Ich liebe ja vielseitige Menschen. Sie sind so unfad. Peter Mayer ist so ein vielseitiger Mensch. Er ist professioneller Gitarrist, Gitarrendozent, Biobauer, Vater, ist in experimenteller Musik genauso bewandert wie in der Popularmusik, kann jodeln und ist handwerklich geschickt. Er hat in Dresden und Los Angeles gelebt und studiert und wohnt jetzt auf dem eigenen Biobauernhof im oberösterreichischen Andorf. Wir kennen uns schon ziemlich lange. Genau genommen waren wir gemeinsam im Musikgymnasium in Linz (wenn auch nicht in derselben Klasse). Als wir uns Ende Februar zu unserem kleinen Pläuschchen trafen, stellten wir erstaunt fest, dass wir uns echt 18 Jahre nicht mehr gesehen hatten. Kurze Gedenkminute. 18 Jahre ist echt lang – aber hey, who are we kidding!? Wir werden nicht jünger, isso. Umso wichtiger, das Leben in allen Farben und Formen zu genießen. Und bei Peter habe ich das Gefühl, dass er das echt macht. Damals wie heute. Er ist so eine Frohnatur und man fühlt sich in seiner Gegenwart einfach sofort wohl, weil er eine ausgesprochen liebe und positive Art hat, und dabei so bodenständig und echt ist. Das mag ich.
Peter, was tut sich aktuell bei dir?
Voll viel – so wie immer irgendwie. Wir haben ja im Herbst das neue Album “Eh” rausgebracht, mit meinem neuen Projekt “Beda” und da proben wir heute in Wien. Damit einfach wieder mal ein bisschen was passiert und damit wir nicht einschlafen. Weil wer weiß, wann’s wieder los geht. Am 12. Mai hätten wir die CD-Präsentation – schau’n wir mal, ob das was wird.
Die Kulturbranche ist ja von der Coronakrise hart getroffen, aber landwirtschaftlich hast du da gar keine Veränderungen gespürt, oder?
Nein. Das geht weiter. Ich habe jetzt in der Landwirtschaft auch einen Angestellten, damit ich mehr Zeit zum Musizieren habe. Und das ergänzt sich mittlerweile ganz gut.
Hast du jetzt in der Coronazeit Schlüsse für dich gezogen – im Sinne von “Die Musik ist eigentlich so unsicher, bin ich froh, dass ich die Landwirtschaft habe”? Oder siehst du das eher gelassen?
Ich sehe das sehr gelassen. Ich glaube, in der Musik ist es eher ein kontinuierlicher Aufbau- v.a. wenn man wieder ein neues Projekt macht, dann startet man eh wieder von vorne. Es gibt ja auch gewisse Staatshilfen, die man in Anspruch nimmt, und es ist okay. Es passt schon.
Was hat dich dazu bewogen, die Landwirtschaft deiner Eltern zu übernehmen? War das eher eine spontane Aktion oder war das immer schon irgendwie klar für dich?
Na, es war überhaupt keine so spontane Aktion. In der Maturazeitung im Musikgymnasium habe ich anscheinend schon reingeschrieben, dass mein Lebensziel “Künstler und Bauer” ist. (lacht) Und das haben meine Eltern gelesen und haben sich einen Haxen abgefreut, dass einer von den drei Künstlerburschen den Hof später übernehmen möchte. 10 Jahre später, als es zur Hofübergabe kam, meinten sie: “Du hast das damals schon reingeschrieben, hast du das ernst gemeint? Willst du das wirklich noch?” Und ich habe gesagt: “Ja, wenn’s so ist, dann ist’s so.”
Aber das ist genial, das heißt, du hast dahingehend auch nie einen Druck von deinen Eltern gehabt, oder?
Nein.
Wie schaut dein Alltag als Biobauer in der Regel aus? Wie kann man sich das vorstellen?
