Ich weiß ja nicht, wie’s euch geht, aber ich für meinen Teil bin ungern „austauschbar“. Das Thema kommt vermutlich ein bisschen random daher, aber ich hatte vor ein paar Tagen eine Diskussion zum Thema Austauschbarkeit, die mich dezent aus der Fassung gebracht hat… Und zwar meinte dieser – ähm…- Bekannte von mir, dass ich nur „eine von vielen“ sei (yeah, baby!), genauso wie er auch, jeder austauschbar wäre und er nur ganz, ganz wenige Menschen kenne, die wirklich „besonders“ seien. (Und ich so innerlich: Ok Conny, breathe in… breathe out…) Ich entgegnete darauf, dass ich eigentlich niemanden „austauschbar“ fände, schon gar nicht, wenn ich den gern hab, weil ja jeder auf seine Art „besonders“ sei. Aber gut, vielleicht bin ich da ein bisschen zu sehr im Christopher-Columbus-Modus, ich weiß es nicht. Er jedenfalls blieb dabei, dass außer der Familie, den engsten Freunden und dem Partner, mit dem man irgendwann den Rest seines Lebens verbringt, jeder und jede austauschbar wäre.
Und ja, dieses Thema hat mich tatsächlich beschäftigt. Die Frage ob man wirklich jemanden „austauschen“ kann im Sinne von 1:1 ersetzen, und ab wann bzw. wieso jemand (plötzlich) nicht mehr austauschbar ist. Ich habe mir so ganz elementar überlegt, dass ich für meinen Teil mal fix eine Glühbirne (2018: LED) austausche. Die eine geht nicht mehr, zack, neue rein. Ausgetauscht. No emotion what-so-ever. Hauptsache Licht. Mit dem IKEA-Topfset verhält es sich ähnlich. Schwieriger wird’s schon bei meiner Hängeleuchte, die neulich runtergefallen- und am Boden zerborsten ist – die hatte ich insgesamt 9 Jahre, sie war mit mir in 3 verschiedenen Wohnungen und ich fand sie richtig schön (sie war nicht von IKEA). Ich hab’ sie immer noch nicht ersetzt, weil ich auf jeden Fall eine möchte, die mindestens genauso schön ist, und weil ich noch nicht über sie hinweg bin. Mimimi.
Anyways, aus diesem simplen Beispiel schließe ich jetzt, dass Zeit, Anschaffungskosten (Höhe des getätigten Investments), wahrgenommener (subjektiver) Wert, und positive, gemeinsame Erinnerungen offensichtlich wesentliche Faktoren sind, die die Austauschbarkeit erschweren. Und ich glaube, ganz generell kann man sagen: Austauschbarkeit funktioniert nur auf einer oberflächlichen bzw. objektifizierten Betrachtungsebene. Eine Glühbirne ist eine Glühbirne ist eine Glühbirne. Solange ich das so sehe, sitze ich nie im Dunkeln. Was ganz praktisch ist.
Aber ich lass das jetzt mal mit den dinglichen Vergleichen. Let’s talk human beings. Fangen wir bei der Arbeitswelt an: Menschen besetzen Stellen, erfüllen eine Funktion und werden nach ihrer Leistung beurteilt. Ein guter Mitarbeiter ist einer, der dem Unternehmen „was bringt“. Und in unserer -größtenteils entmenschlichten- Arbeitswelt ist wirklich jeder austauschbar. Mitarbeiter A geht, Mitarbeiter B kommt. Wenn der nicht adäquat performt oder nicht mehr will, na dann kommt eben Mitarbeiter C. No harm done. Vielleicht kommt auch irgendwann einmal ein Roboter. Wer weiß. Das Konzept des „sicheren Jobs“ – meiner Meinung nach – ein Mythos.
Die Unternehmensneugründungen in Österreich haben sich von 1993 – 2017 nahezu verdreifacht (http://wko.at/statistik/ng/ng-oesterreich.pdf), und dafür ist sicher nicht der großartige Wirtschaftsstandort, die unternehmerfreundliche Kultur und eine exponentiell gewachsene Kreativität verantwortlich. Nein – „Frauen wollen flexibel, Männer eigener Chef sein“ (https://oesterreich.orf.at/stories/2821716/). Selbstbestimmung also. Und der Wunsch, für sich selber, und nicht für irgendjemand anderen zu hackeln. (cf. ibid.). Da hamma’s – das Thema Individualität. Wenn ich „mein eigenes Ding“ mache, bin ich in dem Sinn auch nicht austauschbar. Vielleicht ist mein Produkt oder meine Dienstleistung austauschbar, das kann natürlich schon sein. Und die Frage, ob sich mein Biz als lukrativ erweist, steht natürlich auch noch im Raum, gell. Aber die Gefahr, dass ich als Mitarbeiter XY ausgetauscht werde, ist weitestgehend gebannt. Chillig.
Letzte Woche habe ich auf der Suche nach neuer Musik den Wiener Rapper BIBIZA entdeckt. Der hat jetzt aktuell eine Single veröffentlicht, mit dem Titel „Nebenbei“, auf der er u.a. folgende Textzeilen sportet:
Alle tun auf Kunst, doch ich fick (?) was ihr denkt. // Ihr seid vielleicht Opfer, aber nicht prominent. // Jeder ist ab heute Blogger und so individuell. // Alles voller Amateure, die sich selber Künstler nennen. […]
Du bist 1 von zigtausend Mitarbeitern // Du und deine Gang – alles secondhand // es ist so amüsant, dass ihr glaubt, dass man euch kennt. […]
Und glaub’ nicht, du bist fame, weil du auf Insta paar Likes hast. // Mann, wir stechen raus aus der Suppe voller Try-hards.
