigenen Langspielfilm gedreht mit meiner besten Freundin. Der ist jetzt gerade in der Postproduction. 

Deinen eigenen? Den hast du konzipiert? 

Ich hab’ ihn geschrieben, Regie geführt und eine der Hauptrollen gespielt mit der Freundin. Sie hat die Produktion gemacht und den Schnitt. 

Wo sieht man den? 

Noch nirgends. Der ist jetzt gerade beim Schnitt. Ich war jetzt gerade vier Tage in Berlin, um den zu schneiden. Ich bin jetzt sehr glücklich. Er ist jetzt in der Postproduction – Sound editing, Feinschnitt, Musik. Und dann hoffen wir, dass er auf Festivals läuft und dann irgendwann eine Kinoauswertung bekommt. Wir haben das halt mit unseren Mitteln gemacht. Wir haben ein Crowdfunding gestartet, haben selber relativ viel reingesteckt. […] Aber es war eine schöne Arbeit und darüber bin ich sehr glücklich. Ich find’, der Film hat auch so meine Handschrift – also diese Mischung aus Tragik, Komik und Selbstironie. 

Worum geht’s in dem Film? 

Es geht um ein queeres Paar, das von einer queeren Dokumentarfilmerin festgehalten wird. Die besucht die beiden in dem Haus, in dem sie sich zurückgezogen haben und wird dann immer mehr in den Sog der beiden reingezogen, bis sie irgendwann Teil dieser Beziehung wird und Zeugin dessen, wie diese immer mehr auseinanderbricht. Wir haben das so mockumentarymäßig gedreht – es wirkt halt tatsächlich alles wie eine Dokumentation – es ist ein naturalistischer Spielstil, es ist viel improvisiert, viele lange Takes. Wir haben so gut wie nie mit mehreren Einstellungen gearbeitet, weil das kannst du nicht als Dokumentarfilmerin – da hast du jeden Moment einmal. Und durch dieses Zusammenleben zu dritt gerät halt immer mehr an die Oberfläche. Diese Intersektionen zwischen Beziehung und Trauma haben mich sehr interessiert, weil ich das selber erlebt hab’. Eben wie wir aufgewachsen sind, wie wir Liebe erfahren haben, wie wir Beziehungsmuster leben und wie sich das aufeinander auswirkt. Und ich fand das interessant in der queeren Beziehung, weil ich das Gefühl hab’ – es wird entweder dämonisiert – es muss dann immer irgendwer sterben am Ende- oder es wird komplett romantisiert. Ich wollt’ einfach eine komplexe Beziehungsdynamik zeigen zwischen zwei Menschen, who also happen to be gay. Und es waren viele queere Menschen involviert und meine Figur ist nichtbinär, so wie ich, was irgendwie auch spannend war, weil ich glaube, so jemanden gibt’s in Österreich noch gar nicht als Figur. […]

Du hast es eh grade schon erwähnt, dass du nichtbinär bist. Was bedeutet das für dich, beziehungsweise wie hat diese Erkenntnis dein Leben oder dein Bewusstsein verändert? 