Also im Prinzip ist’s so: Ich probiere jetzt immer, dass ich in der Früh Sport mache oder meditiere. Und dann beschäftige ich mich drei Stunden mit Musik – da habe ich Kreativzeit. Das mache ich erst seit ein paar Wochen. In dieser Zeit setze ich mich hin, komponiere, schreibe, übe. Zwei bis drei Stunden am Tag. In Coronazeiten geht das jetzt auf einmal auch, weil rundherum nicht so viel passiert. Und dann von 11-12 gehe ich raus, versorge meine Tiere und schau’, dass draußen alles passt. Am Nachmittag stehen meistens To-Dos im Büro an – Dinge, die mit Musik zu tun haben, Proben organisieren, unterrichten usw. Das ist gerade so mein Tagesablauf.
Wie schaffst du das, dass du Kinder, Bauernhof, Musikkarriere und Unterrichten organisatorisch unter einen Hut bringst? Das sind ja echt viele Aufgaben.
Es ist eh nicht schaffbar. Ich hatte vor drei Jahren einen Bandscheibenvorfall und voriges Jahr eine Operation und da habe ich eben auch gemerkt: “Oida, du übertreibst es ein bissi.” Wenn man dann auch noch Festivals organisiert und die eine oder andere Baustelle am Hof hat -das ist einfach viel. Ich hab gelernt, dass ich nicht alles selber machen kann und mir bei gewissen Dingen auch Hilfe holen darf. Für die Musik habe ich eine Freundin, die mir organisatorisch hilft und am Hof haben wir mittlerweile einen Angstellten. Man muss sich einfach überlegen, welche Dinge einem wirklich Spaß machen und welche man besser auslagert – damit man sich nicht völlig verzettelt.
Aber ich finde das auch so spannend – wenn man verschiedene Sachen macht, und nicht nur eine – das ergibt einfach eine bunte Mischung.
Ja, es ist bereichernd.
Bei dir speziell find’ ich- du hast halt so viele Kontraste auch, wie z.B. Landwirtschaft und Kunst.
Ja, ich bin halt ein Typ, der relativ schnell für recht viele Dinge zu begeistern ist. Und die Fülle meiner Ideen wird mir oft zum Verhängnis.
Aber glaubst du nicht, dass das die Zukunft ist, dass man viele unterschiedliche Sachen macht?
Ich glaub’ ehrlich gesagt schon.
Ich glaub das ist die Zukunft. Weil wenn du mehrere Standbeine hast, kannst du die Kreativität besser streuen.
Ja voll. Ich denke ja selber schon öfters nach, ob ich nicht zu viel mache, aber auf der anderen Seite bin ich trotzdem gegen diese Art von Spezialisierung, die viele Leute betreiben. Also ich fände, es wäre auch ein Horror, 150 Konzerte im Jahr zu spielen. Ich hab’ einmal in meinem Leben eine Tour gespielt mit 20 Konzerten in 17 Tagen – und du bist halt einfach nur auf der Straße. Das ist ja das – das sehen die Leute oft nicht. Diese eine Stunde auf der Bühne, die ist eh voll geil. Aber das Drumherum… – Also wenn du jetzt nicht der Superstar bist, der völlig hofiert wird und der beim Touren bequem und effizient reist, braucht das viel Kraft. Ich mein’ ein, zwei Touren im Jahr kann ich mir schon vorstellen, aber es gibt ja Leute, die spielen 150 Mal. Da lebst du auf der Straße.
Ich weiß’ eh. Ich find’s halt auch ein bisschen schwierig – weil dann kommt eine Krise, und du hast nur das. Das trifft einen schon härter.
Ja schon, das stimmt schon. Aber ich glaube, es ist auch eine Entscheidung, ob ich das Leben im Krisenmodus lebe oder nicht. […] Und wenn man sich sein Leben immer so gestaltet, dass es 100% krisenfest ist, dann ist das auch nicht so cool find’ ich. Weißt? Weil da bist ja fast enttäuscht, wenn keine Krise kommt, weil dann hast ja nie recht gehabt.
