Wir haben erst Mittwoch, und ich hatte die Woche schon zwei Konflikte. Nein, Moment, eigentlich drei. Aber der eine war mir wurscht, den hab’ ich offenbar schon verdrängt. Lol. So schnell geht’s.
Aber ja, die anderen beiden waren jetzt vermutlich auch so G’schichten, wo 99% der Weltbevölkerung nicht mal einen Konflikt gewittert hätte. Was soll ich sagen – ich gehör halt zu dem anderen 1%. Hallohallo! Also das ist schon nicht immer so einfach. Meine Mutter hat mich als Kind ja sehr regelmäßig „Mimose“ genannt, und es war jetzt nicht unbedingt die Kategorie von „Schatzi“ und „Mausi“. Also es war eher gleichbedeutend mit „anstrengend“, „high-maintenance“ und „kompliziert“. „Du bist so eine Mimose! Sei doch nicht immer so ang’rührt!“ habe ich tatsächlich sehr oft gehört. Ich dachte mir dann immer, irgendwie bin ich wohl offenbar nicht richtig. Oder anders (als ich sein sollte). Heute weiß ich, dass man das Ganze auch als „hochsensibel“ bezeichnen kann. Aber es ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass es herausfordernd (um nicht zu sagen anstrengend) ist – für das Umfeld gleichermaßen wie für einen selbst. Die meisten machen den Zirkus auch nicht mit. (Newsflash: Ich habe schon ein paar gescheiterte Beziehungen hinter mir!) Jetzt gibt’s natürlich mehrere Coping Strategien – wie z.B. einen auf „hoart“ machen. Funktioniert nur bedingt. Weil dann ist halt die Außenwirkung synchron mit Ice Ice Baby, ABER innerlich brodelt der Vulkan. Also eher suboptimal. (Man will ja integer sein.) Eine andere, sehr wirkungsvolle Strategie ist, Leute auf Distanz zu halten. Wenn einem keiner zu nahe kommt, kann dich auch keiner verletzen oder emotional aus der Bahn werfen. Das ist toll, weil es funktioniert echt. Also wenn einer von 5km Entfernung winkt, seh ich ihn nicht. Und mit meiner Angst vor Nähe bin ich eigentlich in Zeiten des Social Distancings gerade richtig en vogue, fällt mir auf. Hahaha. Aumann. Natürlich sehnt sich jeder (mhm ich auch!) nach Nähe. Und da rede ich nicht von dieser schwindligen Tinder-Schein-Nähe einer als bedeutungslos deklarierten Nacht, sondern schon von echter Nähe. So die Art von Nähe, wo man so sein kann, wie man ist, und trotzdem oder (hallo Idealfall!) sogar deshalb wert-geschätzt und geliebt wird. Dass man diese Art von Nähe nicht unbedingt mit 157 Leuten haben kann, ist auch klar, gell. Weil wenn man sich tatsächlich mit den Tiefen und Untiefen des anderen Menschen beschäftigt – das ist schon eine intensive und zeitaufwändige Angelegenheit, die Vertrauen braucht und ein gewisses Grundverständnis füreinander voraussetzt. Ich sag einmal so: Jemand, dessen Mathematikkenntnisse bei der Divisionsrechnung aufhören, der wird mit Kugelgleichungen nicht zu schmeißen kommen. Isso. Es gibt eben einfachere Rechnungen und komplexere. Und manche erfordern mehr Zeit und Aufwand als andere.
Mein Ex meinte damals bei der (finalen…) Trennung: „Conny, ich brauch’ was viel Einfacheres! Diese Tiefe, die du willst, ist gut und schön, aber die braucht auch echt viel Zeit. Und die hab’ ich nicht.“ Fair enough. Jeder soll im Leben das kriegen, was er sich wünscht. Von dem her: Alles gut.
Neulich hat mir ein Bekannter via Instagram-Chat seinen Liebeskummer geklagt und ich habe mir mindestens 47 Karmapunkte durch hochwertig psychologische Beratung erarbeitet („Du schreibst mir so gute Sachen, ich glaube, ich muss mir den Chat dann ausdrucken.“) Ja. Gern geschehen. Jedenfalls meinte er, er wäre halt nicht der einfachste Mensch. Ich hab ihm daraufhin geantwortet, dass ich „den einfachen Menschen“ nicht kenne, und dass jeder halt seine Themen hat. Er meinte, dass er immer „zu negativ“ wäre, und das auch diesmal der Trennungsgrund gewesen sei. Sein Lösungsansatz war: „Sagen wir mal, ich bin ein Haus, und da gibt’s einige dunkle und ein paar helle Räume, in die öfter mal die Sonne rein scheint. Dann kann ich mich öfter in diesen Räumen aufhalten und nicht dauernd im Keller. Das heißt nicht, dass ich mich verstell. Sondern andere Seiten betone […].“ Ich hab ihm dann so als Zusatzidee vorgeschlagen, eventuell im Keller ein Licht zu installieren, damit dieser auch für andere begehbarer würde. Das fand er gut. Ich find’s auch immer noch gut, muss ich sagen. Also ich mag die Metapher. Den Keller heller machen. Licht ins Dunkel bringen. Hat was. Optional auch zusammen räumen, eine kleine Bar hinstellen mit Musikanlage und gemma. Kellerparties sind mit die besten Parties, hallo!?
