Christoph Fritz

Für die 3 Leute, die Christoph Fritz noch nicht kennen: Er ist ein ziemlich angesagter, aufstrebender Kabarettist – quasi der Newcomer-Star in der Kabarettszene. Trotz seiner noch jungen Karriere hat er bereits sämtliche Preise und Auszeichnungen abgestaubt, wie ganz aktuell z.B. den Deutschen Kleinkunstpreis. Läuft bei ihm. 

Ich hab’ das erste Mal vor knapp einem Jahr von ihm gehört, als mir ein Freund den YouTube-Link zu seinem Willkommen Österreich Auftritt geschickt hat und meinte: „Schau dir das an, der ist genial!“ Und wie das so ist unter Freunden: Man hat sehr oft denselben Humor. Also ja. Ich fand’s extrem geil. (Hab’s mir gleich 3x hintereinander angeschaut und ein paar Leuten weitergeschickt – sharing is caring.) Körpersprache, Mimik, der staubtrockene Humor – es passt einfach alles bei ihm zusammen. Außerdem ist er richtig smart. (I can tell.) 

Vergangenen Herbst hab’ ich mir dann endlich die Schmähs live gegönnt – im Rahmen seines Debütprogramms „Das Jüngste Gesicht“ in der Kulisse. Das gesamte Publikum is original ausgezuckt kannst sagen. Ich war ja vorher schon Fangirl, gell, aber durch den Abend bin ich fast zum Groupie mutiert. (Ich hoff ich bring den Christoph jetzt nicht in Verlegenheit.)

Jedenfalls hab ich auf Instagram hin und wieder auf seine Stories reagiert oder seine Beiträge kommentiert und wir hatten ein paar kurze aber witzige Insta-Dialoge running up to the interview invite. (Ich wollte ein bissl Vertrauen aufbauen, bevor ich frag’.) 

Am Montag Nachmittag war er jetzt auf ein Glas Wasser bei mir („Ich trink gar keinen Kaffee schmeckt mir nicht sorry. Hoff das ist ok.“) und wir haben uns ziemlich gut und frei von der Brust unterhalten. 

Ich würde gerne mit einem Zitat von Elfriede Jelinek beginnen. Und zwar hat sie in einem Interview mal gesagt: „Es ist so, dass nur extrem introvertierte, vereinzelte Leute überhaupt auf die Idee kommen, etwas so Idiotisches zu machen wie Kunst.“ Wie sehr stimmst du dieser Aussage zu? 

Mmm, ich hab mir da sowas Ähnliches überlegt – und zwar, dass eher so introvertierte Leute auf die Bühne gehen, oder vielleicht Leute, die aus ihrer Kindheit ein Aufmerksamkeitsdefizit haben und eben dieses fehlende Im-Mittelpunkt-Sein ausgleichen, indem sie auf die Bühne gehen und sich dort das holen. War meine Theorie. Ich weiß nicht, ob’s stimmt. 

Ur spannend. Aber würdest du dann sagen, du bist ein introvertierter Typ?

Ja, schon. Es ist schon immer eine Überwindung, auf die Bühne zu gehen. Es fühlt sich selten natürlich an. 

Ja das wär jetzt genau die zweite Frage gewesen – ob du sowas wie Bühnenangst kennst?

Ja, schon. Also vielleicht jetzt selten noch Angst, aber schon eine Nervosität. Es ist weniger geworden mit der Zeit. Aber ich kenn das auch nicht, was Kolleginnen oder Kollegen sagen, dass sie – wenn sie ein paar Minuten auf der Bühne sind und merken, es läuft gut- sich dann entspannen. Also ich bin immer angespannt. 

Bis zur letzten Minute?

Vielleicht bei der Zugabe nicht mehr, aber bis dahin. Weil ich kann immer noch die Leute verlieren, es kann immer plötzlich bergab gehen. 

Aber die Angst, dass du den Text vergisst, das kennst du nicht?