Es ist ja immer so, dass man schwer aus sich selber raussteigen kann und dass man das lange nicht weiß, ob Fragen, die man sich stellt, Fragen sind, die sich jeder stellt. Ich hab’ zum Beispiel gedacht, es ist völlig normal, sich jetzt nicht wirklich hundertprozentig damit zu identifizieren, was einem zugeschrieben wird und dass sich alle halt irgendwie damit abfinden. Und durch Gespräche mit Freundinnen und durch Gespräche mit ein*er Freund*in, der*die eben auch nichtbinär ist, hab’ ich dann halt immer mehr festgestellt, dass es das ist, was sich für mich am stimmigsten anfühlt. Jetzt. Also kann auch sein, dass ich das auch wieder anders sehe. Ich habe das Gefühl, Leute empfinden dann oft so eine Verpflichtung: “Okay, das ist es jetzt! Und das muss jetzt so bleiben. Und diese Begrifflichkeit und diese Pronomen – und das muss jetzt das Fixum sein, weil sonst hab’ ich meine ganze Community verraten.” Das seh’ ich halt nicht so. Aber ich hab’ halt irgendwann festgestellt, diese Fragen stellen sich andere Menschen nicht. Und das ist auch ein Prozess, weil am Anfang denkst du: “Okay – will ich keine Frau sein, weil Frausein prinzipiell schwierig ist und weil ich das Gefühl hab’, mir liegen dann so viele Steine im Weg und so viele Hindernisse, dass ich nicht so weit komme, wie ich’s möchte. Weil Frausein scary ist und gefährlich. Bin ich wirklich keine Frau, also im Sinne von bin ich wirklich Trans? Bin ich wirklich ein Mann? Bin ich keine Frau, in dem Sinne, was mir als “Frausein” beigebracht wurde? Weil damit kann ich verstehen, dass ich auch keine Cis-Frau identifizieren kann, weil man als Frau immer so schablonenhafte Bilder bekommst. Und jetzt hab’ ich einfach durch meine Liebe zu Frauen für mich begriffen, dadurch, dass ich meine internalisierte Misogynie abgelegt hab’, dadurch, dass ich Frauen jetzt schätze und dass Frauen mich endlich schätzen und mögen und dadurch, dass ich meine Beziehung zu Frauen geheilt habe. Ich hatte ewig keine Frauen als Freunde. Jetzt habe ich nur noch Frauen. Dadurch habe ich gemerkt, es ist nicht mein Hass gegenüber Frauen, es ist nicht mein Ablehnen Weiblichkeit gegenüber, sondern ich empfinde mich einfach als irgendwo dazwischen. Ich bin bisexuell, aber empfinde mich deshalb nicht als zwischen hetero- und homosexuell. Genauso wenig befinde ich mich exakt zwischen den Geschlechtern. Ich möchte, dass mich Menschen ohne Zuschreibungen ansehen, ohne Ideen, die vorgefertigt sind. Zu einem gewissen Grad wird das immer passieren, aber darum geht’s mir vor allem. Gar nicht so sehr um Pronomen. Ich brauch’ auch gar nicht, dass Leute das voll nachvollziehen können oder voll verstehen können. Das ist mir gar nicht so wichtig. Ich kann ja auch nicht verstehen, wie’s ist, sich nicht so zu fühlen. Ich bin da auch gar nicht groß gekränkt. Mir ist zum Beispiel auch nicht wichtig, dass mir das Leute glauben, wenn Leute dann [spotten]. […] Es ändert ja nichts daran, dass es stimmt. Und ich glaube aber tatsächlich, dass, wenn Leute sich inhaltlich damit befassen würden, was nichtbinär heißt… Diese enge Absteckung von Weiblichkeit und Männlichkeit empfinde ich als wahnsinnig redundant und reduzierend und ich empfinde mich eben nicht als dem einen oder anderen zugehörig. Ich glaube, dass dann sehr viele Leute sagen würden: “Ah okay!”

Es ist ja auch die Frage: Braucht’s eigentlich dieses ganze Labeling grundsätzlich? 

Ich glaube immer zuerst: Ja, damit man’s dann nicht mehr braucht. Ich merk’ das oft, wenn ich jetzt mit Leuten aus Generation Z rede. Die haben halt Sex mit Frauen und Männern und non-binary people und sagen so: “Ich brauch’ das nicht.” Und ich sage: “Ja, du brauchst es deshalb nicht, weil die Generation davor überhaupt ein Bewusstsein dafür geschaffen hat, dass es dich gibt. Dafür hat’s Namen gebraucht. Es ist wichtig für eine Trans-Person zu wissen: Ich bin Trans – das ist das, was ich hier erlebe. Und es gibt Menschen, die empfinden so wie ich, ich bin nicht allein und das ist meine Community und das ist das, was ich tun kann. Dazu brauche ich diese Begrifflichkeit. Wenn das alles selbstverständlich ist, dann kann man dieses Labeling auch wieder loslassen. Und ich glaub’, wir sind jetzt so an dieser Schnittstelle. In zehn Jahren ist es wahrscheinlich scheißegal. In zehn Jahren brauchen wir hoffentlich auch keine Diversity-Maßnahmen mehr irgendwo, weil’s einfach selbstverständlich ist und weil sich jeder normale Mensch denkt, der einen Film anschaut: “Äh – sind keine Schwarzen dabei? Da sind keine asiatischen Schauspieler? Da sind keine queer people – ist weird!” Und so wie ich gemerkt hab’ – meine Weltanschauung hat sich komplett gewandelt, weil ich mich mit Dingen anders konfrontiere. Wenn ich mir jetzt eine Sendung anschau’ und da kommt keine einzige Person of Color vor, find’ ich’s wahnsinnig irritierend. Und früher ist mir das nicht einmal aufgefallen. So glaube ich ist der Prozess diesbezüglich. Hoffentlich. 