Bist du schon jemand, der eher immer das Positive an etwas sieht, oder?
Ja, schon. Ich bin eher ein Optimist. Da gibt’s ja diesen Spruch: Ein Optimist irrt genauso oft wie ein Pessimist, er ist nur glücklicher dabei. Kennst den?
Nein, aber stimmt echt! Wie man das Leben sieht, hat echt oft auch einen Einfluss darauf, was auf einen zukommt. Wenn ich gut drauf bin, passieren mir oft bessere Dinge, als wenn ich down bin.
Voi. Irgendwie schon. Man schafft’s eh nicht immer. Aber ich find’ trotzdem: Es ist eine Entscheidung. Ich könnte dir jetzt auch alles aufzählen, was scheiße war, aber dann gehe ich nachher raus bei der Tür bei dir und keiner von uns beiden hat eine Freude gehabt.
Absolut. Zurück zur Landwirtschaft: Ihr habt ja eine solidarische Landwirtschaft.
Ja, genau. Eine “gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft” kann man auch sagen.
Und das heißt, die Familien beteiligen sich im voraus finanziell und kriegen dann einen Teil von euren Erzeugnissen?
Genau!
Und was ist deiner Meinung nach da der Vorteil gegenüber einer herkömmlichen Landwirtschaft?
Eine herkömmliche Landwirtschaft – wie man’s halt kennt oder wie’s unsere Bauernkollegen im Umkreis haben – die liefern ja meistens an Großabnehmer für tierische Produkte, also Molkereien oder Schlachthöfe. Oder an Großabnehmer von Getreide – Getreidebörse, Getreidemarkt. Wir haben unsere Ab-Hof-Abnehmer – die nehmen unsere Produkte direkt ab. Das heißt – wir produzieren natürlich bei weitem nicht so viel. Ein normaler Bauer, der 30, 40 oder 50 Hektar hat, kriegt aus seinen Kühen so viel Milch raus, dass er das gar nicht mehr selber vermarkten kann. Also der versorgt ja, wenn er 40 Kühe hat, 1000 Leute mit Milch. Ein einzelner Bauer! Solche Mengen kannst du selber Ab-Hof nie verkaufen, außer du hast eine eigene Molkerei mit fettem Marketing. Wenn man aber so klein ist, wie wir das sind – wir haben einen 13-Hektar-Betrieb – dann produzieren wir praktisch so wenig, dass wir das, was bei uns Ab-Hof in Form von Fleisch rausschaut, noch selber vermarkten können. Das geht sich noch aus.
Und wie viele Familien sind da derzeit dabei?
Derzeit sind’s 30 Familien.
Das ist eh viel!
Ja, die nehmen uns aber nur ein Drittel unserer Erzeugnisse ab. Wir könnten auch 90 Leute damit versorgen.
90 Leute wäre die Kapazitätsgrenze?
90 bis 100 Leute könnten wir leicht mit Fleisch versorgen. Obwohl wir ein kleiner Hof sind. Das sind die Größen. Die checkt heute keiner mehr!
Ja das checkt wirklich keiner mehr.
Der große Bauer versorgt 1000 Leute!
Kennst du “Bauer Unser”- die Dokumentation? Ich hab die im Herbst gesehen und es ist halt echt ein Wahnsinn, weil diese großen Bauern auch einen irrsinnigen Preisdruck haben. Also, wenn du als Bauer dann schon draufzahlen musst bei einem Schwein….
Ja und das ist halt bei uns nicht. Wir haben eine Jahreshauptversammlung mit unseren Mitgliedern. Es sind eh noch zwei andere Bauernhöfe auch bei uns dabei. Wir sind also zu dritt, damit wir eine größere Produktpalette anbieten können. Da haben wir Gemüsekisten dabei, frisches, selbst gebackenes Bio-Brot – völlig hochwertig – voll cooles Zeug! Und bei uns gibt es Eier, Schweinefleisch und Rindfleisch.
