An Monika Ballwein führt in der österreichischen Musikwelt kein Weg vorbei. Sie ist eine Koryphäe in dem, was sie macht und gehört zweifelsohne zum Who is Who der heimischen Musikszene. Das erste Mal habe ich von ihr gehört, als sie noch Jurorin und Vocal Coach bei Starmania war. Das ist jetzt sicher schon 15 Jahre her. Im Gegensatz zum Markus Spiegel (…) war sie immer unglaublich positiv, motivierte und ermutigte die KandidatInnen und wirkte darüberhinaus äußerst kompetent.
Alexander Kahr, mit dem ich 2007 eine EP aufnahm, war ebenfalls ein großer Fan von Monika Ballwein. Er meinte damals während unserer Zusammenarbeit, sie sei die absolut beste Gesangslehrerin, die dieses Land zu bieten hat. Und unter anderem auch die angesagteste Studiosängerin der Szene! Ich bewunderte sie schon damals sehr, auch wenn ich sie noch nicht persönlich kannte.
Kennengelernt habe ich sie erst 2013. Alex Kahr stellte für den ESC-Auftritt von Natália Kelly ein Team aus Background SängerInnen zusammen, und fragte mich (damals noch Englischlehrerin an der AHS), ob ich dabei sein möchte. No na! Im Team mit Monika Ballwein, Regina (Ina Regen) und Harald Baumgartner. Ich habe damals mein Leben nicht gepackt, so gefreut hab ich mich. Außerdem war ich extrem gespannt, wie Monika im real life ist. Für mich war sie einfach so ein „Star“, den man halt aus dem Fernsehen kennt. Wir trafen uns jedenfalls kurz darauf in Monikas Studio zum ersten gemeinsamen Proben. Wahnsinnig charismatisch, überaus herzlich und total professionell – das war so mein erster Eindruck von ihr. Und wir hatten’s auch echt lustig.
Ja. Ich war dann noch beim Recording der Backing vocals für Natálias Album und den ersten Proben im ORF dabei, wurde dann aber krank (Kehlkopfentzündung) und konnte nicht an der ESC-Experience teilnehmen. War bissl deppat…
Jedenfalls hab’ ich die Monika jetzt schon etliche Jahre nicht mehr gesehen, habe ihre musikalischen Milestones und Beschäftigungsfelder allerdings auf Facebook interessiert mitverfolgt. So war ich u.a. darüber informiert, dass sie Vocal Coach von Conchita Wurst war, Sängerin im Dancing Star Orchester (ORF) ist, 2013 eine eigene Single veröffentlichte, eine erfolgreiche Beatles Show auf die Beine gestellt hat, Jurorin bei Chorwettbewerben ist und unglaublich viele Auftritte in den unterschiedlichsten Formationen absolviert. Sie ist eine absolute Powerfrau. Truly radiant. Und daher hat es mich ganz besonders gefreut, dass sie mir für mein Interview gleich zusagte.
Vor zwei Wochen machte ich mich also auf den Weg zu ihrem Studio für unser kleines Plauscherl. Ein paar Meter vor ihrer Eingangstür lief mir der Hisham Morscher (ein österreichischer Newcomer) übern Weg, der gerade von einer Vocal Coaching Stunde kam. Im Studio angekommen empfing mich Monika gewohnt herzlich und voller Energie: „Na, dass wir zwei das noch erleben…!“ Haha. Herrlich. Sie hat einfach so eine Art, wo man sich sofort wohl fühlt. Und sie ist so erfrischend echt und ehrlich. Wir plauderten eine knappe Stunde, bevor wieder der nächste Schüler zur Tür reinspazierte. Monika ist heiß begehrt, keine Frage! Und eine Inspiration. Aber read for yourself:
Du machst ja irrsinnig Vieles – singst in verschiedenen Bands und Formationen, singst Signations & Jingles für alle möglichen Radiosender, singst für ORF Produktionen, bist Vocal Coach, Dozentin, Jurorin … Wie schaffst du das zeitlich und energetisch, dass du das alles unter einen Hut kriegst?