[…]

Mich hat mein Therapeut einmal gefragt, ob ich mich als Frau fühle. Und dann habe ich gesagt, ich mach’ mir eigentlich nie Gedanken drüber. Ich definiere mich eigentlich als Mensch. Ich glaube, dass ich oft eine sehr starke männliche Seite in mir habe, die sicher auch zum Teil durch meine Kindheit begründet ist.

Ich versteh’ zwar, was du meinst, aber das, was du gerade sagst beinhaltet ja auch, dass du kategorisierst in “es ist männlich so und so zu sein” und “es ist weiblich, nicht so zu sein”. Meine Mutter -wenn man jetzt diese traditionellen Zuordnungen benutzt- wäre ein sehr männlicher Mensch. Meine Mutter ist sehr fähig, sie ist ein bissl jähzornig, sie ist sehr energetisch, sie ist sehr stark. Aber für mich sind das deshalb auch keine männlich konnotierten Eigenschaften. […] Ich find’, die fürsorglichen und die zarten Dinge in mir genauso männlich wie weiblich – ich find’ sie vor allem mutig. Als ich so spröde war und so kalt und Menschen nicht wirklich rangelassen hab’ an mich – das war nicht Stärke. Also ich find’ diese ganzen zarten Seiten an mir und die Verletzlichkeit sind eigentlich das, was mir am meisten zeigt, wie ich gewachsen bin. Und all diese Dinge in ihren Zusammenhängen – wir denken ja auch so gern in Gegenteilen – “das ist meine gute Eigenschaft im Vergleich zu meiner schlechten Eigenschaft” – die bedingen sich gegenseitig. Deine Leidenschaft ist wahrscheinlich auch deine Ungeduld. Deine Aggression ist wahrscheinlich auch deine Passion. So versuche ich das alles zu sehen. Und ich find’ meine Weiblichkeit bedingt meine Männlichkeit. Ich würde gerne diese Kategorisierung prinzipiell neu denken. Und vielleicht setz’ ich mich noch mal ein bissl mehr damit auseinander, weil man eben im Schauspiel, im Theater und auch im Studium viel zu tun hat mit Zuordnungen. “Sei mal mehr Frau!” oder: “Jetzt trag’ mal ein Kleid!” “Wie würde eine Frau…” oder “Wie sagt man das als Frau?” Da wirst du prinzipiell recht viel damit konfrontiert. Im Theater find’ ich das oft ein bissl frustrierend. Was ich sehr schön fand nach meinem Abschluss ist, ich hab’ glaub’ ich hab’ nichts so selten gespielt wie eine heterosexuelle Frau. Ich hab’ alles dazwischen gespielt – ich hab Männer gespielt, Frauen, non-binary people, Trans people, Fabelwesen. Und ich spiel auch gerne Cis-Frauen, das ist überhaupt kein Problem für mich. Ich glaub’, niemand kann das bessere als eine non-binary oder Trans-Person, coz we’ve been doing it all our lives! Aber irgendwie find’ ich das interessant – ohne dass ich das viel kommunizier’, haben die Leute das irgendwie gespürt und mich dementsprechend auch besetzt. […]

Vielleicht noch ein letzter Punkt – und zwar zu deinen Tiktoks. Ich bin ja großer Fan! Du hast jetzt mit deinen Posts innerhalb des letzten Monats ziemlich eine Reichweite generiert. Wie nützt du diese Plattform für dich?