Ich muss mir jetzt mal wieder Fight Club anschauen. Während des Anglistikstudiums habe ich mal einen Text (Seminararbeit) geschrieben, in dem ich eine Freud’sche Analyse von Fight Club gemacht habe. Das war so spannend. Weil sich der Film ja auf unterschiedlichen physischen Ebenen abspielt und diese Ebenen gemäß Freud’s Id, Ego und Superego angelegt sind. Also z.B. die blutigen Fights, in denen die männliche Virilität auf die Probe gestellt wird, finden immer nachts im Keller statt, während der Bürojob im formalen Dresscode im Hochhaus abgesessen wird. Der Film ist so genial, weil er auf so eindrucksvolle Weise zeigt, wie wenig das Eine mit dem Anderen zu tun haben muss, und wie sehr es einander dennoch beeinflusst.
Also der (dunkle) Keller ist da, ob man das will oder nicht. Irgendwann kommen sich da alle Hausbesucher drauf – vor allem diejenigen, die sich als Stammgäste erweisen. Und ein Keller wird selbst mit der besten Belichtung kein Sonnendeck, das muss einem auch klar sein. Aber ein Keller hat gegenüber dem Sonnendeck auch gewisse Vorzüge: Er schützt vor Unwetter und bietet Stauraum, Lärmschutz und Privatsphäre. In so einen Keller kommt so schnell keiner! Die Schutzfunktion darf man also bei aller Unliebsamkeit nicht vergessen! So ein Keller ist definitiv nicht umsonst da.
Ich verbringe eigentlich recht viel Zeit im Keller. Er wird auf alle Fälle gemütlicher. Ein paar dunkle Ecken gibt’s noch, aber relativ viel ist schon sehr nice beleuchtet. Ich hab auch eine dunkelgrüne Samtcouch runter gestellt – für den Fall, dass wer mal ein bissl chillen will mit mir. Oder ich selber ein bissl chill. Musikanlage steht auch schon drinnen, aber nur eine ganz kleine, da kommt fix noch eine größere rein. Die großen Parties werde ich dort eher nicht abfeiern. Dazu mag ich Menschenmassen zu wenig.
„Ok Conny, aber was hat das alles denn jetzt mit den anfangs genannten Konflikten zu tun?“ Glad you ask! Naja Konflikte ähneln ja auch meistens einer hausartigen Struktur. Da gibt’s so das, worum es zu gehen scheint (die Hausfassade). Dann gibt’s das, worum’s geht (Wohnzimmer und so). Und dann gibt’s das, worum’s eigentlich geht (Keller). Bei etlichen sich anbahnenden Konflikten dreht man schon vorm Hauseingang wieder um (und gut ist’s!!!), bei manchen setzt man sich zumindest kurz ins Wohnzimmer und bei den allerwenigsten macht man noch einen Abstecher in den Keller. Aber selbst wenn man niemanden in den Keller mitnimmt, tut man, finde ich, extrem gut daran, selber noch kurz runterzuschauen. Warum? Weil man dort in aller Regel erst herausfindet, worum’s denn jetzt wirklich gegangen ist. Sehr oft sind Konflikte in ihrer Essenz nämlich exakt dieser Dialog:
A: Du Arsch findest mich also nicht gut genug?!
B: Nein, aber offenbar findest du mich nicht gut genug!?!
Es ist echt oag, wie sehr sich Konflikte doch ähneln. Und wie sehr so ca. in allen Menschen (ich nehm’ da jetzt wirklich niemanden aus, I’m sorry, falls du dich gerade noch erhaben gefühlt hast…) dieses „nicht gut genug“ verankert ist. Also ich glaube ja fast jedes einzelne Thema, das man hat, hat in seinem Herzstück „Ich bin nicht gut genug“ eingraviert. Und ich hab da eh schon mal darüber geschrieben, wie sehr die Außenwelt das auch vorgibt, und wie sehr das Leben als Wettkampf und ständiger Vergleich ausgerichtet ist, aber ich find’s tatsächlich sehr schade.
Und weil ich vorher meine Angst vor Nähe angesprochen habe – auch damit bin ich nicht alleine. Im Gegenteil: Ich kenne kaum jemanden, der sie nicht hat. Passt zum Zeitgeist (#socialdistancing). Yeah baby! Mein Therapeut sagt ja immer: „In der Nähe kommt man seinen eigenen Gefühlen nicht mehr aus.“ Am Anfang hätte ich ihn schlagen können für diese Aussage, so sehr hat sie mich getriggert. Mittlerweile geht’s schon halbwegs. Aber ja. Man kommt eben nicht umhin, sich mal mit dem eigenen Keller zu beschäftigen, bevor man zumindest eine sehr kleine Party im erlesenen Kreis darin veranstalten kann.