Mut zur Monogamie.

Männer mit Frauen, Frauen mit Frauen. // Männer mit Pferden, Pferde mit Affen. // Affen mit Fröschen, Blumen mit Bienen. // Jeder mit jedem, jeder mit jedem. F***i F***i. // Jeder mit jedem, jeder mit jedem. F***i F***i. 

Die Berliner Hip Hop Formation K.I.Z. hat 2013 mit „Ficki Ficki“ein recht akkurates gesellschaftliches Stimmungsbild gemalt, das sieben Jahre später imho aktueller ist denn je. Jeder mit jedem. Standard. Promiskuität wird großgeschrieben (PROMISKUITÄT!!!) und zum Kult erklärt. Was, du lebst nicht polygam? Na bitte, wie unentspannt bist du überhaupt?! Chill dafuq out! Steck dir den Feuerwerkskörper in den Arsch und entspann die Pobacken! Das wird schon.

Ich erzähl euch einmal ein paar kleine Anekdoten, um das Ganze ein bissl zu veranschaulichen. Vor etwa einem Jahr habe ich einen Dude auf Tinder gematcht, mit dem ich dann mal so zwei Tage fast rund um die Uhr gechattet habe. Witziger Typ, smart, nicht der klassische Schönischön, aber hat auf jeden Fall was. So. Als wir uns schließlich treffen wollten, war er „krank“. Später stellte sich heraus, er hatte halt eine andere über Nacht da gehabt, die sich später geschlichen hat als geplant. (#Timing) Tja. Ich hatte dann nicht mehr soo viel Bock, mich ein anderes mal mit ihm zu treffen. Irgendwie hab ich’s nicht mehr so gefühlt, du verstehst. Aber wir sind halt lose in Kontakt geblieben (Snapchat) – ohne irgendwelche romantischen Ambitionen, rein „bekanntschaftlich“. Neulich haben wir mal wieder ein bissl geschrieben. Er erzählt mir, er steht „kurz vor einer Beziehung“. Also die taugt ihm jetzt wirklich. Ich erkundige mich, warum es mit seiner on-off-Ex jetzt tatsächlich off wäre. Daraufhin erklärt er mir, ja nein, blöde G’schicht – er hat in 3 Tagen mit 4 Frauen was gehabt – 1 davon war die Ex – und nach diesen 3 Tagen stieg eine Party, zu der alle (inklusive er) eingeladen waren. Und das dürfte halt dann weniger gemiatlich gewesen sein. You wonder why… Und die Aktuelle – naja, da hatte er vorher im Suff was mit ihrer Freundin. Wobei er ja eigentlich sie wollte, aber ja – passiert. Die Auserwählte war aber zum Glück eh recht „chillig“, und hat ihm das nicht übel genommen. Warum auch. „War ja nur Sex.“ Ich so: „Naja, aber hat das für dich echt so überhaupt keine Bedeutung?“ Er: „Nah.“ Ich hab ihn dann gefragt, warum er dann Sex hat, wenn’s ihm so gar nichts bedeutet, woraufhin er meinte: „Na weil’s geil ist.“ Klar. Auf meine Frage, ob er sich tatsächlich so schnell auf wen ein- und umstellen könne, dass er’s psychisch dazaht, 4 Frauen in 3 Tagen zu haben, erklärte er mir, dass er halt „immer neue Körper“ brauche. Verstehe. 1 size fits all. Es geht dabei allerdings wie man, finde ich, recht gut erkennt, wirklich „nur“ um einen Körper, nicht um den Menschen, der in diesem steckt. 

Jetzt werden sicher einige (die mich kennen) einwenden: „Ja okay, der ist sicher noch sehr jung…(?)“ Jaja, ist er. Aber das ist völlig blunzn. Es ist keine Frage des Alters, es ist eine Frage des Lifestyles. 

Mein Ex war etliche Jahre älter als ich und hat am selben Tag unseres ersten Dates eine andere gevögelt. Almost killed me. Damals redeten alle auf mich ein, ich möge mal keinen Maibaum aufstellen, immerhin waren wir ja noch nicht zusammen. Und zwei Freundinnen erzählten mir, dass ihre Beziehung auch so begonnen hat. Ein Erfolgsrezept (?). Für mich ja nicht, so viel steht fest. Eher die ultimative Red Flag, mit der ich mich erhobenen Hauptes „Take me home, country roads“ singend aus dem Wilden Westen vertschüsse. Also von nun an. Und weißt du wieso? Weil eine gute Geschichte gut anfängt. Und weil alles so aufhört, wie es angefangen hat. Wenn etwas ungut anfängt, kannst davon ausgehen, dass es auch ungut endet. Das hat sich in den 36 Jahren meines irdischen Daseins wirklich jedes Mal wieder bestätigt. 