Ich hab keine Ahnung. (lacht) Wenn man mir das so aufzählt, denk’ ich mir auch jedes Mal – das gibt’s ja nicht, wie kann man das aushalten, wie kann man das machen? Ich hab’ früher gesagt „Bah, das ist alles super, mich interessiert alles an musikalischen Projekten!“ Ich muss es jetzt ein bissl umstrukturieren, so kann das nicht weitergehen die nächsten 50 Jahre. Aber es ist natürlich schon so, dass mir halt auch alles wirklich Spaß macht. Meine Leidenschaft ist so riesig, und ich brenne jeden Tag einfach, Musik zu machen. Und diese Vielseitigkeit hab’ ich mir jetzt nicht ausgesucht, sondern die war eher notwendig, weil mich eben alles interessiert hat und ich das Glück hatte, dass sich auch vieles für mich ergeben hat. Ich bin auch sehr vielschichtig. Und es bereichert und inspiriert mich auch alles. Und es befruchtet sich gegenseitig so wahnsinnig viel. Das ist für mich auch sehr spannend. Aber jetzt bin ich an der Reihe. […] Jetzt bin wieder mehr ich als eigenständige Künstlerin wichtig. Ich schau’, dass ich wieder meine eigenen Sachen aufleben lasse, dass die Akademie gut läuft – weil das macht mir wirklich Spaß. Ich unterrichte gerne, und gebe sehr gerne meine Erfahrung weiter, weil ich einfach viel mittlerweile weiß – das klingt kokett, aber auch durch ganz viele verschiedene Menschen, die ich begleiten durfte, die mir auch viel gegeben haben. Es ist ja nicht so, dass immer nur ich gebe – sondern ich bekomme auch sehr viel! Der Austausch ist für beide Seiten inspirierend und passiert immer auf Augenhöhe. Und durch meinen Gospel-Chor, meine eigene Band, meine Beatles-Show, Insieme, Live Spirits,…also es ist so viel, so viel verschiedene Musik, es ist so cool. (lacht) Leidenschaft ist das Hauptwort.
Was denkst du war für dich der Schlüssel zu deinem Musikerfolg? War das Talent? Disziplin? Die richtigen Leute getroffen? Eine Mischung aus allem?
Es ist vielleicht ein bisschen von allem. Ein Schlüssel – ich glaube, wenn man den hätte, hätten den viele nachgemacht. Eventuell muss man für sich entscheiden, was der eigenen Glaubenssatz ist. „Was will ich? Und was kann ich?“ Und nicht nur an Träume glauben, sondern definitiv auch fokussiert was dafür tun. Und Talent – ja, ich hab wahrscheinlich Talent gekriegt, was ich nicht gewusst hab. Ich hab einfach gemacht. Ich hab nichts Anderes gemacht, als das, was meine Seele wollte, oder was mein Herz wollte. Dieses Brennen. Und ich denk mir – wenn Du Talent hast, wenn du etwas vorzuweisen hast, wirst du immer einen Weg finden in Deinem Bereich. Und wenn ich nur Straßenmusik machen gehe, und es gefällt jemandem und ich kann jemanden berühren – werde ich wahrscheinlich nicht am Hungertuch nagen. Und das Interesse war da, und sicher auch die Disziplin. Mein eigener Anspruch ist sehr professionell und sehr hoch – das zu erfüllen, weil mich das auch glücklich macht. Ja, so wie du sagst – es sind viele Komponenten, die den Schlüssel ausmachen. Und ja, Glück braucht man immer dazu. Was weiß ich, wenn ich 10 Jahre später… ich hab keine Ahnung…aber hätti wari – mit dem kann ich nicht umgehen.
Wie hat sich das Arbeiten in der Musikindustrie für dich mit deinem zunehmenden Erfolg verändert?
