OK cool.

In den letzten Wochen habe ich mich aktiv und intensiv mit Tinder und Yung Hurn beschäftigt. Beides hat mich ausgesprochen inspiriert, um nicht zu sagen beflügelt. Beflügelt insofern, als ich gemerkt habe, dass ein Eintauchen in eine gewisse Bedeutungslosigkeit fast sowas wie ein liberation movement ist. Also für mich zumindest. Und ein paar anderen dürft’s auch so geh’n… 

Deine Freunde verkaufen jetzt Drogen – ok cool // Du stehst heute auf der Gästeliste – ok cool // Sie sagt du bist ihr Freund, aber kommt mit – ok cool  // Sie sagt sie macht das nie, aber ich bin in ihr’m Mund. // Ok cool…

OK cool ist so etwas wie eine Lebensphilosophie. Das Leben im Moment wird zur Religion hochstilisiert, und das, ohne etwas in etwas hineinzuinterpretieren oder zu be-deuten. Free floating sozusagen. Resignation meets Apathie meets Hedonismus. OK cool heißt wirklich das: Cool zu bleiben. Große Emotionen kannst vergessen. Das ist nicht der Sinn der Sache. (In mei’m Herz drin Eis, Eis, ja) 

Selbstbestimmung statt Fremdkontrolle. 

Es ist Donnerstag und ich kauf mir nix. // Es ist Donnerstag, ich fick’ eine Bitch. // Meine Mama sagt, sie ist stolz auf mich // Weil ich noch immer mach’, was ich will (mach’ ich schon immer, Mama) Machen, was man will. In einer Zeit, in der immer mehr reguliert und reglementiert wird, während jeder Schritt überwacht und aufgezeichnet wird, eine Utopie, von der man nur als Kind oder unter Drogeneinfluss träumen kann. Ich habe die Woche z.b. für 2 Tschickstummeln, die ich im Park auf den Boden warf, anstatt artgerecht zu entsorgen, 50€ (in Worten: FÜNFZIG!!!!) gezahlt, weil zwei Herrschaften vom Magistrat derzeit zivil in Parks herumsitzen und jedem Missetäter auflauern, der gegen das Wiener Reinhaltegesetz verstößt. Eh. Hab’ ich mir auch gedacht OK cool. 

Ja. Heute spielt Yung Hurn am Frequency Festival. Der Falter schreibt „Für viele Besucher ist die Musik nur eine Nebenerscheinung, die sie zwischen Festtagsrausch und Zeltplatz auch mitnehmen. Wobei sich sagen lässt, dass sie nach dem Beginn am Donnerstagabend mit Gorillaz und Yung Hurn heuer nichts Wesentliches mehr versäumen, wenn sie sich das restliche Wochenende anderweitig vergnügen.“ Fand ich sehr interessant. Einem meiner Tinderdates wünschte ich noch viel Spaß am Frequency, und er meinte ebenfalls: „Ja, mal schauen, wie viel wir uns überhaupt anschauen. Ich glaube, wir werden eher am Zeltplatz sein.“ Schon skurril irgendwie, für einen Campingurlaub in St.Pölten 170€ zu zahlen. Aber gut, muss leiwand sein, mit den anderen Alkoholleichen um die Wette zu kotzen.

Yung Hurn ist jedenfalls der GGGott der Stunde. Offenbar auch für den Falter. Er macht Cloud Rap, was soviel heißt wie er nuschelt, anstatt die Wörter so zu artikulieren, dass man auch beim 1. Anhören schon erkennt, um welche Sprache es sich handelt. Das ist gewollt und vermittelt irgendwie einen Eindruck von Gleichgültigkeit und Scheiß-drauf-Attitüde. So nach dem Motto „ich red’ wie ich will und wenn’s dir nicht taugt, dann hör’ was anderes! Ich brauch dich nicht.“ Non-neediness ist auch auf Tinder der ure Bringer. Am besten ist man immer so ein bisschen emotionally detached, nicht wirklich zeitlich verfügbar (Zeit ist sowieso was total Relatives), und schreibt in nicht vollständigen Sätzen, die komplette Nonchalance suggerieren, wie z.B. „später was machen?“, „Sex?“ oder „und du so?“ Mega! Ich will nicht chillen, Baby, lass mich (Baby, lass mich) // Gefühle für dich, Baby, hab’ ich nicht (hab’ ich nicht). 