Vor einigen Wochen hatte ich ein ein-maliges Date mit einem Typen (aus meiner Kohorte – für alle Altersfanatiker), der mir gestand, dass er (sich) auch meistens auf mehrere Kamele gleichzeitig setzt. Er meinte: „Du weißt ja nicht, wie schwierig es ist, eine kennenzulernen, mit der’s wirklich passt.“ Und insofern hedged er halt seine Optionen. Eine reine Sicherheitsmaßnahme, die vor Enttäuschungen schützen soll also. Ich habe daraufhin die subversive Frage in den Raum geworfen, ob nicht das Hedgen die Wahrscheinlichkeit schmälert, „die Passende“ auch wirklich zu erkennen. Weil ganz ehrlich – Kennenlernen braucht Zeit, Fokus und Commitment. Wenn ich mich da verstreue wie ein bunter Gartenlauch, sind alle diese drei Komponenten bedeutend eingeschränkt. Needless to say, er hat sich nicht mehr gemeldet. Haha. War aber wurscht, er hat mir eh nicht getaugt (hoffe, es hat ihm zu Weihnachten wer ein Deo geschenkt uff). 

Falls jetzt wer fälschlicherweise schlussfolgert, ja ok, sie will halt einen, der auf dem weißen Schimmel vorreitet und ihr noch vor dem ersten „Hallo“ erklärt, this shit is gonna last foreva: Nein. Darum geht’s nicht. Es geht nicht um „Foreva“. Es geht einfach darum, dass ich mich mal auf etwas einlasse und ein Grundvertrauen entstehen kann. Und das dauert keine 5 Jahre, sondern vielleicht ein paar Wochen. Wenn ich es in dieser kurzen, sehr überschaubaren Zeitspanne, nicht gebacken kriege, mich mal auf eine Person zu fokussieren und mir das in Ruhe anzuschauen (die richtige Chemie und gegenseitiges Interesse natürlich vorausgesetzt!), dann sagt das imho schon einiges über meine Bindungs(un)fähigkeit aus. 

An dieser Stelle möchte ich all jenen, die in einer glücklichen (!) und gesunden (!!) Beziehung sind, von ganzem Herzen gratulieren! Oida, ihr wisst nicht, was für eine fucking ELITE ihr seid! Wenn Britney Spears singt: „There’s only two types of people in the world…“ möcht ich immer singen: “… the ones in relationships and those who are g’stört.“ Bindungsgestört. Ich mein das auch gar nicht böse, zähl mich da partiell ja sogar selber dazu, also was soll’s. „Ich bin ein glücklicher Single“ ist temporär eine gute Geschichte, aber kein Mensch der Welt kann mir erzählen, dass er dauerhaft ein „glücklicher Single“ ist. Wenn man so ganz ehrlich zu sich selber ist, und mal die ganzen Ängste außen vor lässt, sehnt sich meiner Erfahrung nach insgeheim jeder nach einer echten und ehrlichen Verbindung. Und die hast du nun mal nicht mit irgendwelchen hinigen Gspusis, die Lust auf „immer neue Körper“ haben, I’m very sorry. 

Samstagnacht, die ganze Stadt ist drauf // Im Rückspiegel geht Berlin in Flammen auf // Morgen sind wir zwei verschwommene Erinnerung’n // Da schlägt kein Herz für mich hinter dem Silikon //Durch die Pille mit dem Totenkopf // Fühlt der One-Night-Stand sich an wie uns’re Hochzeitsnacht// Augen glasig, wir schweben durch die Straßen // Die Fenster zu meiner Seele sind beschlagen // Ich brauch keinen Entzug, ich brauch nen Exorzist // Mädchen sag, bist du kaputt wie ich? 

Gute Frage, gell? Da weiß man nicht recht, was man da drauf antworten soll. Wo ich mir allerdings wirklich sicher bin, ist, dass einen die Hookup Culture erodiert. Emotionale Abstumpfung und die zunehmende Bedeutungslosigkeit, die auch vor Intimität nicht Halt macht – großes Thema. Ich habe heute zufällig den Jan Bülow in der Sauna wieder getroffen und ihn gefragt, was er von der aktuellen „Dies Irae“ – Produktion des Burgtheaters halte, bei dem Live-Sex auf der Bühne gezeigt wird. Er meinte: „Ja, die meinen halt, das ist total provokativ. Wäre es vielleicht auch – in den 70er Jahren…“ Und was, wenn Sex irgendwann nicht mehr zieht? Bringen sie dann Leute auf der Bühne um? Weil ich mein – wir wollen ja alle die live experience, oder? Er lachte, und meinte – ja, das wäre dann der nächste Schritt. Aber schon skurril oder? Wo hört dieser ganze Wahnsinn eigentlich auf? Im Endeffekt bringt uns diese Bedeutungslosigkeit innerlich um. Sind wir in Wahrheit schon alle dead inside? 