Ich bin jetzt über 30 Jahre in diesem Business tätig und in diesen 30 Jahren hat sich sehr viel verändert. Die ganze Musikindustrie hat sich verändert. Die goldenen 90er, wo ich auf Tour war, da habe ich jede Woche Produktionen gesungen im Studio. Jede Woche. Und nicht eine, sondern oft drei. Es hat sich auch viel verändert durch die Digitalisierung und durch Social Media – viele produzieren mittlerweile alleine zu Hause, es gibt wenige große Studios, die durchgehend ausgelastet sind. Dieser Markt hat sich geändert. D.h. mit dem dann umzugehen, und seinen Platz dann weiterhin zu finden, ist sicher was Anderes, als wenn man weiß „so ist es, und so muss man’s jetzt gerade machen“. Ich glaube, da Flexibilität zu haben, war eher das Schwierige. Aber was mich immer gefreut hat, ist, ich bin gern Vorreiter, ich war immer gern die Erste. Ich war in meiner Background-Zeit immer die Backgroundsängerin und dann auch als Coach. Es war und ist mein Anspruch, immer das Bestmögliche von mir zu geben. Mehr kann ich nicht machen, sozusagen. Ich schau’, dass ich 100% gebe, und hoffe, dass es genügt. Ich denke, wenn man sich Flexibilität zutraut und trotzdem bei sich bleibt, kann man sich an alle neuen „Umstände“ anpassen. […]
Du hast ja schon zahlreiche CastingteilnehmerInnen gecoached (Popstars, Starmania,..), und warst u.a. Jurorin von Starmania – woran erkennst du, ob jemand „Star-Potenzial“ hat?
Man müsste davor definieren: Was ist ein Star? Das ist eigentlich eine Grundsatzfrage. Cd- oder Plattenverkauf? Wann ist man ein “Star”? Wenn man erfolgreich ist ? Wann und womit erfolgreich? Wie definiere ich Erfolg? Das sind aber zwei Paar Schuhe, weil Starpotenzial – so wie’s die internationale Musikwelt darstellt (Beyonce, Ariane Grande usw.) – Die bringen was mit, was bei uns ganz ehrlich gar nicht so gefragt ist. […] Ich glaube, es hat bei uns andere Komponenten, ein „Star“ zu sein als ein internationaler „Star“. […] Für mich hat’s damit zu tun, wenn jemand wirklich Personality hat. Dann ist er für mich auch jemand, der Star-Appeal hat. Und diese Personality muss jetzt nicht Glitzer-Glamour sein. Vielleicht implizieren das aber viele mit dem Wort „Star“. […] Es gibt auch sehr bescheidene „Stars“, die sehr unscheinbar sind. Man merkt, wenn jemand zb. zu einem Casting kommt – der muss nicht unbedingt „laut“ sein, weder musikalisch noch menschlich – aber in sich eine Stimmigkeit, gepaart mit Ausstrahlung und Personality hat, die mich anspricht – dann kann das wachsen. Ich glaube, es wächst dann auch mit den Aufgaben, mit dem Selbstbewusstsein, mit dem Sich-Kennenlernen, und dem Aus-Sich-Herausgehen.
[…]
Hast du Madonnas Auftritt beim ESC gesehen? Ich hab mir den erst am nächsten Tag auf Youtube angeschaut und die Kommentare waren ja teilweise sehr vernichtend. Eine Kommentatorin meinte, ab 50 leiern sich die Stimmbänder aus. Das ist ein Blödsinn, oder?
Ja. Genau. Das mag ich ja dann auch besonders gern, wenn man unsere Zunft – und ich gehör ja auch dazu – [verunglimpft]. Und ich muss schon auch sagen, ich hab mich auch damit auseinandergesetzt. Früher hat man die Frage gestellt „Ja, wird man dann tiefer im Alter? Warum ist das so?“ Grundsätzlich kann einem das noch keiner sagen. Ich habe auch mit einer großartigen Ärztin gesprochen, weil ich wissbegierig bin, und das wissen will. Es gibt noch wenige Studien, ob das z.B. hormonell bedingt ist. Man weiß, bei Frauen kann das hormonell bedingt im Wechsel passieren, aber es gibt dazu noch zu wenige Studien, um klar sagen zu können, was wirklich passiert. Wird die Stimme dann tiefer, weil mehr Testosteron produziert wird, oder was weiß ich… – man weiß es noch nicht. Es kann aber auch sein, dass du durch den “lack of support” nicht mehr so gut stützen kannst. Das ist natürlich auch eine körperliche Geschichte. Bei den Männern z.B. – Paul McCartney singt noch immer in seiner Originaltonart. Ja – er hat nur ein relativ breites Vibrato mittlerweile, aber das ist sicher auch, weil er eventuell eine bessere Stütze braucht. (lacht.) Ich würd’s ihm gern auch erklären, und im Zuge dessen würd ich ihm gerne meine Beatles CD schicken, aber ich würde das gerne auch ausprobieren, bevor ich da was verzapfe.