Ich habe ein großes Mitteilungsbedürfnis – immer schon. Ich hab auch social network und social media immer so benutzt – als eine Art Realperformance. Also ich finde, es macht total Spaß, mit der Künstlichkeit von Social Media zu spielen. Ich behaupte nicht, dass das Ich bin, aber es ist schon sehr nah an mir dran. Es ist aber trotzdem eine gefilterte Version – du kriegst ja nicht mein gesamtes Leben mit. Und ich hab’ da immer schon gerne Leute bespaßt oder belustigt, und ich mag eben auch die Idee, dass das nur so ein kleines Schmankerl ist. So ein kleines, zweiminütiges Video. Ich finde, das schöne an Humor ist ja, dass es so eine Art “Gleichschaltung” schafft oder dass man sich dadurch gesehen fühlt. Du lachst ja drüber, weil du dir das auch schon mal gedacht hast, oder weil’s dich an etwas erinnert. Es ist ein bissl wie eine Umarmung, auch wenn das jetzt kitschig klingt. Und es ist so eine schöne Vertrautheit, und ich bin immer dankbar, wenn ich merke, dass ich das richtige Publikum erreiche – also das, was ich erreichen möchte. Ich freu’ mich über jedes Publikum, aber natürlich habe ich so eine gewisse Zielgruppe, die mir halt besonders am Herzen liegt. Und das funktioniert immer so ganz stream-of-consciousness-mäßig – ich hab’ da jetzt keine Konzepte. Ich mach’ mir meine Notizen, irgendwelche Ideen, und dann stell’ ich mich mit der Kamera hin und mach’ dann irgendwas. Das macht mir das wahnsinnig Spaß. Dann schneide ich es. Es ist eine ganz neue Ebene von Comedy, die ich auf der Bühne nicht hab’. Humor durch Schnitt, Humor durch Tempo, durch Rhythmus. Das find’ ich ganz cool. Man muss sich die Exposure teilweise einfach selber schaffen. 

Richtig! 

Ich hab’ immer noch keine Schauspielagentur zum Beispiel. Da hab’ ich heute schon wieder drüber geheult (lacht). Überm Kaffee. Weil ich mit meinem Freund so oft drüber rede. Hab’ ich gesagt: “Ich versteh’ so viele Dinge einfach nicht wirklich.”

In der Schauspielbranche kenn’ ich mich jetzt nicht so aus, aber in der Musik ist es ja auch so, dass mittlerweile die Plattenfirma zu dir kommt und nicht du zur Plattenfirma. Und du musst dann aber schon so groß sein, dass du die Plattenfirma eigentlich gar nicht mehr wirklich brauchst. Ich glaub’ so läuft das, oder?

Ja es läuft oft so. Fast immer über Empfehlungen. Du wirst halt gesehen. Was ich oft nicht verstehen kann, ist – ich arbeite jetzt schon relativ gut – ich hab’ schon Film gemacht, recht viel Fernsehen – ich drehe de facto schon. Ich hab’ gutes Material, ich hab Fotos, ich bin in mehreren Branchen einigermaßen etabliert – und ich weiß es nicht, ob die dennoch manchmal denken, dass ich irgendwie keinen Marktwert hab’ oder so. Ich bin manchmal ein bissl am Verzweifeln, weil ich nicht weiß, was mir fehlt. 

Aber was ist, wenn deren Problem vielleicht ist, dass sie sich denken “Whoa, die Elena macht so viel – jetzt wissen wir nicht genau: In welche Schublade können wir die stecken?” Weil das ist ja oft so. 