Die fantastische Esther Perel statuiert in ihrem legendärem TED Talk „The Secret to desire in a long-term relationship“ (der mittlerweile knapp 4 Millionen Views hat) die Bedeutung von Erotik. Während Tiere lediglich Sex haben, sind wir Menschen zu Erotik fähig- einer Sprache, nicht nur einem Verhalten. Sie bezeichnet Erotik als „das Antidot zum Tod“, oder auch dem Trauma. Traumata sind seelische Verletzungen, die quasi immer zu psychischen Störungen führen. Ein Tindermatch aus 2019 hat mir damals im Chat erzählt, was er sich so vorstellt von einer Frau. Und zwar war er auf der Suche nach einer Beziehung. Aber die Freundin sollte manchmal „ein böses Mädchen“ sein. Ich so – häh!?- was meinst du damit? Daraufhin erklärte er mir, dass er möchte, dass seine Freundin immer wieder mit anderen schläft und dann direkt und ungeduscht zu ihm heimkommt und er das Fremdgehen sozusagen herausfindet. Das fremde Sperma war sozusagen der Turn-On für ihn. Da dachte ich mir auch, okay, nix für ungut, aber der Typ hat mit Sicherheit ein ganz massives Trauma. Kann eh sein, dass er das auf die Art irgendwie auflösen kann, aber ja, also für mich wär das nix, ich sag’s wie’s ist. Ein anderer meinte, er möchte mein „Sexsklave“ sein, und würde alles machen, was ich ihm sage – angefangen von „nackt putzen“, über „Tüten tragen“ oder mir „vor die Füße fallen“. Und es ist eh in Ordnung – ich mein, whatever rocks your boat. Aber ich finde, man sieht, wie traumatisiert viele einfach sind. Die breiten einer wildfremden Person, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen haben, ihre sexuellen Fantasien aus, in der Hoffnung auf baldige Erlösung (von was auch immer). Das alleine ist ziemlich schräg. 

Aber ja. Mittlerweile schauen 8-Jährige (!) Pornos und 19-Jährige Jungfrauen gehen zu Nutten, weil sie’s „endlich hinter sich bringen“ wollen. („Und, wie war das für dich?“- „Naja, im Nachhinein hätt’ ich mir vielleicht schon gewünscht, dass ich das erste Mal mit einer besonderen Person gehabt hätte…“) Das ist unsere Realität. Wenn du auf Pornhub gehst, siehst du von A-Z alles – und vieles ist so erschreckend brutal, dass man sich fragt, worum’s hier eigentlich wirklich geht? Und ob Anhängern dieser „Vorlieben“ vielleicht eine Psychotherapie helfen würde, in der sie ihren Frauenhass und ihre Traumatas aufarbeiten können? Oder ob da schon Hopfen und Malz verloren ist? Ich weiß es nicht. 

Ich komme jedenfalls immer mehr zu der Überzeugung, dass der absolute Großteil unserer Gesellschaft mittlerweile bindungsunfähig ist. Und ich glaube tatsächlich auch, dass die viel gehypte „Polyamorie“ nur eine Variante der Bindungsangst ist. Ich habe meinen Shrink mal gefragt, wie er zu diesem Thema steht, und er meinte, dass diese offenen Beziehungsmodelle „immer auf Kosten der Verbundenheit gehen“. Klar. Wie soll’s denn bitte auch anders sein?! Wem taugt in echt, dass sein Partner mit einem/einer anderen budat? Ich mein, samma uns ehrlich. 

Esther Perel erklärt, dass Liebe und Begehren zwei komplett unterschiedliche Dinge sind, die es in funktionierenden Beziehungen („erotic couples“) zu vereinen gilt. Denn beide Pfeiler sind gleichermaßen wichtig. Liebe befriedigt unser Bedürfnis nach Sicherheit, Vorhersehbarkeit, Verlässlichkeit und Beständigkeit, während Begehren immer dann entfacht wird, wenn es um Abenteuer, Neuheit, Risiko, Geheimnis, das Unbekannte, Überraschung und Gefahr geht. Schwierig, beides unter einen Hut zu bringen, wenn das eine quasi das andere lahmlegt. 