Aber es ist echt interessant, dass es da noch keine Studien gibt.
Ich kann nur sagen, was mir gesagt worden ist, und ich hab’ mich jetzt noch nicht so wahnsinnig drauf konzentriert – aber das werde ich jetzt vielleicht auch noch tun, weil’s ja mich auch betreffen wird… „Ahh, die singt schon ein bissl tiefer. Auch schon 50 huhh…“ Ja, ist auch so eine Geschichte – von wegen Emanzipation und Frauen – Wir dürfen mit 70 nicht mehr auf der Bühne stehen, aber die 70-jährigen Männer schauen wir uns alle noch gerne an. Also was ist jetzt das? Das ist überhaupt keine Emanzipation, das ist eine Frechheit!
[…]
Ja, es ist halt so eine Doppelmoral. Bei Männern sind Sachen total okay, bei Frauen nicht. Bei Männern sind graue Haare sexy…
Voll. Falten sind sexy. Graue Haare – na, das ist charmant…Wenn wir graue Haare hätten – ich glaub nicht, dass das jemand so toll findet im Pop Business.
[…]
Wie wichtig denkst du ist Jugendlichkeit generell in der Musikindustrie? Kann man mit 40, 50 noch „durchstarten“?
Ja, natürlich kann man das! Die Frage ist, ob’s andere zulassen. Ich hab’ es noch immer vor, dass ich mir endlich meine eigene CD mach’. Ob ich damit durchstarte, weiß ich nicht – ich mach es, es ist mir eigentlich egal. Weil ich kann es nicht ändern. Ich kann mich jetzt unters Messer legen, ich kann mir jetzt nochmal meine Haare färben… ich bin sehr achtsam, was mich und meinen Körper betrifft! Eine gewisse Achtsamkeit sollte jeder selbst haben- wenn ihm das wichtig ist. Aber das muss ich niemandem vorschreiben. Ich muss nur damit umgehen lernen, falls jemand sagt: „Na jetzt stellt sie sich noch auf die Bühne – warum?“ Der muss mich aber auch nicht anschau’n. Mir geht’s darum – ich hab’ ja was anderes zu sagen. Ich stell mich jetzt nicht auf die Bühne und weiß ich nicht [mach einen auf] Sex-Appeal oder 20-Jährige.
Aber du hast ja auch schon so viel gemacht. Du hast ja schon einen Namen.
Ja, letztendlich steh’ ich trotzdem oben und stelle mich jedesmal einer gewissen Bewertung – indirekt. Da kann ich mir den Namen aufschreiben. Weil ich ja weiß wie Menschen sind – grausam! Das ist dem Publikum egal! Ich will da jetzt auch nicht zu hart sein – aber man muss damit umgehen können und sich damit auseinandersetzen. Aber ich will jetzt deswegen nicht aufhören.
Na um Gottes Willen, bloß nicht!
Und deswegen mein’ ich – es gibt Menschen, die sind sehr schnell sehr verurteilend. Und in unserer Branche heißt das, man darf sich dann nicht mehr auf die Bühne stellen? Oder was heißt das dann? Oder wie im Ballett – ich muss mit 35 aufhören? Da gibt es ein vorgeschriebenes Limit, körperlich bedingt. Aber unsereins – wenn das Publikum das noch will… Ich kann das nicht immer nur runterbrechen auf „der muss jetzt schön ausschauen.“ Ich muss mich wohlfühlen, und ich weiß auch, was ich zumuten kann, finde ich. Ich find’s auch ganz schwierig.