Das ist keine große Angst. Es kann schon hin und wieder passieren – vor allem in letzter Zeit, wenn man sich dann zu sicher fühlt im Text, weil man den Text schon so oft runtergespult hat und dann passiert’s viel, dass ich mit den Gedanken abschweif’ oder mir denk „Aahh – das ist der Witz, der nie ankommt, ich sollt mir vielleicht mal was anderes einfallen lassen an der Stelle.“ Und dann schweife ich so ab mit den Gedanken, dass ich mich dran erinnern muss, dass ich vielleicht doch bei der Sache bleiben sollte. Ab und zu ist es dann schon passiert, dass ich dann einen Satz noch einmal sag’ und das dann noch viel peinlicher ist als einmal ein Texthänger. Ja. Aber es passiert nicht oft, also… 

[…]

Du hast ja vorher im Kleinen geübt bzw. angefangen und dabei auf Englisch. Würdest du sagen, du bist auf Deutsch lustiger als auf Englisch? Oder auf Deutsch authentischer? Macht die Sprache einen Unterschied? 

Also authentischer schätze ich schon auf Deutsch, weil’s ja meine Muttersprache ist. Lustiger kann ich jetzt nicht sagen. Ich hab den ersten Auftritt auf Englisch gemacht, und dann immer Deutsch und Englisch parallel. Aber nach einem Jahr nur noch auf Deutsch, weil’s mir zu anstrengend geworden ist auf zwei Sprachen. Auf Deutsch kann man auch leichter Geld verdienen. Aber ja, vielleicht ist’s gar nicht so schlecht – das hab ich mir schon überlegt – vielleicht probier’ ich das mal wieder, Texte auf Englisch zu schreiben, weil man da vielleicht ein bissl mehr Distanz reinbringt. Dass es einem da vielleicht leichter fällt, was inhaltlich zu beschreiben. Vielleicht fördert der Mangel an Vokabeln die Kreativität. Es heißt ja, man braucht ein bisschen eine Einschränkung beim kreativen Arbeiten, weil man sonst in alle möglichen Richtungen gehen kann, da weiß man nicht wo man anfangen soll. Oder vielleicht ist’s auch einfacher auf Englisch und bietet sich mehr an, weil es eine einfache Sprache ist. Vielleicht funktioniert Humor auch besser auf Englisch. […] Aber vielleicht wär’s eh mal eine Idee in einem Kabarettprogramm, es nicht anzukündigen und auf einmal random die Sprache zu wechseln, ohne es zu kommentieren. Und dann wieder ins Deutsche. 

So ein kleiner Surprise-Effekt. Kann schon gut kommen – hängt wahrscheinlich vom Publikum ab. […] Wie lange hast du gebraucht, um „Das jüngste Gesicht“ zu schreiben? Wie gehst du überhaupt an so einen kreativen Prozess heran? Schreibst du dir da laufend Scherze auf, die dir einfallen, oder setzt du dich dann irgendwann bewusst hin und schreibst das in einem Stück runter? 

Ja das hat sich halt organisch entwickelt über 2 Jahre, über Kurzauftritte. Wo ich dann immer wieder Sachen ausprobiert hab’. Und dann hab’ ich noch nicht genug gehabt, und hab’ noch bissl was extra geschrieben. Dann hab’ ich ein paar Leute gefragt – Kabarettkollegen, ob irgendwer Regie machen möcht’. Mit dem Vitus Wieser hab ich das dann gemacht – ein Anfang 40-jähriger Kabarettist. Er hat zu dem Zeitpunkt auch erst ein Programm gehabt. Er ist eigentlich Schauspieler im Hauptberuf. Mit dem bin ich viel meine Texte durchgegangen und er hat mir Feedback gegeben, was er glaubt was was taugt und was nicht. Und so generell bin ich eher recht schreibfaul irgendwie. Was mir eben die Hoffnung gibt fürs zweite Programm – wenn ich wirklich eins mach’. Dass ich mir denk: Wenn ich dann bei dem zweiten Programm fleißig bin, dann wird’s vielleicht noch besser. Und dann muss ich nicht so viel Angst haben – weil jeder sagt, das zweite Programm ist das schwierigste oder so. Beim ersten hat man noch alles von der Geburt bis zum ersten Programm verarbeiten können und beim zweiten bleibt dann nur die Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten. Aber gut, ich hab auch nicht alles, was ich erlebt hab’, verarbeitet. 