Und die Leute kommen und holen sich das direkt von euch ab? Das heißt, ihr habt keine Lieferkosten?
Ja, die kommen jeden Donnerstag, Freitag und holen sich ihre Lebensmittel ab.
Genial!
Der größte Unterschied zu einem herkömmlichen Bauernhof ist, dass unser Hof getragen ist von einer Gemeinschaft, der der Hof was wert ist. Die sagen: Hey, ihr macht’s meine Lebensmittel, und für das gebe ich euch den Brocken Geld am Jahresanfang – weil ich will, dass das weiter gemacht wird, wie ich meine Lebensmittel haben will. Und ich rede da auch mit, und wenn mir was nicht gefällt – wie ihr wirtschaftet, wie ihr eure Tiere haltet, wie ihr eure Pflanzen anbaut, wie ihr euer Gemüse anbaut – dann sage ich euch das und that’s it! Da ist keiner dazwischen.
Du hast nicht diese Maschinerie, die dir sagt: Du musst noch mehr machen und noch billiger produzieren!
Genau! Und wenn die Mitglieder in der Jahreshauptversammlung sagen, wir hätten gerne diese oder jene Änderung- dann sagen wir: “Okay, passt. Wir rechnen uns das aus. Wollt ihr das zahlen oder nicht?” Um das geht’s ja.
Ja und es bildet einfach die Realkosten viel mehr ab. Wenn man beim Einkaufen nur mehr das Billigste kauft, weiß man den Wert, der eigentlich dahintersteckt, gar nicht mehr zu schätzen. Es ist eigentlich eine Art von Entfremdung.
Voll. Es ist ja auch so, dass die Bauern sich ja auch von ihren eigenen Produkten entfremden, wenn sie ständig in die großen Handelsketten einliefern. Es gibt Bauern, die essen ihr eigenes produziertes Fleisch nicht mehr, weil ihnen graust!
Echt?
Ja! Weil sie wissen, wie sie ihre Tiere halten! Die kaufen sich das Rindfleisch aus Argentinien und produzieren selber Schweinefleisch in Großmengenhaltung. Es ist so wild! Das ist ja das. Die entfremden sich auch so, weil sie nur mehr die Zahlen und das Business sehen. Die sagen: “Ok, die Schweine kannst nicht anders halten, weil der Großhandel zahlt nicht mehr. In eine biologische Landwirtschaft oder einen tiergerechten Stall kann ich auch nicht mehr investieren, weil mir die Bank das Geld nicht mehr gibt. Ich habe ja schon vor 10 Jahren investiert, jetzt ist es zu spät.” Und dann ist’s vorbei. Dann musst du das eben so machen.
Das finde ich fürchterlich.
Ja, es ist so.
Aber kennst du persönlich solche Bauern, die ihre eigenen Produkte nicht mehr essen?
Jaja, das habe ich ja nicht gelesen. Das habe ich gehört...
Schlachtet ihr die Tiere selber?
Wir fahren zu einer Schlachtgemeinschaft. Das ist ganz ein kleiner Schlachthof. Ich rufe den Metzger eine Woche vorher an, dann machen wir uns einen Termin aus und fahren hin. Ich habe mir jetzt auch einen eigenen Viehanhänger gekauft fürs Auto, damit ich die Tiere selber transportieren kann. Der wird dann einen Tag vorher zum Stall gestellt. Die Fütterung ist auf dem Anhänger oben, sodass die Tiere ein paar Mal hin- und hergehen können und sich mit der Atmosphäre vertraut machen können. Und dann brauche ich sie auch nicht mehr rauftreiben. Oben wird gefüttert, und ich mache hinten den Deckel zu und fahre los. Eine halbe Stunde später ist dann schon der Bolzenschuss.
Da haben sie dann nicht so einen Stress, oder?
Ich hoffe nicht und wir tun da alles, was möglich ist. Es gibt viele Leute, die sagen: “Die Tiere haben Angst vorm Tod.” Ich glaube das nicht. Nervös werden Tiere dann, wenn sie die Umgebung nicht kennen, wenn sie sich nicht mehr orientieren können. Wenn du ihnen eine langsame Transition machst, dann passt das schon.