Es ist wirklich schwierig.
Ein Beispiel möchte ich hier bringen: Niki Lauda hat von einer Pressekonferenz nach seinem Brandunfall erzählt, wo ihn ein Journalist gefragt hat: „Und, lässt sich ihre Frau jetzt von ihnen scheiden?“ Und er sagt: „Wieso soll sich meine Frau jetzt scheiden lassen?“ Und er sagt: „Na, so wie Sie jetzt aussehen…?“
Bist narrisch.
Der Mensch ist dann eine Hyäne. Von wegen Empathie – kann man da jetzt nicht sagen, dass das viele Menschen haben. Und ich glaube, uns geht’s ähnlich, wenn dann die Bingo-Wings kommen und dann verhüllt man sie nicht. Ja, dann weiß man halt, ja dann zieh ich das halt nicht an, damit ich nicht Angriffsfläche bin. Der alte Mensch ist jetzt nicht immer der Schönste, im Sinne von einer Jugendkultur. Körperlich. Die Frage ist – wie geht man selber damit um, wie kann ich’s verkaufen, verkraften, damit die das auch so sehen. Ich find es ist wahnsinnig schwierig – ich kann’s auch nur jetzt für mich step by step erfahren. Ich weiß es noch nicht, was es mit einem macht, oder was es mit mir macht. Und auf manchen Fotos denk ich mir „Oh Gott, die Falten…!“
A geh bitte.
Ja natürlich. Und andere sagen dann „Boah, die ist ja schon so alt.“ Weißt du, nein, das ist so. Das denkst du dir. Ich kann’s annehmen, oder ich kann mich ewig geißeln damit. Das sind Dinge, die muss man hinnehmen, muss man akzeptieren, muss man beobachten, muss man kennenlernen.
Und auch die Gesellschaft Schritt für Schritt ein bissl mitverändern. Weißt, dass es auch okay ist. Du bist ja auch ein Vorbild. Ich muss mit 50 ja nicht ausschauen wie mit 20.
Nein, will ich ausschauen wie mit 20?! Na, das wäre ja fürchterlich! Also Vorreiterrolle – wenn ich das machen kann, ich bin’s gern. Ich bin bitte auch so ein großer Fan von der Erika Pluhar, das ist einfach so eine großartige Frau! Die ist 80, und die schaut aus, das ist ja unglaublich! Und das siehst du nicht, weil sie nicht so ist. Und ich sag’ auch immer, ich bin im Herzen 25. Ja, das bin ich wirklich. Weil ich lustig bin, weil ich’s auch will – ich bin ein Kindskopf. Mein Kind sagt immer „Ma, du bist oft so blöd!“ Sag ich: „Ja, ich bin gern blöd, wenn du das glaubst.“ Aber das hält mich [jung]. [Das Leben] ist eh tragisch genug. Paul McCartney lustigerweise ist ja auch so ein Kindskopf, der macht immer Spassetteln. Bei jedem Fotoshooting heißt’s, ah der steigt herum wie so ein junger Hund, und er spricht dann auch so. Ist 75 und immer noch so lustig. Der ist einfach im Herzen lustig und er ist auch so ein bisschen Peter Pan – nicht das Verweigern, sondern diese Leichtigkeit ein bissl noch zu haben.
Du hast ja in einem Interview (Roter Stuhl, 2014) einmal gesagt, dass du trotz deiner langjährigen Erfahrung immer noch nervös bist vor Auftritten. Ich kenn das von mir selber recht gut – ich finde Bühnenangst sehr hemmend, für mich persönlich. Ist das deiner Meinung nach eine Typfrage oder kann man sich das tatsächlich nachhaltig abtrainieren?
Ja, ich hab’s nämlich nicht mehr.
Wirklich?