Ich wollt’ grad sagen – da ist noch Raum. 

Genau. Und ja, so mach’ ich mir auch viel Notizen, wenn mir was einfällt, auf dem Handy. Das meiste ist ein Schas – da komm ich mir retrospektiv drauf, wenn ich durchscroll’ und mir denk’ „Ahh Gott, warum hast dir das aufgeschrieben, das ist so peinlich.“ – Da schämt man sich dann richtig für sich selber. Ich mein’ – man sagt zwar, es ist besser, wenn man alles aufschreibt, weil man im Moment vielleicht nicht beurteilen kann, was was taugt. Aber oft denk’ ich mir, für mein Selbstvertrauen wär’s schon besser gewesen, ich hätt’ manche Dinge nicht aufgeschrieben. 

Du bist glaub’ ich echt streng zu dir. 

Ja. Das sicher. 

[…]

Wen oder was findest du selber witzig? Gibt’s einen Kabarettisten, den du bewunderst oder den du besonders inspirierend findest?

Nein. (lacht.) Nein, oja. Ja, ich bin jetzt nicht so der Kabarett-Nerd, also ich kenn mich jetzt nicht überall aus und auch ein bissl weil ich dann immer so Angst hab’. Weil ich mir das immer so vorstell’: Es gibt einen Pool an möglichen Witzen und mit jedem Witz, den ich hör’, fällt einer weg, auf den ich selber kommen kann. So irgendwie. Aber andererseits, gut, wenn du jetzt auf einen guten Witz vom Hader selber draufkommst, dann bringt’s dir auch nix, weil dann glauben die Leute, du hast ihn gestohlen. Also wahrscheinlich ist’s eh inspirierender, wenn man sich mit anderen Dingen auseinandersetzt. Hm. So wie ich angefangen hab’, war der David Stockenreiter (der ist so in meinem Alter – ein paar Jahre älter) schon immer so ein bissl eine Inspiration für mich. Da dacht’ ich mir: „Bow, der hat die Leute so im Griff, der ist so lustig – ich würd auch gern so gut ankommen bei den Leuten wie er.“ Weil er so eine lässige Art hat. 

Ist der auch so ähnlich wie du? Also so dunkelschwarz? 

Ja. Also er hat schon eine andere Art, aber er ist auch eher schwarzhumoriger. Er war schon ein Vorbild – also ich hab’ jetzt nicht versucht, irgendwen zu imitieren oder so, aber schon so bissl eine Inspiration. Und sonst – auch so ein bissl schräge Sachen – so Andy Kaufman – ich weiß nicht ob du den kennst? Ein amerikanischer Comedian, der in den 80er Jahren schon gestorben ist, der immer so ganz schräge Sachen gemacht hat. Aber mehr so Anti-Humor. So was Reduziertes gefällt mir dann, weil da kann man sich dann auch nicht so vergleichen damit. Das ist auch irgendwie positiv, weil’s sowas anderes ist. Sowas Schräges, Mutiges. Ja. Aber jetzt so, wie viele Leute sagen, „das sind Vorbilder“ – das hätt’ ich jetzt nicht. […]

Jetzt überschlagen sich ja die Kritiker mit ihrem Lob für dich. Inwiefern hat sich dein Leben durch den Erfolg, den du hast, verändert? 

Ich tu ja nur die positiven Pressestimmen auf die Homepage. (lacht.)

Aber hast du denn negative Pressestimmen? 

Nein, ich glaub’ es war jetzt kein kompletter Verriss. Ich mein’, manche waren so gemischt? 

Wirklich?