Wie viele Kühe und wie viele Schweine habt ihr da?
Wir haben insgesamt jetzt gerade 18 Rinder und im Sommer haben wir 10 Schweine.
Ich kann mir vorstellen, dass man da auch eine Beziehung zu den Tieren aufbaut, oder?
Ja.
Ist das dann manchmal für dich schlimm, wenn du dir denkst “Jetzt geht’s zum Schlachten”?
Nein. Am Anfang dachte ich mir schon: “Das höre ich jetzt dann mal auf”. Aber ich habe dann einige Bücher gelesen – von Richard David Precht “Tiere denken” oder “Das Omnivoren-Dilemma” von Michael Pollan- das sind super Bücher, in denen es um Ernährung geht und darum, was der Mensch darf und was nicht. Und irgendwann bin ich selber zum Schluss gekommen, dass es gar nicht möglich ist – nämlich nicht einmal für einen Vegetarier oder Veganer!- keine Tiere zu töten. Weil selbst beim Gemüsebau reißt’s ab und zu einmal einen Hasen oder einen Maulwurf in den Hechsler rein – wenn der Bauer beim Getreideanbau mit dem Traktor drüberfährt und der Hase oder Maulwurf es nicht mehr rechtzeitig weg schafft. Und das nächste ist die Frage: Was ist mit den ganzen Kleinlebewesen? Die haben ja auch alle eine Seele. Wenn ich jetzt sage: Ich bin Gemüsebauer, ich baue für den Vegetarier und den Tierschützer an – was tue ich mit den Schnecken? Die musst du ja auch irgendwie umbringen, die fressen dir ja sonst den ganzen Salat auf. Also Landwirtschaft ist immer irgendwie eine Tätigkeit, in der der Mensch die Natur auf irgendeine Art und Weise verdrängt, damit er seine eigenen Lebensmittel anbauen kann. Das ist immer irgendwie auch ein gewaltvoller Prozess. Wenn ich das wachsen lasse, was da wachsen will, dann wächst aber nicht das, was ich essen kann. Nie! Und da muss ich immer irgendwelche Tiere oder andere Pflanzen umbringen – das ist so. Und was ist mehr wert? Welche Seele ist mehr wert? Ist ein Käfer weniger wert als eine Kuh nur weil er kleiner ist? Da steige ich drauf oder fahre drüber, oder sie fliegen mir gegen die Windschutzscheibe. Also da könnten wir ewig Vergleiche ziehen. […]
Ich habe mir natürlich auch Gedanken gemacht, weil in meinem Freundeskreis etliche vegetarisch oder vegan sind. Und ich glaube, unethisch wird es immer nur mit der Überproduktion und der Massentierhaltung.
Genau!
Das Problem ist meiner Meinung nach einfach, dass wir so viel Überproduktion haben und das Ganze dann so entartet wird, oder? Wenn du nur das schlachtest, was du auch verbrauchst, und die Tierhaltung ethisch ist, dann passt das.
Ja voll. Ich find’ auch. Das ist meine große Verantwortung als Bauer: Ich bin von der Geburt bis zum Moment, wo der Metzger den Bolzenschuss am Kopf ansetzt dafür verantwortlich, wie es dem Tier geht. Nur meine. Und für das stehe ich ein. Und deswegen esse ich’s nachher auch. Und deswegen hab´ ich nachher auch kein schlechtes Gewissen, wenn das Tier sterben muss. Null. Weil ich weiß, dass es dem Tier so gut wie nur irgendwie möglich geht.
Du hast ja im Herbst eine erfolgreiche Crowdfunding Kampagne umgesetzt und hattest so viele originelle Goodies als Belohnung. Einen Traktorfahrkurs zum Beispiel. Hat den schon wer eingelöst?
Ja, hat schon wer eingelöst!