Ja. Ich hab’s ganz kurz – Anspannung nenne ich es auch dann. Und ich habe es auch immer dementiert, wenn jemand sagt: „Na, a bissl a Nervosität gehört dazu!“ – Nein, das gehört nicht dazu! Weil was macht Nervosität? Chemischer Prozess ist Totstellen, Weglaufen oder Kämpfen. For-get it! Was ist davon angenehm? -Nichts! Das heißt, ich kann nichts abrufen, wofür ich vorher fokussiert trainiert habe. Das heißt, ich zerfalle in meine Einzelteile. Das kann nichts, sowas. Man kann es trainieren. So wie ich mir früher gesagt hab’: Kein Mensch kümmert sich um unsere mentalen Trainings. Bei jedem Sportler ist der Mentaltrainer der Wichtigste. Der steht daneben. Und wir haben eine Operation am offenen Herzen – jeder schießt rein, und das musst du verkraften, wenn irgendwas nicht funktioniert. Also: Mentales Training, Glaubenssätze ändern, viel Fokussierung, an sich selber arbeiten. Sich nicht sagen „Hoffentlich wird das gelingen…“, sondern: „Es wird gelingen, und ich werde es wunderbar machen. Ich werd’ das machen, was ich immer mach’, und zwar super!“ Sich definitiv programmieren. Wenn ich weiß, ich habe mich gut vorbereitet, was soll passieren? Weil was ist die Bühnenangst? Die Bühnenangst ist immer nur das Scheitern. Lampenfieber ist nur Scheitern. Warum soll ich scheitern? Ich hab’ ja gut trainiert. Wir haben’s vorher können, und wir haben’s nachher können. Falls mir jetzt nicht irgendwie das Mikro ausfällt, oder mir irgendein Licht am Schädel fällt, kann nix anderes passieren. […] Und ich weiß ganz genau – ich bin nur dann ein bissl nervös, wenn ich genau weiß, ich hab mich eben nicht so gut vorbereitet, ich hab den Text nicht gut gelernt… Deswegen bin ich nervös. Weil ich eben weiß, dann scheitere ich eventuell. D.h. wenn ich gut vorbereitet bin, brauch’ ich mich nicht fürchten, dass mich irgendwer mit Tomaten oder faulen Eiern bewerfen wird. Wenn ich den Text nicht kann – na dann halt nicht. Was soll passieren? Und das ist eben das, was ich so gern allen Jungen mitgebe: Programmiert’s euch mit dem guten Futter! Das klingt so deppat, aber das muss man machen. Glaubenssätze programmieren ist wichtig. „Ich bin super! Warum? Weil ich es gut kann. Und ich hab’ euch was zu sagen, ich hab euch was zu geben. Es freut mich. Ich freu mich drauf, dass ich das geben kann.“ Weil das Adrenalin kommt dann wieder zurück und das füttert dich. Wenn ich eine 50/50 Chance hab, gewinnt’s oder gewinnt’s nicht – na, das ist ja nicht befriedigend. Das ist ja ein Alptraum. Da hab’ ich an mir wirklich viel gelernt und gearbeitet und das kann ich nur empfehlen. Das dauert ein bissl, es gibt natürlich immer wieder zwei Schritte vor und einen zurück, aber das ist ein steter Prozess. Und wenn man da achtsam ist, mit dem, was passiert, kann das einfach schwinden.
Welchen Ratschlag würdest du deinem 20-jährigen Ich geben?
Uhhhh… (lacht.) Du stellst Fragen! Meinem 20-jährigen Ich würd’ ich sagen: „Ja, steh mehr zu dir!“ Das ist vielleicht auch meine Generation oder so, sich da lange doch immer wieder anzupassen. Ich hab’s halt nicht immer ganz zugelassen, und deshalb ist es auch weitergegangen. Ich hab dann auch durchgehalten. Und von vornherein sagen: „Alles ist gut. Du bist super, wie du bist.“ Und: „Sei mutig. Was soll passieren?“ Und so wie ich’s meinen Schülern immer sag: Das Schönste am Singen ist: Es ist nur Singen. Es ist keine gefährliche Sportart. Es ist nur Singen. Das relativiert’s dann so. Und es macht ja Spaß. Und es tut echt nicht weh.
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