Ja, ich glaub’ die Tiroler Tageszeitung war „es ist eh lustig, aber nicht sonderlich originell“ oder so. Sowas. Oder in der Kronen Zeitung – das war eigentlich eh positiv- aber da ist dann in der Bildunterschrift gestanden „Singt von der Liebe, obwohl er nicht singen kann.“ Aber gut, das ist bewusst so, dass das jetzt keine tollen Lieder sind. Joa. Was war die Frage? (lacht.)

Die Frage war, inwiefern sich dein Leben durch den Erfolg verändert hat? 

Aso ah… nicht viel glaub’ ich. Also die Selbstzweifel sind jetzt nicht weniger geworden. 

Mehr? 

Es kommt halt jetzt noch dazu „Bow, ich weiß nicht, ob ich das verdien’“ oder „Vielleicht sind die alle nur nett“. Vielleicht wirke ich einfach so hilfsbedürftig und die meinen, diese netten Worte sind einfach so Maßnahmen zur Suizidprävention oder so. Vielleicht glauben sie „wenn wir jetzt eine negative Kritik schreiben, der bringt sich heut noch um.“ 

Das glaub ich nicht, na. Aber im Umfeld – merkst du Unterschiede? Behandeln dich Bekannte anders als früher? 

Nein. Die haben mich nie respektiert, also warum jetzt damit anfangen? Nein, das auch nicht… Ich merk’ jetzt keinen Unterschied. Klar werde ich angesprochen, aber das fragt man ja in anderen Berufen auch, wie’s so läuft. Und vielleicht freuen sich manche mit mir, wenn etwas Gutes passiert – das würd’ mich freuen, wenn das so ist. […] Aber sonst – ich würd sagen, die Selbstzweifel sind ungefähr gleich geblieben – jetzt nicht mehr oder weniger – vielleicht ein bisschen anders in der Gestaltung.

Mehr auf den Beruf fixiert wahrscheinlich – dass man sich denkt, jetzt muss ich dies oder jenes leisten, oder?

Ja, ich denk’ mir, die Erwartungshaltung wird dann schon eine andere sein, wenn man nicht mehr ein ganz unbeschriebenes Blatt ist. Von dem her hab’ ich mir früher vielleicht ein bissl leichter getan, weil es überraschender war. Und jetzt gibt’s eben auch schon mehrere Sachen auf YouTube und anderen Kanälen und da kennen die Leute schon manche Inhalte. Es ist alles nicht mehr so neu und frisch und überraschend irgendwie. Aber ja, da muss man sich in einem zweiten Programm neu erfinden. Da kann ich nicht mehr ich selbst sein. Nein, das bin eh nicht ich selbst. Alles nur Figur. 

In deiner Biographie auf deiner Website erwähnst du ja nicht nur die Siege der Wettbewerbe, an denen du teilgenommen hast, sondern auch die „Niederlagen“ oder Zweitplatzierungen. Wie ambitioniert bist du denn an diese Wettbewerbe rangegangen? Wie wichtig war dir selbst das Gewinnen dabei? 

Also so Wettbewerbe mach’ ich jetzt nicht mehr so oft. […] Da hab ich eigentlich nicht so Lust drauf, weil es ist schon immer blöd, in Zahlen oder in einer Reihenfolge bewertet zu werden. Das taugt mir überhaupt nicht. (lacht) Bei solchen Preisen wie am Sonntag ist’s was anderes [Anm.: Verleihung Deutscher Kleinkunstpreis], weil da hat man keinen Auftritt im Rahmen eines Wettbewerbs, der dann bewertet wird. Da ist’s jetzt nicht so eine Ablehnung, wenn man etwas nicht kriegt. Aber so – Ja, ich wollt schon immer, dass ich gewinne. Also da war ich jetzt nicht so laissez-faire-mäßig nur so „ja whatever“. Zum Beispiel bei diesem „Grazer Kleinkunstvogel“ – da hab ich gerade ein gutes Jahr Kabarett Standup gemacht und war dann inoffiziell Zweiter bei der Jury. Da hab ich schon monatelang gehadert und mir gedacht „Maaaahh in der Vorrunde bin ich noch besser angekommen als im Finale. Wenn’s umgekehrt gewesen wär, hätt’ ich gewonnen, oder wär’ gar nicht ins Finale gekommen.“ Und da bin ich schon bissl ein Komplexler, der das jetzt nicht gleich abhaken kann und sich dann denkt: „Mah, die anderen sind besser…“. Und da mach’ ich auch meinen Selbstwert viel zu sehr abhängig von dem „künstlerischen Erfolg“. Es ist ja schon ein Beruf, wo man sehr viel Persönliches mit einbringt. Wenn ich jetzt in der Versicherung irgendeinen Blödsinn gemacht hab oder was nicht gut gemacht hab, oder wenn man da auf Ablehnung stößt, dann fühlt sich das nicht so persönlich an, wie jetzt in dem Beruf. Weil es einfach persönlicher ist, und da fühlt man sich manchmal, wenn etwas nicht so gut läuft – wie so ein Wettbewerb oder irgendein Auftritt- selbst so abgewertet. Obwohl’s eh ein Blödsinn ist. 