Yung Hurn nennt sich übrigens nicht nur Yung Hurn. Er ist auch Yung Süßi, Falco Süßgott, Donaustadts Locoboy 69 und Niceyboy. Manchmal reicht einfach 1 Identität nicht aus, ich kann das ehrlich verstehen. Auf Tinder gibt’s die Identitätskünstler auch. Die heißen dann ein paar Tage lang z.B. Nate und schreiben dir, dass sie in Wien wohnen und eine Fitnesskette betreiben. Dann sind sie weg. Und die Woche drauf siehst du sie wieder, dann heißt derselbe Typ plötzlich Nick und hat unter seinem Profil stehen „in Vienna for the weekend, wanna hang out?“ Tja. So schnell kann’s geh’n. Ich an seiner Stelle hätte zumindest das Profilbild ausgetauscht. Aber gut, er wollte halt sein Gesicht wahren lol. Die Message jedenfalls ist schon klar: Wir können alles sein, baby. Und das funktioniert besonders gut, wenn man so ein bisschen ein Mysterium um sich herum errichtet. Yung Hurn gibt beispielsweise so gut wie nie Interviews. Und das letzte, das er gegeben hat (am Openair Frauenfeld 2018), war äußerst verhaltenskreativ. Er macht genau das nicht, was von ihm erwartet wird (nämlich Frage für Frage zu beantworten), er schert sich einen Dreck drum, ob ihn da jetzt irgendwer mag oder gut findet, und zum Schluss steckt er seine Finger auch noch in die Nasenlöcher des Interviewers. Man könnte meinen, er verarscht oder demütigt ihn, aber in Wahrheit geht’s denke ich nur darum, mit der Konvention zu brechen und eine Experience zu kreieren. Klassische Q&A-Settings sind genauso ausgelutscht wie die meisten Fragen, die ebendort gestellt werden. Und als OK-Coolness-Botschafter und Projektionsfläche für eine Generation, der es um Experience (#Zeltplatz) geht, muss er Grenzen überschreiten und subversiv sein. Er macht das super. Die Heroisierung von Drogen ist dabei der Aufhänger, gewissermaßen die Legitimation seines Verhaltens. Genauso wie Tinder einen dazu legitimiert, alle seine insgeheimen Fetische vorzuschlagen und bestenfalls auszuleben. Auf Tinder und unter Drogen ist alles erlaubt. 

Ja, sie schauen, schauen mich an // Instagram, Instagram, Tag und Nacht. Irgend so ein Tindertyp hat mich gelöscht, weil mein Instagram-Account nicht cool genug war. Sick mit capital S. Aber ja – dafür war seiner umso cooler. Ich hab mir 5 Minuten überlegt, ob ich jetzt Selbstzweifel aufreißen soll, aber dann dachte ich mir OK cool. Das Abtauchen in die Bedeutungslosigkeit ist wirklich eine super Sache. Man ist viel gelassener, fühlt sich viel geiler und unantastbarer. Die Reizüberflutung ist besser auszuhalten, externe Störsignale kann man viel leichter ausblenden und man kann sich ständig neu erfinden und erleben – von Moment zu Moment.

Gleichzeitig ist das Ganze aber auch oberflächlich hoch 27 und unverbindlich bis zur Schmerzgrenze, und auf Dauer erodiert mich die OK Coolness. Manchmal tut einfach ein bisschen Bedeutung auch gut. 

Und ich sag’, leg dich hin, ja // Ich hör’ dir zu, wenn du willst, ey // Ich hör’ dir zu, weil du brauchst das // Du warst für mich da, jetzt bin ich auch da, ehh

Heute ist übrigens Donnerstag.