Einfach genial. Du hast halt auch so viel anbieten können…
…zum Beispiel die “Eh” – Wurst. (lacht)
Ja oder das `”Eh”-T-Shirt im Stall´ getragen.
Das hat echt jemand bestellt! Ich hab’s ein paar Mal zur Stallarbeit getragen und dann noch vakuum verpackt. (lacht) Und ein bissi ein Heu habe ich noch dazu getan, damit das Ganze gut einzieht…
[…]
Wie war dann das Crowdfunding für dich?
Am Anfang völlig zach! Ich konnte mich überhaupt nicht überwinden, ein Video zu machen- ich habe mich voll geschämt.
Wieso?!
Weil ich mir dachte “Jetzt komme ich, der einen Bauernhof hat”. Es ist eine Bettlerei irgendwie. Weißt wie ich mein? Also so wird’s halt zuerst einmal gesehen. Oder so habe ich’s am Anfang gesehen.
Diese Einstellung verstehe ich komplett.
Es ist ein bisschen eine Stolz-Sache. Aber nachher hab ich’s dann sportlich gesehen und mich dazu überwunden. Man tut voll viel für so ein Projekt, man steckt voll viel eigenes Kapital da rein und ich will auch nicht, dass man nachher finanziell völlig durch die Finger schaut.
Sicherlich! Ich hab’s genial gefunden, dass du’s gemacht hast. Ich kenne einige Leute, die schon Crowdfunding gemacht haben. Ich selber habe mich da noch nicht drüber getraut. Wahrscheinlich auch, weil ich dann Versagensängste hätte, und mir denken würde, vielleicht wird’s nix. Hattest du das auch oder war’s klar, dass es sich ausgeht?
Nein klar war’s nicht. Ich habe schon am Schluss noch ziemlich hingezittert und Werbung gemacht. […]
Aber würdest du Crowdfunding nochmal machen?
Ja, mit ein bissl einem Abstand schon. Ich glaube nicht, dass man sowas jedes Jahr machen kann. Das ödet dann auch ein bissi ab. […] Aber es war mir dann auch lustig. Also ab dem Moment, wo wir das Video hatten, hat’s mir wieder getaugt. Und es ist auch eine gute Werbung. Auch wenn’s nichts wird – dann hat man zumindest schon mal einen Grund gehabt, zehn Mal was zu posten und die Neugier der Leute zu wecken.
Du organisierst ja auch ein jährliches Musikfestival, das sogenannte “HEAR-Festival”. Was ist da die Motivation dahinter?
Beim Hear-Festival geht es hauptsächlich um lokale Bands. Weil ich mir gedacht habe: Es gibt so viele interessante Sachen, die rundherum so passieren – im Umkreis von 20 Kilometern. Die sammle ich einmal im Jahr zusammen, und die können dann alle spielen. Nachher legt dann ein DJ auf. Aber ich mag schon immer eigenständige Acts und Projekte haben. Also keine Cover-Bands, sondern Leute, die eigene Sachen machen.
Wie lange dauert das Festival und wie viele Acts treten auf?
Wir haben es heuer wieder für zwei Tage geplant und es treten pro Tag ca. vier Acts auf. Gmiatlich einfach.
Mit wie vielen Besuchern rechnet ihr da?
So guade 500 Leute.
Du hast ja zwei Jahre in Los Angeles gelebt und studiert. Wie war das für dich?
Das war cool. Das schwingt immer noch nach.
Was würdest du sagen sind Unterschiede zu Österreich im Hinblick auf die Musikwelt?