Ja, das ist halt das Schwierige, finde ich, wenn du Kunst machst – dass du dein Produkt abgrenzt von dir, weil halt so viel von dir drinnen ist. 

Ja, das schaff’ ich noch nicht so ganz. 

Das versteh’ ich voll. […] Ich hab mir überlegt, dass deine Positionierung als – ich sag einmal „gesellschaftlicher Underdog“ Teil deiner Brand ist. Würdest du dem zustimmen? 

Mja…

Und warum glaubst du, dass das so zieht bei den Leuten? 

Eine Theorie ist, dass es von der Agentur gutes Marketing ist. Und ich nur irgend so ein Marketingprodukt bin, irgend so eine Blase. Ich denk, „das Jüngste Gesicht“ war jetzt auch kein blöder Titel. So als erstes Programm – der Junge, und dann wird man auch so gebrandet – dass man sich denkt „Ah, schauen wir uns wen Jungen an im Kabarett“ – dann ist das mit dem Titel gut gewählt, weil ich mich auch als Newcomer damit positioniert hab’. Und als „Underdog“… ja, wahrscheinlich kennen die Leute viele Kabarettisten, die immer draufdrücken, und mit viel Energie die Wuchteln reinschleudern, und bei mir ist’s halt mehr zurückgenommen. Ich hol die Leute halt irgendwo anders ab. Und von der Art halt bissl das Unaufdringliche – vielleicht mögen das die Leute. Das nicht ganz so Feucht-Fröhliche. Aber ja, warum die Leute kommen, das frag’ ich mich auch oft. (lacht.) 

Na weil’s extrem lustig ist. Ich hab’ ur g’lacht. Ich hab’s sehr lustig gefunden. 

Hast du das ganze Programm gesehen?
Ja. Im 17. Kulisse. 

Aso ja. Da ist immer der Ort, wo’s noch keine schlechte Vorstellung gab. Es gibt immer so Lieblingsbühnen, wo man sich denkt „jetzt hab ich da 5x gespielt, und immer super“, und dann ist der 6. Auftritt scheiße, dann denkt man sich wieder: „Ok, das ist jetzt gestorben für mich.“ Jetzt ist nur noch die Kulisse über. Da ist’s immer gut. (lacht.) Nein, es gibt schon noch ein paar andere. […] Schlechte Auftritte kann’s überall geben. Die Frage ist dann, was man als „schlecht“ beurteilt. Ob’s dann wirklich schlecht war, oder ob man eben sehr kritisch ist. Oder ob zufällig gerade mehr leise Leute im Publikum drinnen sitzen – es lacht ja nicht jeder lauthals, und es gibt sicher auch unterschiedliche Verteilungen von Lachtypen. 

Genau. Manche lachen ja so in sich hinein. 

Genau. Manche lachen, indem sie buhen. 

Irgendeine Reaktion einfach. 

Genau. 