Ich muss ehrlich sagen, mich hat die Nummer sofort gehookt, und ich find’, dass sie diese aktuell grassierende schizophrene Einstellung zu Individualismus ziemlich gut wiedergibt. Auf der einen Seite eine Verurteilung des Mainstreams, auf der anderen Seite aber auch des Versuchs, sich bewusst davon abzuheben. Gleichzeitig wird die eigene Individualität und Besonderheit betont, die aber natürlich ganz „nebenbei“ stattfindet. So nach dem Motto „ich BIN halt einfach leiwand, was soll ich machen?“ ADHS und das Heischen nach Aufmerksamkeit sind out, aber gesehen werden will trotzdem jeder. Und mainstream (=austauschbar) will in Wahrheit auch keiner sein, genauso wenig wie ein „Opfer“. Es ist schwierig.
Friedrich Torberg sagte einmal „Österreichs Stärke ist sein Mittelmaß“ – das war irgendwann im vorigen Jahrhundert. Und ich habe das Gefühl, dass sich diese Einstellung sehr lange gehalten hat. Ich für meinen Teil wurde z.B. noch so erzogen, dass man bitte nicht unnötig auffällt und „Eigenlob stinkt“. Das haben die meisten amerikanischen Kinder wohl eher seltener gehört (assuming). Und meine Eltern sind auch nicht die ganze Zeit mit irgendeiner Videokamera (Smartphones gab’s damals ja noch nicht) vor mir herumgegeistert und haben jeden Purzelbaum, den ich gemacht hab’, als Heldentat gefeiert. Heute ist das irgendwie anders – Stichwort Sharenting… Es gibt eben unzählige Möglichkeiten und Mittel, wie Leute versuchen, besonders -und somit nicht austauschbar- zu sein, und das Internet hat diese Möglichkeiten nochmal potenziert.
Mein Bekannter meinte ja von sich selber: „Ich bin komplett Mainstream, da mache ich mir nix vor.“ Und vielleicht ist das auch die gesündeste Einstellung, ich weiß es nicht. Aber ich glaube ehrlich gesagt, die wenigsten Menschen (mich eingeschlossen) leben nach dem Prinzip „Meine Mama liebt mich, und der Rest ist mir wurscht.“ Höher, schneller, weiter, geiler, schöner, besser, erfolgreicher – und natürlich: FOMO. Aber ist nicht die Essenz dieses ganzen Vergleichswahnsinns die Angst vor Bedeutungslosigkeit und Austauschbarkeit? Dabei ist vielleicht die Lösung, sich zu vertiefen anstatt zu verstreuen. Mehr Sein und weniger Werden, mehr Finden und weniger Suchen, mehr Atmen und weniger Keuchen. Mehr Ruhe. Also generell. Dingen. Zeit. Geben.
Sich selbst.
Zeit.
Geben.
Vorgestern habe ich einen Typen auf Tinder gematcht, der in seinem Bio-Text Folgendes drinstehen hat: „Eigentlich bin ich nur eine Nudel in der großen Schüssel mit Nudelsalat, aber vielleicht hast du ja Glück und ich bin al dente.“ Ich fand das mega. Natürlich wollte ich dann mit ihm eine Konversation zum Thema Austauschbarkeit führen, aber irgendwie schien er nicht so in Stimmung dafür zu sein. War ein bissl schade. Aber hab dann halt einfach mit anderen drüber geredet. Gibt dort ja genug aufgeschlossene Gesprächspartner. (lol)
Jaja. Tinder. Die Plattform auf der wir alle freiwillig Objekte sind. Objekte müssen gewissen Vorstellungen entsprechen. Von Objekten wird erwartet, dass sie auf eine bestimmte Weise funktionieren, andernfalls werden sie ausgetauscht (#Glühbirne). Wie Gerald Hüther sagt, ist der Mensch das einzige Lebewesen, das andere zum Objekt für seine eigenen Wünsche, Ziele, Erwartungen, Vorstellungen, Bewertungen und Maßnahmen machen- und als solches für sich instrumentalisieren kann. Das fängt mit der elterlichen Erziehung an, setzt sich in der Schule fort und bestimmt auch die Arbeitswelt. Wir sind es gewohnt, uns und andere zu objektifizieren bzw. von anderen zum Objekt gemacht zu werden. Kleine Kinder sind da genau umgekehrt – die machen häufig sogar Objekte zu Subjekten, weil sie intuitiv verstehen, dass man nur mit einem Subjekt, i.e. einem lebendigen Gegenüber, in eine Beziehung treten kann. Ich hatte zum Beispiel einen Löwen und einen Teddybären, die ich bis zu einem Alter von ca. 3 Jahren überall mit hin nahm, mit denen ich redete als wären sie Menschen und mit denen ich mich wirklich sehr verbunden fühlte. In der einen Hand hatte ich immer den Löwen, in der anderen den Teddybär. Und die beiden waren mal absolut gar nicht austauschbar. Bei mir hatten auch später noch alle Stofftiere und Puppen Namen. Also da war jede(r) sehr individuell. Ganz nebenbei.
Gerald Hüther sagt: „Damit man sich als Subjekt erlebt, muss man als Subjekt erlebbar werden.“ Und er erklärt, dass das immer dann der Fall ist, wenn man wem wirklich begegnet, sich auf den anderen einlässt, und das Gefühl bekommt, dass man „so wie man ist total richtig ist.“ Das wollen wir, denk’ ich, insgeheim alle (?).
Abschließend möchte ich mich noch bei allen bedanken, die mich als Subjekt sehen und für die ich nicht austauschbar bin. Danke, ihr Liebis.
(Link zu Gerald Hüthers Vortrag: https://www.youtube.com/watch?v=73LAqU4ur04 )