Ich finde vor allem die Gesellschaft ist so unterschiedlich. Man merkt es eh, wenn man sich die Nachrichten anschaut und drüben lebt. Bei uns kommen ja immer nur die extremsten Nachrichten an. Aber wenn man drüben lebt, hat man das Gefühl: Es ist alles möglich. Die Range, wie Leute leben und ihr Leben sehen, ist einfach viel breiter als bei uns. Das geht oft in alle Extreme. Nicht umsonst gibt’s da drüben Sekten, die bei uns längst verboten wären. Es gibt aber auch Hippies, die voll ihren Lifestyle leben. Dann gibt’s die vollen Waffennarren, die jedes Wochenende in die Wüste fahren und Kakteen abschießen. Voll weird! Mit dem 13-jährigen Sohn, der auch mit der MG herumballern darf dort draußen… Wahnsinn, oder? Gleichzeitig gibt’s auch die voll smarten Typen und die großen Businesses wie Facebook und Google, die ein völlig anderes Programm fahren, als das in Österreich jemals möglich wäre. Und das spürst du eben auch in der Musik durch.
Ich kenne ja Los Angeles nicht, nur New York. Aber ich hatte da immer das Gefühl, die Leute sind lebenshungriger als hier. Sie sudern weniger und machen mehr. Siehst du das auch so?
Ja, auf alle Fälle.
Ich frag’ mich, woran das liegt.
Ich habe mich auch oft gefragt, woher diese Unterschiede kommen. Natürlich haben wir eine gewisse Geschichte, die uns beeinflusst und auch oft erdrückt. Die Europäer, die nach Amerika emigriert sind, waren ja nicht so ängstliche Leute. Setz dich 1920 mal auf ein Dampfschiff und fahr rüber. Hier geht´s mir wirtschaftlich nicht so gut, na dann fahr ich halt nach Holland rauf, setz mich mit meinen sieben Zwetschken in ein Schiff rein, fahr rüber und starte dort ein neues Leben. Einfach so. Und die Leute haben Kinder gezeugt, und diesen Spirit weitergegeben. Der ist irgendwie in deren DNA drinnen. In unserer DNA ist die DNA von denen drinnen, die da geblieben sind, und die den 2. Weltkrieg durchgemacht haben. Das ist bei uns hängen geblieben.
Das ist so ein spannendes Thema! Ich denke mir oft – es ist schon viel Ängstlichkeit in unserer Gesellschaft. Auch dieses Missgünstige. Und die Genugtuung, wenn jemand scheitert. Und in Amerika heißt’s “Ok, machst was Neues. It was an experience!”
Genau- an experience. Und du kannst dich immer wieder neu erfinden.
[…]
Hast du das Gefühl, dass du durch den Hof angehängt bist, oder macht ihr trotzdem noch Reisen?
Jaja. Wir waren 2019 zwei Monate in Marokko mit unserem selbst ausgebauten Camper. Wir sind mit der Fähre von Genua hingefahren.
War das easy dort? Wusstet ihr da immer, wo ihr stehen bleiben durftet?
Ja, wir haben selber erst dort herausgefunden, dass das ein Camper-Überwinterungsziel für Pensionisten und Hippies ist. Leute, die in ihrem Bus leben, fahren über den Winter nach Marokko – dort ist’s billig und warm.
Und mit deinen Kindern ist das auch gut gegangen?
Ja, sicher! Die Ida war damals 6 Monate alt. Die Leute daheim haben uns eh den Vogel gezeigt. Aber es gibt dort Campingplätze wie hier und wenn du mit Kindern unterwegs bist, riskierst du eh nicht so viel. Wir haben schon ein paar Mal wild auch probiert, aber dann hat uns in der Nacht einmal die Polizei abgeholt und wir haben vor einem Polizeiquartier schlafen müssen im Bus. Und da hast du schon Angst, was da jetzt los ist. Aber die wollten uns beschützen -die hatten Angst, dass uns was passiert, dass uns wer ausraubt oder sowas. Dann hat uns in der Nacht einer mit dem Moped abgeholt und meinte “Fahrt’s mir nach!” Aber beim Campingplatz würd’ ich mir gar nix denken.
Letzte Frage: Welche drei Ratschläge würdest du deinem 14-jährigen Ich geben?
“Lass dir Zeit!” “Scheiß dir nix!” (lacht) Und “Go where the love is!”
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Foto: Lukas Beck