Jetzt ist es ja so, dass die Leute sich nie nur mit der Kunstfigur zufrieden geben und immer auch in Erfahrung bringen wollen, wie der Christoph Fritz wirklich so privat tickt. Daher wirst du ja immer gefragt, ob du im realen Leben echt genauso so bist. Wie sehr nervt dich diese Frage? 

Naja nerven nicht. Ja, weiß nicht, ich hab mir da so pseudooriginelle Antworten überlegt. Oder die Leute glauben, dass sie’s eh selbst beantworten können, weil dann fragen’s mich oder reden ein bissl mit mir, und dann bin ich eh nicht viel anders wie auf der Bühne, aber dann sag’ ich immer: „Aber! Vielleicht bin ich immer noch in der Rolle!“

Ich find das ja extrem spannend, eine Kunstfigur zu erschaffen. Wenn du z.B. an den Falco denkst – der war ja sicher nicht so, wie der Hansi Hölzel – zumindest zu Beginn seiner Karriere. Aber dann war er irgendwann in einer deutschen Talkshow und dann hat ihn wieder irgendwer gefragt, wie sehr er auch privat „der Falco“ ist. Und er hat dann geantwortet, dass der Hansi Hölzel sich immer mehr an den Falco annähert und er das jetzt gar nicht mehr so sagen kann. Und das hat mir halt zu denken gegeben, weil ich mir dachte: Auch wenn du eine Kunstfigur erschaffst, ist das ja eine Seite von dir, die du dann irgendwann integrierst in deine Persönlichkeit. 

Ja da muss man aufpassen – stell dir vor, wenn du auf der Bühne so ein Monster bist… Ja, aber ist das nicht auch so mit dem Moneyboy? Da hab’ ich auch gehört, dass er anfangs ironisch so als Kunstfigur gestartet hat und jetzt ist er’s irgendwie. 

Ja, der ist jetzt so. Komplett. 

Schräg. 

Ich glaub so eine Kunstfigur hat extrem viel Potenzial. So „fake it till you make it“ oder „till you become it“ und so wie wer du sein willst. Und dann musst du halt das am Anfang als Kunstfigur anlegen und irgendwie wirst du zu dieser Kunstfigur. Weil du halt so viel Zeit mit dieser Kunstfigur verbringst und die so oft darstellst, dass du sie dir durch die wiederholte Darstellung irgendwann aneignest. 

Ah das ist gut. Dann wird mein zweites Programm einfach so ein Therapieprogramm und ich werd einfach den spielen, der ich schon immer sein wollte: Fröhlich, leicht, irgendwie unbeschwert. Und dann werd ich das irgendwann. 

Ist das das, was du sein willst? 

Ja sicherlich wär’ ich gern fröhlich. 

Aber du kommst mir jetzt nicht missmutig oder so vor. 

Missmutig? Ja, das versteck’ ich gut. Nein, vielleicht geht’s auch runter leichter als rauf. Dass du dir negative Eigenschaften der Kunstfigur eher aneignest als positive. Hm. 

Hm. Ich find’s halt geil, weil du Sachen so überzeichnen kannst und dann irgendwie so ownst, dass es irgendwann so voll deins ist. 

Ja, es ist halt ein Schutz auch. Mir hat letztens jemand vorgeschlagen: „Kannst ja eine Kunstfigur entwickeln, dann geht’s dir nicht so nahe irgendwie und du kannst es besser von dir trennen – auch wie der Abend verläuft.“ Weil du dir dann denkst, wenn denen die Rolle nicht gefällt, heißt das nicht, dass ich ihnen nicht gefalle – privat. 

Ja, das ist eh in der Musik dasselbe. Da hilft dir ja oft schon ein Künstlername. Bei Kabarettisten ist das ja gar nicht Usus, dass die einen Künstlernamen haben, gell? 