Ja der große Kontrast zwischen Kabarett und Schauspiel oder zwischen Kabarettist*in und Schauspieler*in ist halt einfach: Als Schauspieler*in musst du eine sehr gute Leinwand sein – ergo, je unspezifischer du bist als Mensch oder je weniger man über dich weiß, desto besser. Als Kabarettist*in musst du so spezifisch wie möglich sein, weil du eine Marke bist, und man soll wissen: Das gibt es. Das wird inhaltlich passieren. Das ist der Stil. Das kriege ich. Und das widerspricht sich natürlich ein bissl. Und ich bin aber leider sehr spezifisch. 

Aber ich glaub’, das ist auch ein bissl ein Prozess. Weil ich hab’ das Gefühl, in Amerika ist das viel weniger krass. Da liest du den Wikipedia-Eintrag einer öffentlichen Person durch, und siehst: Der macht einfach 10 verschiedene Sachen. Und in Österreich hörst du: “Du machst das, das und das – entscheide dich doch mal!” Das ist immer noch so ein Kastldenken. Vielleicht ist das auch ein Prozess, dass Leute dahingehend offener werden und sehen: Man kann ganz Unterschiedliches machen, und es schließt sich nicht aus. 

Ich hab dieses Jahr Josef Hader kennengelernt! 

Ah! Und? 

Er ist alles, was man hofft und glaubt, dass er ist. Er ist so entzückend! Ich hab’ noch nie was Negatives über diesen Menschen gehört und ich kann das nur aus vollstem Herzen bestätigen. Er hat mir dann noch Karten besorgt zu seiner Premiere und ich wär dann Backstage fast gestorben. Ich bin normalerweise relativ souverän und prinzipiell relativ ehrfurchtslos, aber ich war so uncool. “Darf ich dich umarmen?” Wer fragt sowas?

Und hast ihn dann umarmen dürfen? 

Ja… Das ist wirklich die einzige Person, wo ich so Groupie-Anwandlungen hab’. Ich hab’ die Schwester seiner Frau gespielt. Das war auch schon sehr toll für mich, weil ich find’ auch die Pia ganz großartig. Und das ist immer das, was ich mir so vor Augen halte: “Zumindest kenn ich Josef Hader!” Zumindest das kann ich von mir behaupten. Aber ich hab’ das mit Josef Hader erwähnt, weil der das auch macht: Er ist Schauspieler, er ist Regisseur, er ist Autor, er ist Kabarettist- der ist in allem gut! 

Er ist in allem gut! Ich glaube, dass die Zukunft in der Vielseitigkeit liegt. Und dass man sich auch die Freiheit nimmt, sich in mehreren Disziplinen auszutoben oder auszuprobieren. 

Ist ja bei dir ja auch so oder?

Ja, ich mach auch vieles. Ich brauch’ das auch. Ich könnte nicht nur eine Sache machen irgendwie. 

Vor allem, weil dann ja auch viel Druck drauf lastet, wenn’s nur eine Sache ist. 

Sicher! Und es befruchtet sich ja auch gegenseitig. Und manchmal bist du gerade in einem Bereich kreativer, dann wieder in einem anderen. Ich seh’ das wie so ein buntes Mosaik. 

Ja! Seh’ ich eben auch so. Ich glaube eben, wir müssen nicht so getrennt voneinander denken. Wo ist Kabarett nicht Schauspiel? Wo ist Regie nicht irgendwo auch Kabarett? Es ist ja alles im Endeffekt aus der gleichen Welt. 

Und die letzte Frage jetzt noch zum Abschluss: Du bist ja Sternzeichen Zwilling, bist du ein typischer Zwilling? 

Ja! Ich bin so ein typischer Zwilling! Ich bin wankelmütig, habe ziemliche Stimmungsschwankungen und sehr willkürliche Energieschübe und viel oberflächliches Wissen über viele unterschiedliche Dinge. Und ich spiel’ gern Alleinunterhalterin und hab’ nicht zwei Gesichter, sondern 14, aber die sind alle echt! Ich identifiziere mich eigentlich wirklich mit allem, was man über Zwilling sagt. Alles, außer lügen. Das kann ich leider gar nicht. Ich wünschte, ich könnte es, aber das ist mir leider physisch unmöglich (lacht). 

 

Foto: © Volker Schmidt

 

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