Bei Liebe geht’s um „haben“, bei Verlangen um „wollen“. “Can we want what we already have?” Der Clue ist, gleichzeitig Verbundenheit und Getrenntheit erleben zu können. Ziemlich abstrakt, gell? In der Essenz geht’s um die Fähigkeit zu einer sicheren Bindung. Leider haben die wenigsten von uns in ihrer Kindheit sichere Bindungsmuster gelernt. Was das heißt? Distanz aushalten zu können ohne Verlust zu fürchten, Nähe zulassen zu können, ohne um die eigene Freiheit zu bangen, mit dem anderen in Verbindung bleiben zu können, auch wenn ich ihn nicht sehe und komplette Verantwortung für mein eigenes Fühlen und Handeln zu übernehmen. Bei sich zu bleiben, obwohl man mit dem anderen ist. Den anderen nicht zu brauchen, sondern zu wollen.

Esther Perel formuliert das so: “There is no neediness in desire. Nobody needs anybody. There is no caretaking in desire. Caretaking is a powerful anti-aphrodisiac.“ Ist also eine relativ gute Sache, sein eigenes Leben trotz Beziehung unabhängig vom Partner weiterzuleben, den eigenen Passionen weiterhin nachzugehen und sie voranzutreiben und sich in keiner Weise abhängig voneinander zu machen. Dann versiegt die Begierde auch nicht. Denn – Menschen fühlen sich am meisten hingezogen zu ihrem Partner, (1) wenn er/sie abwesend ist und sie sich nach ihm/ihr sehnen können, (2) wenn sie ihren Partner in Situationen erleben bzw. beobachten, in denen er/sie selbstbewusst und eigenständig auftritt und (3) in Situationen, die ein Element von Überraschung oder Neuheit mit sich bringen. Also dauerndes Aufeinanderpicken und immer nur von 9-5 hakeln und am Abend dann gemeinsam Netflixen ist eventuell zwar gemiatlich, aber nicht die erotische Stimulation par excellence.

Wenn Leute sagen, sie wollen „mehr Sex“ (= „besseren Sex“), so heißt das laut Perel, dass sie sich mit ihrer eigenen Lebendigkeit, Vitalität und erotischen Energie wieder verbinden wollen. Wenn du dead inside bist, kannst also ganz Wien vögeln, und es wird dich nicht zum Leben erwecken. Weil guter Sex eben sehr viel mit dem eigenen Er-leben zu tun hat. Ein anderer Körper kann dir nur kurzfristig Leben einhauchen. Wenn der anfängliche Dopaminrausch abgeklungen ist, wirst du einen neuen Körper brauchen. Da ist’s vielleicht nachhaltiger, sich zu überlegen, wie man sich selber wieder mehr reanimiert und sich in seiner Lebendigkeit besser spüren kann. 

Anstatt sich zu überlegen, wer oder was einen antörnt, ist die wirkliche Frage, wann ich mich selber antörne. Denn Erotik hat viel mehr mit einem selbst zu tun als man glaubt. 

Genauso verhält es sich bei der Frage nach dem Abtörn:

I turn/shut myself off when….   

  • I feel dead inside.* 
  • I don’t like my body. 
  • I feel old. 
  • I haven’t had time for myself. 
  • I feel low self-esteem. 
  • I don’t perform well at work. 
  • I have a low sense of self-worth
  • I don’t have a right to want, to take, to receive pleasure. 

*Antworten aus Perels Umfrage

Schon spannend, oder? Wie dann doch immer wieder alles auf einen selbst zurückfällt. Die Verantwortung, die man selber in der Hand hat. Ich mein, natürlich kann man sein Glück in der Polyamorie suchen, oder im Niemalsland des Tinderdschungels oder in immer wiederkehrenden casual-sex Abenteuern, die einem halt so „passieren“ und absolut “nichts bedeuten”. Die Frage ist halt, was man sich von diesem Superspaß erhofft. Das große Glück wird einem vermutlich nicht auf den Schädel fallen im deus-ex-machina- Style. Wild guess. 

Ich schalte das Autoradio aus// Das Lied erinnert mich an eine andre Frau // Sie wollte eine Familie und ich die Weltherrschaft// Den einsamen Menschen gehört die Nacht // Neben mir das Mädchen ohne Namen// Ihr Körper von Mercedes, die Seele von Versace// Das Mondlicht fällt auf ihre Narben// Sie will es nicht erzählen, also werd’ ich sie nicht fragen// Billighotel, in den Wänden Kakerlaken// Gift in den Adern, deshalb können wir nicht schlafen// Kannst du die Leichen in meinem Keller zum Schweigen bring’n?// Ich bin in schlechter Gesellschaft, wenn ich alleine bin.