Selten. Ich hab am Anfang überlegt, weil ich mir gedacht hab: „Falls es mit dem Kabarett nix wird, krieg ich dann einen seriösen Job?“ Aber ich denk’ mir schon, dass man da noch einen Job kriegt, und bei denen, bei denen man nix kriegt, bei denen möchte man auch nicht arbeiten, weil sie zu steif sind. Ich hab überlegt. Aber mir ist nichts Gscheites eingefallen. […] Es gibt’s schon manchmal. Aber es wirkt dann vielleicht nicht so authentisch. Denkt man sich vielleicht auch „Was muss er oder sie jetzt verstecken?“ Aber es hilft vielleicht eben. Eine gewisse Distanz ist schon wichtig irgendwie. 

Ja, aber man kann sich ja überlegen, was man in seinem Programm von sich preisgibt und was nicht. 

Ja, vielleicht mach’ ich im zweiten Programm voll auf arrogant oder so und tu mich mit dem abkapseln. Ganz großkotzig. 

Ich bin gespannt! 

[…]

Du hast es eh vorhin schon selber angeschnitten – du hast ja vor deinem Schritt in die künstlerische Selbständigkeit bei einer Versicherung gearbeitet. Wie sehr bist du selbst auf Sicherheit bedacht?

Hm, ja ich glaub’ schon eher. Ich mach’ jetzt nicht so die schrägen Abenteuer. Es war schon ein großer Schritt. Ich hab länger mit dem Gedanken gespielt. Dann bin ich zu dieser Langen Nacht des Kabaretts gekommen – da waren wir 2 Jahre unterwegs – 60 Auftritte mit einer Kollegin und zwei Kollegen und da hat sich der Abend dann durch 4 geteilt und da wusste ich, dass, wenn ich das neben meinem Beruf mache, es ein bisschen eng werden würde, weil ich alle meine Urlaubstage aufbrauchen hätte müssen, dafür, dass ich da unterwegs sein kann. Und das war mir ein bissl zu anstrengend. Und da hab’ ich mir gedacht, es kommt zumindest jedes Monat ein bissl was rein und ich riskier’s. Ich hab jetzt eh keine Kinder, die ich ernähren muss – es ist schlussendlich nicht mit so viel Risiko verbunden. Aber es hat sich trotzdem sehr riskant angefühlt. Aber ja, hab schon lange gebraucht, bis ich dann gekündigt hab. Ich hab immer so Kreise ums Büro vom Chef gezogen und hab’ mir gedacht „Heut geh’ ich rein!“ und dann „Ahh nein…“ Bis ich mich dann eines Tages getraut hab. Und die waren dann eh voll verständnisvoll, kein böses Blut oder so und „alles Gute“. 

Ur lustig. Aber wieso ist dir das so schwer gefallen? Hast du so lange dort gehakelt?

Nein, wahrscheinlich hab’ ich Angst vor Veränderung und schaff’ schwer, was Bestehendes zu beenden. Weil man nicht weiß, wird das, was danach kommt, wirklich besser? Ja. 

Versteh ich. Was machst du typischerweise an einem Samstag Abend, wenn du nicht spielst? 

Phu. Ins Kino gehen, was mit Freunden machen, zu Hause sein, faul sein. Ja…sowas. Das Übliche. 

Letzte Frage: Was macht dich richtig glücklich? 

(lacht.) Ja bin immer noch auf der Suche. 

Kabarett? Ist das was, das dich erfüllt, dass du Leute in Scharen zum Lachen bringst? 

Ja, für den Moment. Aber ist auch nix, was dem Leben nachhaltig Sinn gibt. Also, ist halt auch einsam herumfahren, fremde Leute zum Lachen bringen, dann fahrt man wieder heim. Irgendwie ist das auch nur eine Scheinbeziehung, oder halt eine temporäre. Sicher gibt’s erfüllende Auftritte, aber ich glaub allgemein muss das Erfüllende von irgendwo anders herkommen. Oder ist auch gefährlich, wenn man das so zu seinem Anker macht. 

Aber das heißt, du suchst derzeit noch nach Dingen, die dich intrinsisch glücklich machen? 

Ja, da gibt’s sicher noch Luft nach oben. Vielleicht ein bissl einen entspannteren Zugang zum eigenen Ich entwickeln. 

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